Vorwärts Nr. 7, 12. Jahrgang, November 1979

scher an. Wem gilt der Besuch? Der Wachkommandant deutet auf einen der Gefangenen. »Karl Punzer, mitkommen ... « Karl Punzer, ein 32jähriger Arbeiter aus Steyr, hat keine Wahl. Er muß mitkommen. Er weiß genau, das ist sein vorletzter Gang. Tausende sind schon vor ihm gegangen. Es sind nur ein paar Schritte, von der Todeszelle in die Armensünderzelle. Von dort führt nur mehr ein Weg weiter , zu einem kleinen Hof. Dort steht ein Schafott. Dort ist Endstation für viele aufrechte Kämpfer. Im März 1938, als die faschistischen Truppen Österreich überfi elen, gab die illegale Kommuni st isc he Partei als einzige Partei die Parol e aus: Österreich wird wieder frei, Österrei ch ist ein selbständiger Staat, al le Kräfte müssen zum Kampf gegen Hitl er, für ein freies demokratisches Österreich mobili siert werden . Wie tausende andere Kommunisten und Antifasc histen folg te auch Karl Punzer dem Aufruf der KPÖ . Der Weg eines Arbeiters Als Vorsitzender der ill ega len Kommu - nistischen Partei in Steyr organisierte er die Widerstandsbew egung . Durch seine überzeugende Kraft, mit der er für den Marxismus-Leninismus eintrat , mit der Begeisterungsfähigkeit der Jugend gewann er mutige und aufrechte Arbeiter und schult e sie zu standhaf - ten Kämpfern gegen die faschistische Gewaltherrsc haf t. Schon als junger Arbeiter hat er die Errungenschaften des Ständestaats am eigenen Leib kennengel ernt; Arbeitslosigkeit, Hunger und Not , das w ar das Los des jungen Österreichers der dreißiger Jahre. Seit seinem 14 . Lebensjahr stand Karl Punzer in der Sozialisti schen Arbeiter - jugend und trat 1932 zur Kommunisti - schen Jugend über . Das Jahr 1934, die Februarkämpfe, sahen ihn mit der Waffe in der Hand auf der Ennsleite. Aktiv kämpfte er gegen die Heimwehr für die Republik. Karl Punzer er lebte den Zusammenbruch der Ersten Republik, Verhaftung, Gefängnis, Entlassung und ständige Bespitzelung. Im März 1938 kapii •Jlierten jene, die bei der Unterdrückung des eigenen Volks so »tapfer« gewesen waren. Das Ziel schien in weiter Ferne Die Gestapo hielt schon in den ersten Tagen eine grausige Ernte. Alle bekannten Antifaschisten wurden eingekerkert. Aber langsam und vorerst noch zögernd begann sich der Widerstand zu organisieren. Bescheiden waren die Anfänge des Freiheitskampfes. Mit Fahrrädern machten die wenigen Aufrechten Ausflüge, sie trafen sich in versteckten Almhütten des Enns- und Steyrtales. Sie tarnten sich als Wassersportler, kletterten in ihre Faltboote. In unzugänglichen Auen des Steyrflusses, an einsamen Stellen kamen sie zusammen. Eine neue Organisation entstand. Das Ziel war klar: ein neues, freies, wirklich demokratisches Österreich zu schaffen. Zwischen den österreichischen Antifaschisten und der Verwirklichung dieses Zieles aber stand eine ·ganze Welt. 1939: Hitler überfiel Polen, es begann der zweite Weltkrieg. Hitler brauchte jedoch nicht nur Soldaten, er brauchte auch Arbeiter in seiner Rüstungsindustrie. 1942 wurden sie verhaftet! Unter den zum Rüstungsdienst Zurückgeschickten befand sich auch Karl Punzer. Nach wenigen Tagen hatte er wieder die Verbindung zu seinen Genossen aufgenommen . Eine neue Organisation entstand, stärker und schl agkräftiger als vorher. Im Hochsommer 1942 ging eine Verhaftungswell e über ganz Österreich. Am 3. September wurde Karl Punzer verhaftet, wenige Tage später die Leute seiner Gruppe. In Linz wurden Karl Punzer und seine Genossen in der Langgasse in der Gestapozentrale vernommen. Unter »Vernehmung« verstand die Gestapo allerdings etwas anderes. Es wurde wenig gefragt, dafür viel geschlagen. Neumüller, der berüchtigte GestapoSchläger, tobte seine Kräfte an den wehrlosen Gefangenen aus. Aber trotz Schlägen und Folterungen blieben die eingekerkerten Genossen ungebrochen. Karl Punzer und seine Gruppe waren eine Endstation. Die Wege, die von Steyr nach Amstetten und Wien führten, hat Hitlers Geheimpolizei in diesem Fall nicht erfahren, die »Steyrer-Gruppe« Punzer, Draber, Bloderer, Schwarz und Genossen blieben hart . Aber die »Beweise« der Gestapo gingen ja nicht zu einem normalen Gericht. Sie gingen zu Hitlers »Volksgericht«. Das Urteil stand schon vor der Urteilsverkündung fest. Karl Punzer, Franz Draber und Josef Bloderer wurden nach zweijähriger Untersuchungshaft am 23. Mai 1944 zum Tode verurteilt. Ihre schwersten Verbrechen: Sie hatten das Ziel, »die Ostmark vom Reiche loszureißen«, wie es in der Anklageschrift geheißen hatte . In der Todeszelle des Stadlheimer Gefängnisses warteten die drei Steyrer auf die Hinrichtung. Die Gewalthaber ließen sich Zeit. Das Schafott hatte ja damals Hochbetrieb. Hitlers Henker stellten täglich Rekorde auf. 32 Sekunden benötigte ein geübter SS-Mann für die Hinrichtung eines Freiheitskämpfers. Täglich hörten die drei Todeskandidaten die Schritte der Leidensgenossen, die zum letzten Gang ihre Zellen verließen . Sie hörten die letzten Schreie der Opfer, Flüche gegen Hitler und sein Reich, Hochrufe auf die unterdrückten Länder, die Kommunistische Partei, die Rote Armee. Ein kühner Ausbruch Karl Punzer, Franz Draber und Josef Bloderer nützten die Zeit in der Todeszelle, so gut es ging. Sie wollten sich nicht willenlos abschlachten lassen, sie planten die Flucht. Bei einem Luftangriff wurde die Wasserleitung des Gefängnisses zerstört. Punzer, Draber und Bloderer wurden mit anderen Häftlingen zum Wassertragen eingeteilt. Am 30. November mußte also das Letzte gewagt werden. Punzer, Draber und Bloderer verließen um 9 Uhr die Zelle. Streng bewach gingen sie bis zum ersten Tor . Plötzlich gab Punzer das vereinbarte Zeichen. Alle drei ließen die Wassereimer fallen und begannen zu laufen. Sirenengeheul ertönte. Die drei Steyrer Kommunisten liefen um ihr Leben. Durch den ersten Hof zur Mauer. Dort - das hatte Punzer schon vorher ausgekundschaftet - war eine kleine Tür. Die war vormittags meist offen. Durch sie gingen die Frauen der Wärter einkaufen. Draber erreichte als erster die kleine Tür. Ein Druck, sie war offen und damit der Weg in die Freiheit. Wie vereinbart, liefen die drei nach verschiedenen Richtungen davon. Zwei kamen durch Punzer, geschwächt durch monatelange Folterung, durch die jahrelange Haft unterernährt, konnte nicht lange durchhalten. Den schützenden Wald vor Augen, brach er auf einer Wiese zusammen. Er sah noch, wie die Genossen den Wald erreichten, dann holten ihn die Häscher ein. Brutal wurde er hochgerissen und in die Zelle zurückgeschleppt. Auf langen gefährlichen Wegen erreichten Franz Draber und Sepp Bioderer die Freiheit. Sie konnten die Zerschlagung des Faschismus erleben. Karl Punzer aber, der Bezirksobmann der KPÖ Steyr, wurde vor fünfunddreißig Jahren, am 5. Dezember 1944, um 17 Uhr enthauptet. Mit dem Hochruf auf seine unterdrückte Heimat Österreich starb er als 32jähriger für die Freiheit seines Volkes. Die Hauptstraße im Steyrer Stadtteil Münichholz trägt seit 1945 zu seiner Ehrung und immerwährenden Erinnerung seinen Namen: Karl Punzer.

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