Vorwärts Nr. 6, 7. Jahrgang, Dezember 1974

Karl Punzer - Weg eines Arbeiters Vor 30 Jahren wurde er hingerichtet Wir schreiben den 5. Dezember 1944; Damals, vor dreißig Jahren, waren di-e Ta:ge des .deutschen Faschismus bereits gezählt. Aber im Zuchthaus Sta<ilheim bei München herrscht „Hochbetrieb": Um 9Uhr vormittag betritt eine Rotte SSMänner den Gang, der zur Todeszelle führt. Schlüssel rasseln. Eine Zellentür öffnet sich. Die .Gefangenen starren die Häscher , an. Wem gilt der Besuch? · Der Wachkommandant deutet auf einen der Gefangenen. .,Karl Punzer, mitkommen . . ." Karl Punzer, ein 32jähriger Arbeiter aus Steyr, hat keine Wahl. Er muß mitkommen. Er weiß genau, das • ist sein vorletzter Gang. Tausende sind schon vor ihm gegangen. Es sind nur ein paar Schritte, von der Todeszelle in die -- Armensünderzelle. Von dort führt nur mehr ein Weg weiter, zu einem kleinen Hof. Dort steht ein Schafott. Dort ist Endstation für viele aufrechte Kämpfer. Im März 1938, als die faschistischen Truppen Österreich überfielen, gab die illegale Kommunistische Partei als einzige Partei die Parole · aus: Österreich wird wieder frei, Österreich ist ein selbständiger Staat, · alle Kräfte .müssen zum Kampf gegen ·Hitler, für ein freies demokratisches Osterreich mobilisiert werden: Wie tausende am:\ere Kommunisten und Antifaschisten, folgte auch Karl Punzer dem Aufruf der KPÖ. Der Weg eines Arbeiters Als Vorsitzender der illegalen Kommunistischen ·Partei in Steyr organisierte er die Widerstandsbewegung. Durch seine überzeugende Kraft, mit der er für den MarxismusLeninismus eintrat, mit der Begeisterungsfähigkeit der Jugend gewann er mutige und aufrechte Arbeiter und schulte sie zu standhaften Kämpfern gegen die faschistische Gewaltherrschaft. Schon als junger Arbeiter hat er die Errungenschaften des Ständestaats am eigenen Leib kennengelernt; Arbeitslosigkeit, Hunger un<l Not, das war das Los des jungen Österreichers der dreißiger Jahre. Seit seinem 14. Lebensjahr stand Karl Punzer in der Sozialistischen Arbeiterjugend und trat im Jahre 1932 zur Kommunistischen .Jugen,d über. Das Jahr 1934, die Februarkämpfe, sahen ihn mit der Waffe in der Hand auf der Ennsleite. Aktiv kämpfte er gegen die Heimwehr, für die Republik. Karl Punzer erlebte den Zusammenbruch der Ersten Republik, · Verhaftung. Gefängnis, Entlassung urid ständig11 Bespitzelung. Im März 1938 ·kapitulierten jene, . die. bei der Unterdrückung des eigenen Volks so .,tapfer" gewesen waren. Das Zi_el schien in weiter F.erne Die · Gestapo . hielt schon ·in den ersten Taigen ei~e gräusige · Ernte. Alle bekannten Antifaschisten wurden eingekerkert. Aber langsam und vorerst noch zögernd "begann sich der Widerstand '·zu orgariis-ieren. .. Bescheiden waren die ·Anfänge ·des Freiheitskampfes. Mit Fahr.rädern machten die wenigen Aufrechten Austlüge, sie trafen. sich in. versteckten Almhütten . des Enns.: ·und des Steyrtales. Sie · tarnten sich: als Wasserspprtler, kletterten in · ihre Faltboote. In unzugänglichen Auen des Steyrflusses, an einsamen Stellen kamen sie ·zus.amnlen. Eine neue Organisation entstand. Das Ziel war klar:· ein neues, freies, wirklich demokratisches . Österreich zu schaffen. Zwischen <len österreichischen Antifaschisten und der Verwirklichung dieses Zieles aber stand eine ganze Welt. 1939 : Hitler überfiel Polen, es begann der zweite Weltkrieg. Hitler brauchte · jedoch nrcht nur Soldaten, er brauchte auch .Arbeiter in seiner Rüstungsindustrie. 1942 wurden sie verhaftet. Unter den zum RüstungSdienst Zurückigeschickten befand . sich <JUCh Karl · Punzer.. Nach wenigen Tagen hatte er wieder die Verbindung zu seinen Genossen .aufgenommen.: Eine neire Organisation entstand, stärker und schlagkräftiger -als vorher. Im Hochsommer 1942 ging eine Verhaftungswelle über ~ni Osterreich. Am 3. September . wurde .Karl Punzer verhaftet, wenige 'J:age ·später di'e Leute seiner -Gruppe. In Linz wurden Karl Punzer und seine Genossen .in der Langgasse in · ·der . · GestapoZentrale · vernommen. Unter „Vernehmung" verstand die Gestapo allerdings etwas anderes. Es . wurde wenig gefragt, dafür .viel geschlagen. Neumüller, der berüchtigte Gestapo-:Schläger, tobte seine Kräfte an den wehrlosen Gefang~nen aus. Aber trot'z Schlägen u~.·J't,~\ln-'- gen blieben die eingei«)rkerten · Genossen. . ungiebroehen._ . Karl Pwu:er un<l seine Gf11ppe waren·· eine ·E.ndstatiop. Die Wege, die vpn Steyr nac_h Amstetten und Wien führten, hat Hitlers Geheimpolizei in diesem Fall nicht erfahr~n. die_,,Steyrer-Gruppe" Punzer, .Dr.aber; Blöcjeret, · 'Schwatz und Genossen blieb hart. Aber die „Beweise" der Gestapo gingen ja nicht zu einem normalen Gericht. Sie gingen zu Hitlers .,Volksgericht". Das .Urteil stand s.chon vor der Urteilsverkündung fest. Karl Punzer; Franz ·Draber und Josef Bloderer wurden ·nach zweijähriger Untersuchungshaft am 23. Mai 1944 zum Tode verurteilt. Ihre schwersten Verbrechen: Sie hatten das ·Ziel , · ,,die Ostmark vom Reiche loszureißen" , wie es in der Anklageschrift geheißen hatte. In der Todeszelle des Stadlheimer Gefängnisses warteten die drei Steyrer auf die Hinrichtung. Die Gewalthaber ließen sich Zeit. Das Schafott hat.te ja damals Hochbetrieb. Hitlers Henker stellten täglich Rekorde auf. 32· Sekunden benötigte ein geübter SS-Mann für die Hinrichtung eines Freiheitskämpfers. Täglich hörten die drei · Todeskandidaten die Schritte der Leidensgenossen, die zum letzten Gang ihre Zellen verließen.. Sie hörten . <lie letzten Schreie der Opfer, Flüche gegen Hitler und .sein Reich, Hochrufe auf die· .unterdrückten Länder,. die Kommunistische Partei, die Rate ·Armee. . Ein kühner Ausbruch Karl Punzer, Franz Draber und Josef .Bloderer nützten die Zeit in der Todeszelle, so gut es ging. Sie wollten sicp nicht . willenlos abschlachten lassen, sie planten die Flucht. .Bei einem Luftangriff· wurde die :WassEiileittµrg des, Gefängnisse.s zerstört. Punzer, Draber und Blo<ierer wurden mit anderen Häftlingen zum, Wassertra-gen eingeteilt. Am 30. November mußte also das Letzte gEt'-Vilit .w~qen. . - 'Ptinzer, · tsraber und ·Bloderer verÜeß~rj -um 9.Uhr.die Zelle. S1;t~ be:- wacht -ging~n sie bis zum e~~n Tor. Plötzlich 'gab Punzer das .vereinbarte Zeichen. Alle ·drei lit!ßen die Wassereimer fallen und begannen zu laufen. Sirenengeh~.l.ll · er.tönte. Die drei Steyr.er KomJDunisten liefen um ihr Leben. Durch- den ersten Hof zur Mat1€r. l>ort .:...._ das · hatte · Punzer schon vor.her ausgekundschaftet - war eine kleine Tür~ Die war vormittags meist offen. Durch sie gingen die ·Frauen · ·der Wärter einkaufen. Dra:ber· erreichte als erster die kleine Tür. }l:in ·Druck, sie war offen und • damit der Weg in die Freiheit. Wie· vereinbart, liefen die· drei n.ach verschiedenen Richtungen davon. Zwei -kamen durch Pi.lrtzer, _ges~hwächt durch monatelange Folterung, durch die jahrelange .Haft unterernährt, konnte nicht lange durchhalten. · Den sthtitzenden Wald ·vor Augen, brach er auf einer Wiese zusammen. Et sa:h · noch, wie die Gertossen den Wal<i erreichten, dann holten ihn die Häscher ein. Brutal wurde er hochgerissen · und in die Zelle zurückgesc-hleppt. Auf langen gefährlichen Wegen erreichten Franz Draber und Sepp Bloderer die Freiheit. Sie konnten die Zerschlagung des Fa0 schiStnus erleben. · Karl Punzer aber, der Bezirksobmann der KPÖ-Steyr, wurde vor dreißig Jahren, am 5. Dezember 1944, um 17 Uhr enthaup_tet. Mit dem Hochruf auf seine unterdrückte Heimat Österreich starb er als 32jähriger für ,die Freiheit seines Volkes. J?ie Hauptstraße im Steyr.er Stadtteil Münichholz trägt seit 1945 zu seiner Ehrung und immerwährenden Erinnerung seinen Namen: Karl Punzer .

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