Vorwärts Nr. 6, 7. Jahrgang, September 1973

Gemeinderäte zu Besuch in der Sowjetunion VON RUDOLF SLAVIK Vor kurzer Zeit hatte ein~ Gruppe österreichischer KPÖ-Gemeinderäte auf Einladung des Zentralkomitees der KPdSU die Gelegenheit, kommunale Einrichtungen in verschiedenen Städten der Sowjetunion zu studieren. Der Delegation gehörten die Gemeinderäte Alfred Czernoch (Purkersdorf), Luis Lew (Traisen), Peter Oberegger (Eisenerz), Bruno Pichler (Vordernberg), Rudolf Slavlk (Pottenstein), Otto Treml (Steyr) und Karl Zwitter (Radenthein) an. Die Delegation wollte nicht unbedingt nach Sohodino, aber eine Stadt dieser Größenordnung sollte es schon sein, um auch einmal die Gemeindeprobleme einer sowjetiischen Kleinstedt kennenzulernen. Allerd ings wird diese Stadt nicht mehr allzu lange unter den Kleinstädten rangieren. Laut Plan ist Schodino als Industrieschwerpunkt vorgesehen. Für 1980 sind schon 75.000 Einwohner und für das Jahr 2000 bereits 120.000 eingeplant. „Einwohnerexplosionen" sind für die Sowjetunion nichts Seltenes. Sie stehen. entweder im Zusammenhang mit, dem.J\bbau neu entdeckter Bodenschätze oder mit .der Entwicklung neuer Industriezentren, wie etwa qE:r Autostadt Togliatti an. der Wolga, wo d-ie euch bei uns bereits bekannten ·Lada-Personenatitos produziert werden, oder · Nabereschnje an der Kama, wo das größte sowjetische ·Lastkraftwagenwerk im ·Entstehen begriffen· ist. Das wirtschaftliche Rückg:r;-at von Schodino sind die Bjelas-Werke mi t 7000 Beschäft igten, in denen 40,- und -70-TonnenKipper hergestellt .werden, die auf keiner Großbeustelle in der Sowjetunion fehlen. 23 AUS DEN BJELAS-WERKEN Am 17. Juni dieses Jahres wurde der Stadtsowjet von Schodino neu gewählt, selbstverständlich, .daß die Belegschaft der Bjelas-Werke einen gebührenden Anteil an den Mitgliedern des Sowjets stellt. Von den .72 Mitgliedern - bei uns hat eine Stadt dieser Größenordnung n icht einmal ha1bsov.iel · Gemeitide'l. täte .;_. kommen allein 23 . aus · den 13jelas0:Werken. . Auch der ' Bürgermeister · · 'Waris Aiexandrowitsch Douri, genauer gesagt der Vorsitzende des Sowjets; Jahrge,ng 1934, wurde vom Betrieb als Kandidat aufgestellt. Die Frauen - für dle österreichischen Verhältnisse ein fast unvorstellbares Bild - stellen m it 38 Gemeinderäten die Mehrheit. Mehr als die Hälfte der Gemeinderäte sind unter vierzig Jahren. Die j unge Generation hat somit ein gewichtiges Wort in der Stadtverwaltung mitzureden. Das aktive, aber auch des passive Wahlrecht ist schon mit 18 Jahren festgesetzt. Drei Mitglieder des Exekutivkomitees, was unserem Stadtrat oder Stadtsenat entspricht, darunter der Bürgermeister, sind von ihrer beruflichen Pflicht während der AmtsPE,riode entbunden und für die Verwaltungsarbeit der Stadt freigestellt. Die Gemeinderäte bekommen keine Entschädigung, müssen aber von ihren Betrieben beziehungsweise Dienststellen ohne Beeinträchtigung ihres Verdienstes zur Ausübung ihres Mandats die notwencMge freie Zeit bekommen. Der Bürgermeister erhält e in Gehalt von 250 Rubel im Vergleich dazu verdient eine D;eherin ·bei Bjelas zirka 180 Rubel ein Schweißer 200 Rubel. ' GUTE GEMEINDERÄTE WERDEN WIEDERGEWÄHLT Der Gemeinderat wird nur auf zwei Jahre gewählt. Das hat die Frage aufgeworfen, ob .bei einer so kurzen Amtsperiode diE: Kontinuität und die Wirksamkeit der Gemeindeverwaltung genügend gesichert ist. Die Antwort des Bürgermeisters war sehr einfach: die guten Gemeinderäte werden sowieso wieder gewählt, und die anderen . . . Die Gemeinderäte sind verpflichtet, Kontakt zu den Wählern· in deil Wohngebieten und in ihren Betrieben zu halten. Jeder Gemeinderat ihält Sprechstunden eb. Bei schweren Vergehen kann ein Gemeinderat jederzeit durch eine außerordentliche Wählerversammlung vorzeitig von seiner Funktion abgewählt werden. . In der Sowjetunion sind die Gemeinden ein wichtiger wirts.chaftlicher Faktor. So gehören die· Be- ~riebe von nur fokaler Bedeutul)g m den Bereich der Gemeindeverwaltung. Die Gemeinden verfügen über Handelsorganjsa-tionen, · Großmärkte und Betriebsstätten. Vor allem die Dienstleistungsbetriebe, soweit sie nicht auf genossenschaftlicher Basis geführt . werden, sind kommunale Einrichtungen. Der lokale sowie der Nahpersonen- und Frachttransport wird größtenteils von den Gemeinden organisiert. Die wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinden bringt zusätzliche Einnahmen. Der größte Teil der Budgetmittel stammt allerdings aus staatlichen Zuweisungen. Durch das System der KPÖ Gemeinderäte 1m Planwirtschaft wissen die Gemeinden bereits im September, mit welchen finanziellen Mitteln sie im folgenden Jahr rechnen können. Das erleichtert die Planung der kommunalen Tätigkeit und den wirksamen Einsatz der Mittel. Insbesondere werden die Hauptinvestitionen aus zentralen Mitteln gedeckt. So werden für die Kanalisierung in Schodino, bei der schon die Erweiterung der Stadt berücksichtigt ist, vom Staat acht Millionen Rubel zur Verfügung gestellt. Auch die Betriebe . sind verpflichtet, für diesen Zw.eck Mittel bereitzusten'en. Die Eigenmittel des Stadtsowjets können daher in erster Linie für soziale, kulturelle und sportliche Einrichtungen eingesetzt werden. VIELFALT VON KOMMISSIONEN Typisch für den Verwaltungsstil der sowjetisclten Gemeinden ist die Vielfalt von Kommissionen. Es wird größter Wert darauf gelegt, möglichst viele Gemeindebewohner, ins-- besondere auch Fachleute, in den Kommissionen neben den Gemeinderäten an der .Verwaltung mitwirken zu lassen. Die Kommissionen haben nicht nur beratende Funktion. Ihnen werd,en auch vom Sowjet Arbeiten zur, Durchführung übertragen. , Das ~rstem,. erspart Gemefud~personaf und rliacht )die Cemeindeverwa:itungen gegen den Bürokratismus weni:. ger anfällig. In der bjelorussischen ·Kleinstadt Schodino sind es ein paar Dutzend Korrimisslonen, d-ie im Rahmen der Stadtverwe.ltung tätig sind. In der bjelorussischen Hauptstadt Minsk dagegen gibt es 180 Kommissionen, so daß mehrere tausend Minsker direkt an der Gemeindeverwaltung mitarbeiten. MINSK - EINE STADT IMGRtJNEN Minsk ist eine junge, sich stürmisch, entwickelnde Stadt. Auf eine Million Einwohner kommen 600.000 Arbeiter und Angestellte (in Wien vergleichsweise auf 1,6 Millionen Einwohner 757.000) . Die Ursache dafür liegt in derri hohen Blutzoll, den Bjelas-Au tow e rk

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2