Vorwärts Nr. 3, 12. Jahrgang, Juni 1979

Der Gewerkschaftliche Linksblock ist unabhängig von Regierung und Unternehmern Vor fast 60 Jahren hat sich die Arbeiterklasse die Errlchtun1 von Arbeiterkammern erkämpft. Mit den Arbeiterkammern sollte der Arbeiterschaft ein Instrument in die Hand gegeben werden, das sie besser In die Lage versetzt, Arbeiterinteressen gegen Kapitalinteressen durchzusetzen. Eine deklarierte Aufgabe der Arbeiterkammer war es von der Gründung an, Waffenschmiede, geistiges Arsenal für den Kampf der Arbeiterklasse zu sein und die Gewerkschaften mit Argumenten für den Klassenkampf zu Yersehen. Die Arbeiterkammern soH ten für die Lohnabhän,gigen das sein, wa.s die Unternehmerkammern für die KapitaJisten sind. Von den Arbeiterkammern ausgehend, müßte eine fundierte Auseinandersetzung mit der Politik der Sozialpartnerschaft geführt werden. Denn eines ist unabhängig von bestimmten materiellen und sozialpolitischen Er!ol:gen der vergangenen Jahre und Jahr• zehnte sicher: Die Politik der Sozialpartnerschaft, zu der sich die sozialistische Fraktion, der ÖAAB und d ie Freiheitlichen bekennen, ist eindeutig auf die Erhaltung, nicht auf die Oberwindung des staatsmonopolistischen Kapitalismus ausgerichtet. Die Politik der Sozialpartnerschaft widerspricht somit den gesellschaftlichen Grundintere5$en der Al'\beiterklasse. Wachsende Bedeutung Die Zahl der Arbeiter und Angestellten, die automatisch Mil - glieder der Arbeiterkammern sind, ist größer geworden. Deshalb, aber auch, weil die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prozesse komplizierter, für den Einzelnen immer weniger durchschaubar wurden, nimmt die Bedeutung der Arbeiterkammern zu. Aufgabe der Arbeiterkammern wäre es, die komplizierten wirtschaftlichen und gesellschaftli chen Prozesse zu analysieren und vom Klassenstandpunkt aus die erforderlichen Argumente und das Rüstzeug für die Auseinandersetzung m:t dem Kapital unter den veränderten Bedingungen zu liefern. Die Arbeiterkammern haben das Recht, Gesetzesvorlagen zu begutachten und selbst Gesetzesinitiativen zu ergr eifen. Sie wirken mit bei der Gesetzesvollziehung der Behörden, .1\mter und Gerichte. Sie sind in mehr als 400 Körperschaften vertreten. Möglichkeiten ungenützt Bestünde in den Arbeiterk ammern eine Fiih1·ung. d :e nur , ·on rlen Möglichkeiten, die das Gesetz biet<>t, Geh rn uch machen würde. thnn hätten die Arbeiter und Angestellten eine vorbildl iche Institution. Die derzeitige Führung macht von diesen Möglichkeiten wenig Gebrauch. Sie hat die Arbeiterkammern zu einer Institution gemacht, die über den Klassenfrieden wacht und die, seit die SPO regiert, die Regierungspolitik beschönigt und verteidigt, statt konsequent für die Interessen der Arbeiter und Angestellten zu wirken. In acht Bundes.Jändern haben die Sozialdemokraten die absolute Mehrheit in den Arbeiterkammern und bestimmen ihre Politik. Die SP-Spitzenfunktionäre in den Arbeiterkammern sind gleichzeitig auch Spitzenfunktionäre in den Gewerkschaften, sie gehören jener Führungsschicht an, die es sich im Kapitalismus gerichtet hat. Sie wollen den Kapitalismus, in dessen Schoß sie sich viele Privilegien als Politiker, Gewerkschafter, Arbeiterkammerfunktionäre, Aufsichtsräte usw. gesichert haben, nicht mehr bekämpfen und beseitigen. Sie sind als „Arbeitervertreter" nicht bereit. ihre Mehrfachbezüge, die oft Generaldirektorniveau haben, offenzulegen. Demokratie mangelhaft Im sogenannten „Aribeiterparlament" findeh in der Regel nur zwei KammervoJ.Iver,sammlun.gen im Jahr statt. Viele Arbeiterkammerräte der SPÖ, des ÖAAB und der FPO haben In der ganzen _ fünfjährigen Periode nic-ht ein einzigesmal das Wort ergriffen. Obwohl der GLB die kleinste Frakt ion ist, hat er zu allen wichtigen Fragen der Arbeiter, Angestellten und Verkehrsbediensteten konstruktive mündliche und schriftliche Vorschläge gemacht. Allerdings: Viele Entscheidungen werden in den Arbeiterkammern nicht im Plenum, sondern im kle:nsten Kreis be:;chlossen. OAAB- und FP-Spitrenfunktionäre geben sich oppositionell in den Arbeiterkammern. Aber in ihrer klassenmäßigen Einstellung bekennen sie sich nicht z,ur Arbeiterklasse, sondern z1.1m sogenannten ,,modernen" Unternehmel'tiurn. Waa taugen aber Arbeitervertreter, die sich zum Unternehmertum, ob „modern" oder „unmodern", bekennen? Jedesmal, wenn ÖAAB-Funktionäre es gewagt haben, Ar~ beiter- oder An,gestelltenforderun.gen zu erheben, ohne daß vorher die Bundeswirtschaftskammer grünes Licht gegeben hat, wurden sie von den wirklich Tonangebenden in der OVP als hemmungslose Lizitlerer und Radikalinskl hingestellt und eingeschüchtert, daß sie es für län,gere Zeit nicht mehr wagten, den Mund aufzumachen. Auf dem richtigen Standpunkt Der Gewerkschaftliche Linksblock (Kommunisten. Linke 8o3 listen und Parteilose) vertriU die Klasseninteressen der Arbell Angestellten und Verkehrsbediensteten In den Arbeiterkammern. Er Ist die einzige Fraktion, die die Politik der Sozialpartnerschar& ablehnt und sieb zu einer klaren Klassenposition bekennt, die fllr die Beeinflussung der gesellschaftlichen Entwicklung Vorausaetzun1 Ist. Der GLB ist die einzige Fraktion in den Arbeiterkammern, die sich zu den Zielen und Aufgaben bekennt, die sich die Arbeiterkammern bei ihrer Gründung gestellt haben. _ Noch immer gibt es in Österreich Kapitalisten. und Lohnabhängige. Noch immer ist es so, daß der Gegensatz zwischen Kapital und Lohnarbeit existiert. Vorwärtsdrängen mit Erfolg . Der GLB hat in der Vergangenheit als vorwärtsdrangende Kraft wesentlich dazu beigetragen. daß eine Re ihe von arbeitsrechtlichen und sozialpolitischen Reformen zugunsten der Lohn- und Gehaltsabhängigen durchgesetzt werden konnten. Trotzdem darf nicht übersehen werden, daß alle Verbessemngen in den letzten Jahren an der ungleichen Einkommensverteilun,g nichts verändert haben. Trotz allem Gerede von Mibbestimmung und Demokratisierung gibt es auf diesem Gebiet kaum Fot,tschritte. Die SP-Mehrheit in den Arbeiterkammern weigert sich, gemeinsam mit dem ÖAAB und der FPÖ die Vorschläge des GLB nach Erweiterung der Rechte des einzelnen A11beitnehmers und die Demokratisierun,g des Betrlebsratswahlrechts zu unterstützen . Wer für die SP stimmt, macht die Mächtigen noch micbtl Mehr Stimmen für die SP bedeutet weitere Unterordnung der beitcrkammern unter Regierung und Unternehmer. Wer den OAAB und die FP stärkt, schwächt die Arbeiter- und Angestelltenposition gegenüber Unternehmer und Reaktion. Durch eine Stärkung des GLB könnten die Anliegen der Lohnund Gehaltsempfänger wirkungsvoller vertreten werden. Schluß mit dem Benzinpreiswucher! Bei der letzten Vollversammlung der jetzigen Funktionsperiode der Arbeiterkammer stellte Arbeiterkammerrat Gustl Mascher (Gewerkschaftlicher Linksblock) den Antrag, daß die neuerliche drohende Benzinpreiserhöhung abgewehrt werden müsse. Der Antrag enthält auch die Forderung, daß die englisch-amerikm-.ische Rohölaufsuchungsgesellschaft (RAG) unter öffentliche Kontrolle gestellt und verstaatlicht werden soll und der Transfer der hohen Gewinne dieser Gesellschaft ins Ausland unterbunden werden muß. (Der Antrag wurde gegen die Stimmen der OAABFraktion dem Vorstand zur weiteren Behandlung zugewiesen.)

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