Vorwärts Nr. 1, 7. Jahrgang, Jänner 1974

Gemeinde bleibt der „schwarze Peter" Auch Steyr führte mit den Stimmen der SPÖ die bei'Ochtlgte .Biersteuer ein Vor der Frage, ob auch in Steyr die unsoziale, zehnprozentige Biersteuer eingeführt werden soll, stan1i in seiner letzten Sitzung der Gemeinderat der Stadt. Wie in anderen Gemeinden war auch hier die SPÖ für die neue Steuer. Gemeinderat Treml (KPÖ) sprach sich entschieden dagegen aus, daß das Volksgetränk Bier durch eine neuerliche Besteuerung noch teurer werden soll, als es an und für sich schon ist. Finanzminister Androsch macht es sich leicht: Er hat die berechtigten Forderungen der Gemeinden nach mehr Mitteln vom Bund zur iBewältigung der immer größer werdenden Gemeindeausgaben ignoriert. Nun spielt er ihnen den „schwarzen Peter" zu und ermächtigt sie, selbst neue, unsoziale Steuern ein.zuführen.. Das ist nicht nur eine „Vollmacht", das iSt auch eine solide Erpressung. Denn Gemeinden, die sich nicht ru unsozialen Zusatzsteuern entschließen, droht die Gefahr, ibei den Bedarfszuweisungen von seiten des Landes zweitrangig behandelt zu werden. Das Geld wäre vorhanden Steyr erwartet sich von der neuen Biersteuer , die in erster Linie Arbeiter, Angestellte und · Pensionisten trltft, eine Mehreinnahme von mindestens zwei bis drei Millionen Schilling pro Jahr. Dieser .. Verlockung scheint die SPÖ-Mehrheit nicht widerstehen zu können, angeblich desha1b, weil man dringend Geld bra ucht und nirgends welches aufzutreiben sei. · • KPÖ-Sprecher Treml aber zeigte ganz deutlich, wo Geld zu finden wäre: Der Finanzminister müßte sich nur entschließen, die Steuer.schulden der Besitzenden in der Höhe von ·rund 5,4 Milliarden Schilling einzutreiben,· denn hätte er Geld, um die Gemeinden von ihren schweren Sorgen zu · befrei-en. Aber die Geldsäcke wehren sich, und ,der „sozialistische" Finanzminister geht wieder einmal den Weg des geringsten Widerstandes. Er kassiert nicht die Milliarden, er holt sich die Schil.:. linge aus den Brieftaschen dss kleinen Mannes. Die ·haben keine Steuerberater, die kaufen ihr Bier, weil sie es so gewohnt sind, und aus ein paar Millionen Krüge! macht der Finanzminister Millionen Schilling. Die SPÖ-Rathausmehrheit fühllt sich bei der Beschlußfassung über di:e Bierpreiserhöhung sichtlich nicht wohl. Nur ein einziger SPö-Mandata,r er~riff In der Debatte das Wort Utl1d meint, Bier sei eigentlich Alkohol und somit „sehr schäclilch". Noch vor einem Jahr het er Bier ala .,Volksnahrungsmittel" bezeichnet. Ab~ trotz mancher Bauchschmerzen.: bei der .Abstimmung rissen sich die SPO-Gemeinderäte, darunter auch <ile Betriebsräte der SteyrWerke und ein Gastwirt, am Riemen und -hoben brav die Hand, um damit zu bestätigen, daß sie mit der unsozialen Biersteuer einverstQ.llden sind. AUe anderen Fraktonen stimmten dagegen. Am Rand bemerkt: Mit der Einführung der Biersteuer hat Österreich nun das mit Steuern am meisten belastete „Volksgetränk" Europas: In Italien ist Bier mit zwei, in der ·Schweiz mit sechs, In Westdeutschland mit 12 und in Österreich mit 46 Prozent Steuern belastet. Sind das die „Kinde·rfreunde"? Gegen die Stimmen der Kommunisten - und aller anderen kleineren Fraktionen - beschloß kürzlich die Steyrer SP-Mehrheit die Einführung der zehnprozentigen Biersteuer. Damit aber sind die Arbeiterfreunde im Rathaus noch nicht zufrieden·. Sie sind ja auch „Kinderfreunde" und haben sich in recht unlogischer Auslegung ihres Beinamens entschlossen, auch das Speiseeis mit 10 Prozent „Getränkesteuer" zu belegen. Wenn nun im kommenden Sommer die Buben und Mäderln bitten~ ,,Papa, Ich m6cht ein Eis", dann wird logischerweise der Papa nicht nein sagen, und im Rathaus wird man bei jeder Eistüte, an er ein Kind mit Genuß lutscht, mitlutschen, Kleine Betrlge - aber in der Summe machen sie schon allerhand aus. Woher die Schnapsidee - Speiseeis als „Getränk" zu bezeichnen - kommt, ist unklar. Vielleicht ist ein Neunmalgescheiter daraufgekommen, daß Els zum Großteil aus Wasser besteht. Wenn das so weitergeht, wird einmal Irgendein Steuereintreiber daraufkommen, daß Ja auch Gemiise und Obst, ja sogar Fleisch und schließlich auch der Mensch selbst - letzterer zu mehr als zwei Drittel - aus Wasser besteht. Dann kommt vielleicht auch für saftige Birnen, fiir Karfiol und Schweinefleisch eine „Getrinkesteuer". Wir wollen den Teufel nicht an die Wand malen, aber bei einem Finanzminister, der die Reichen immer reicher werden lißt und sich seine Milliarden von den kleinen Leuten holt, muß man auf alles gefaßt sein. Nicht nur ein Spaß Gemeinderat Erich , Sabllk (SPÖ), 'Krankenkassena·ngestellter, redete sich im Steyrer Gemeinderat heiser. Als einziger fand er freundliche Worte für die neue Biersteuer und bitterbÖSe Angrlf,fe gegen das IBier, /das ,er direkt als ein gefihrllches, .mit Alkohol übersättigtes Getrllnk .hinstellte. Beim anschließenden Essen Im ,Tabor-Restaurant bekam auch .Gemeinderat Sabllk sein Bi~ ser- ,viert. Aber ehe er noch genilßlicb ,nach seinem Krügel greifen .konnte, um seine strapazierte .Anti-·Bier-Kehle mit einem kilh- ,len Schluck zu erfrischen, halte .sein Fraktionskollege Hans . .Zöchling mit blitzschnellem Griff ,das „gefährliche Krügel" entfernt und durch eine Flasche Mineralwasser ersetzt. Darob (§Challendes Gelächter. Aber ist das wirklich alles nur Gaudi? Offenbar war es die unterbewußte lteakUon eines Arbeiterfunktlonäres, der sich ge- ,ärgert hat, daß eine unsoziale .Steuer mit Lobreden schmackhaft ,gemacht wurde. Der Beifall, den der Bler-Verwandler für seine Tat von der SPÖ-Fraktion erdlielt, ~eigt das große Unbehagen, ,das trotz fraktionsdisziplinärer Abstimmung unter den SPÖ-Gemeinderäten über die Biersteuer ,herrscht.· Sie wollten nicht ·recht - aber sie mußten. Weil die SPÖ-Regierung es verlangte. KPÖ-Sprecher Treml dürfte offen dagegen sprechen und auch stimmen, als echter Arbeitervertreter. Die an Krelskys Gängelband hängenden SPÖ-Gemeinde~ räte mußten ja sagen - und fühlen sich unbehaglich dabei. Aber davon haben die · Arbeiter nichts, sie milssen nun die unsoziale Blersteu.er zahlen. Krelsky als Bundeskanzler 1973 Nach einem Bericht der „AZ" vom 16. Oktober 1973 sagte Kreisky fn einer Versammlung im Bad-J:schler Kurhaus: ,,... wenn s ich jemand da herstellt und sagt, er kann Preissteigerungen verhindern, da sagt er entweder bewußt die Unwahrheit <>der er weiß es nicht besser. Aber dann -soll er .sich nicht da iher- ~tellen." Im Jahre 197.0 hat es die f>P besser gewußt. Jetzt, wo sie e.n der Macht ist, nimmt &ie es lleher aut sich, die Bevölkerung angelogen zu haben, statt ,gegen Öle Preistreiber einen ernsthaften Kampf zu führen.

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