Vorwärts Nr. 4, 8. Jahrgang, Juni 1975

,,Der Klassenkampf ist eine Realität" Störkere fortschrittliche Profilierung der KAJ - ••Sozlalpartnerschaft" durchschaut Der dreiwöchige Fünfte Weltrat der Katholischen Arbeiterjugend in Linz, an dem 120 Delegierte aus aller Welt teilnahmen, 7.eigte in mancher Hinsicht eine stärkere fortschrittliche Ausrichtung der internationalen K.AJ. Dies zeigte sich bereits bei der Eröffnung des Weltrats im Brucknerhaus durch den Widerspruch in der Rede des Vertreters der österreichischen Bundesregierung, Staatssekretär Veselsky. Er beschwor die Sozialpartnerschaft und stellte die Behauptung auf, daß in den letzten Jahren sehr viel für die Arbeiterjugend geschehen se i. iDie österreichische KAJ-Delegierte Hildegard Mauerhofer hingegen scheute sich nicht, das österreichische Gesellschaftssystem als kapitalistisch zu bezeichnen und von der Ausbeutung der Ar-heiter und Angestellten zu sprechen. In einer ihrer Erk:Järungen stehlt die KAJ fest: .,Wir sehen die Arbeitnehmerjugend der Welt in einer Situation der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Sie ist kulturell und sozial benachteiligt, in manchen Fällen auch politisch unterdrückt. In vielen Ländern lebt sie in Angst um das tägliche Brot, in Angst um den Arbeitsplatz. Allen gemeinsam ist die Erfahrung, daß im Spannungsfeld von Produktion und Konsum das Ka,pital an erster Stelle steht und nicht der Mensch." Hier wird dokumentiert. daß die KAJ ci-gcn e Wege gehen will. und sich ni cht mehr in dem Maße an die Kirche gebunden fühlt, wie manche Kirchengewa lti i,te dies gerne haben möchten . Es geht nicht um Schlagworte „Ob wir den Klassenkampf wo ll en oder nicht - in der Welt. in ctcr wir stehen. erfahren wir ihn e inf~ ch. Er ist für uns k eine Ideolog ir . sonde rn eine tägliche Rea lität." M;l d :,,,c r Feststellung bekennt sich die KAJ zu einer Politik des Klassenkampfes als Notwendigkeit, Gleichzeitig bringt sie aber auch zum Ausdruck, daß es ihr nicht um die Formulierung „hoch&tehender", aber im Prinzip nichtssagender Schlagwörter geht, sondern um konkrete Aufgaben, die mit handfesten Fakten untermauert sind. Dies zeigte sich bei den während des Weltrates geführten Diskussionen und Gesprächen, die ihren Ausgangspunkt immer wieder bei der konkreten Beurteilung der Lage der Arbeiterjugend im Kapitalismus hatten. .Kaum kontrollierbar• Das Bekenntnis zum Klassenkampf als Realität bedeutet für die Katholische Arbeiterjugend in österreich auch eine Absage an die zur Zeit praktizierte Politik der „Sozialpartnerschaft". Ausgehend von einer Kritik der Vermögensverte ilung (68 Prozent der Arbeiter und Angestellten verdienen weniger als den Durchschnittsverdienst, auf die rund 2,6 Millionen Kraftfahrzeuge in Österreich lasten Kredite von rund vier Milliarden Schilling, die Löhne stiegen von 1969 bis 1973 um 47 Prozent, Profile dagegen um 107 Prozent) widerlegt die KAJ beispiels- ·weise in ihrer Zeitung „aktion" die Behauptung, die „Sozialpartnersrh ,1ft" habe für die österreichische Arbe :t.erklasse wesentliche Fort- ~c liri tte ge bracht. • Daß es dabei nicht bloß um ökonomisrhe Fakten geht, sondern in vielerlei Hinsicht auch um die polit ische Bedeutung, beweist die Erkl ärung: .,Eine Kontrolle (der Sozia lpartnerschaft, die Red.) durch die Öffentlichkeit ist fast ausgeschlos- ~en . Im Parlament werden zum Beis pi el häufig Debatten usw. durch die rl · Kreisky: ,,Aber ich bitte Sie, _ich sehe wirklich keine Kapitalisten .. ." Massenmedien verfolgt, diese Einrichtung gibt es bei der Sozialpartnerschaft nicht. Vorgänge, Entscheidungsfindungen sind daher von der Offenfüchkeit kaum kontrollierbar." e Somit wird die „Sozialpartnerschaft' ' als das entlarvt, was sie im System des staatsmonopolistischen Kapitalismus ist, nämlich ein Herrschaftsinstrument gegen die Interessen der Arbeiterklasse. Daraus ist das immer größer werdende Unbehagen der KAJ über dieses Instrument erklärbar. Positiva Entwicklung Die österreichische Kirchenhierarchie muß nach diesem 5. Weltrat einmal mehr zur Kenntnis nehmen, daß sich die KAJ nicht an die Kandare legen läßt, sondern eigene, im Interesse der Arbeiterjugend gelegene und fortschrittliche Wege zu gehen bereit ist. Diese durch die Ergebnisse des Weltrates zum Ausdruck gekommene Entwicklung der Katholischen Arbeiterjugend schafft auch mehr und bessere Möglichkeiten im Hinblick auf ein gemeinsames Vorgehen der Arbeiterjugend unterschiedlicher Weltanschauungen oder politischer Richtung, in den alle Jugendlichen gleichermaßen treffenden Fragen. Die österreichischen K.AJler können das Verdienst in Anspruch nehmen, wesentlich zu dieser Entwicklung der internatio-- nalen KAJ beigetragen zu haben, gegen den Willen mancher Bischöfe aber im Interesse der ·arbeitenden Jugend. · Aufgeblättert Wo bleibt die Gesundheltl Trotz SPÖ,Sozialminister mid SPÖ-Gesundhtitsministerin ist die ärztliche Betreuu.ng der Gewerbetreibenden im Ruhestand unter . aller Kritik. Jeder hat 'Angs_t, ernstlich krank zu werden. Eine kleine Grippe, das geht noch, denn die Kosten für deri, praktischen Arzt werden ersetzt. Wehe · aber dem Kaufmann A. D., der sich in die Behandlung eines Fachar ztes begeben muß. Dort heißt es: zahlen oder draußen bleiben. Rückerstattung gibt es keine. HerrC. B. aus Steyr mußte dringend einen Facharzt aufsuchen. Untersuchungen und Therapie dauerten drei Tage, für zehn Röntgenaufnahmen. und eine fnchä.rztliche Behandlung wurde dann eine Rechnung von 3315 Schilling präsentiert, : Finanzminister An. drosch schloß sich via Mehrwertsteuer dem Raubzug an, so daß der Gewerbetreibende in Pension für eine .dringend erforderliche, ärztliche Betreuung 3600 Schilling_ auf den Tisch legen mußte. Zur Illustration: seine monatli.che Pension beträgt genau 3200 SchHling! So geschehen 1975 im „Wohlfahrtsstaat" Österreich. unter ein.er SPÖ-Regierung.

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