Vorwärts Nr. 1, 7. Jahrgang, Jänner 1973

Steyr hat einen "Tarifpolster" Mehrwertsteuer belastet die Eisenstadt mit 6 Millionen Bei den Budgetverhandlungen im Steyr er Gemeinderat ging der Sprecher der KPÖ, Gemeinderat Otto Treml, auch auf das Versprechen der Stadt ein, im nächsten Jahr keine Tarif- und Gebührenerhöhungen durchzuführen. • Diese Großzügigkeit, so sagte Treml, wird verständlich, wenn man weiß, daß Steyr schon im heurigen Jahr die Bustarife, die Kursbeiträge der VHS, die Theaterpreise, die Müllabfuhrgebühr und die Kanalanschlußgebühren um 15 bis l0Q Prozent erhöht hat. Mit einem solchen Tarifpolster ist es leicht, ein paar Monate lang keine Forderungen zu stellen, zumal das nächste Jahr auch ein Wahljahr ist, in dem sich kräftige Erhöhungen nicht gut „ausnehmen". Die „Stabilisierungsmaßnahmen" der Regierung erstrecken sich nur auf fünf Monate und dann kommt wieder die amtlich genehmigte Preislawine „von oben" her. Da wird sich die Regierung nicht im mindestens um „Wahlrücksichten" kümmern. Die Mehrwertsteuer belastet das Steyrer Budget 1973 mit rund sechs Millionen Schilling. Hier . hat allerdings · die Stadt Möglichkeiten, die Lasten abzuwälzen. Kindergartentarife, der Wasserzins, Mieten und Bäder waren bisher umsatzsteuerfrei. Die Mehrwertsteuer nimmt sich jedoch auch dieser „vergessenen Kinder" liebevoll an. Die Mehrwertsteuer, so wird erklärt. sei notwendig, damit wir „europareif" werden. Aber nicht einmal .in Westdeutschland ist die Mehrwertsteuer für Mieten üblich. Österreich ist auf diesem Gebiet ein trauriger, kläglicher ,.Pionier". Vom sozialen Wohnbau keine Rede Immer weniger Wohnungen „Großzügig'.' ist Steyr bei der Wohnbauförderung. Hier stehen zehn Millionen im Budget. Aber nur auf dem Papier. Dieselben zehn Millionen stehen seit J ahren in jedem Budget, 1969 wurden davon 2,3 Millionen tatsächlich verb raucht, 1970 wa ren es nur mehr 1,5 Millionen, 1971 sogar nur 830.000 Schilling. Obwohl der Bürgermeister feierlich den Bau von mindestens 150 Wohnungen pro Jahr versprochen hat, wurden 1971 nur 128 Wohnungen übergeben, 1972 werden es nur 62 (!) sein. • Und das in einer Stadt, die 2000 Wohnungsuchende registriert hat. Dazu kommt noch, daß die Mieten der Neubauwohnungen zwischen 1600 und 2000 Schilling liegen. daß Baukosten zuschüsse in der Höhe von 30.000 bis 40.000 Schilling verlangt werden. Viele Wohnungsbewerber sind schon zurückgetreten , we il sie diese Beträge einfach nicht aufbringen können. • Nun soll auch noch - im Sinne der „Stabilis ierungsmaßnahmen" - die „Baubremse" angezogen werden. Die Kommunisten freilich meinen, daß eine „Profitbremse" auf dem Bausektor bedeutend wirksamer wäre. Schulwegsicherung „zu teuer"? • Wenig Geld hat die Stadt für die Sicherheit des Verkehrs über : Der .von der Bevölkerung verlangte Fuß. gängertunnel auf d em Tabor steht nicht im Budge t, weil er „zu teuer" ist. Die Schulwegsicherung am gefährlichen Annaberg wäre einfacher, sie kostet nur e in paar Tafeln, aber auch die sind „zu teuer". Wirklich teuer ist das Radargerät, das die Stadt kauft, es kostet rund 270 .000 Schilling. Aber es wird angeschafft, Armut ist nicht ausgestorben Erhöhung der Weihnachtsunterstützung verlangt Bei der Budgetdebatte im Steyrer Gemeinderat erinnerte Gemeinderat Otto Treml (KPÖ) daran, daß die Armut noch be ileibe nicht ausgestorben sei. In der Eisenstadt „leben" zweihundert Menschen von der öffentlichen Fürsorge, 1100 Personen erhalten die Ausgleichszulage. Rund 1300 Menschen bl eiben also in Steyr im Schatten der sogenannten .,Wohlstandsgesel lschaft". Die Kommunisten fordern, daß die Weihnachtsunterstützung für die Befür sorgten von 300 auf 500 Schilling, die de r Ausgleichszulagenbezieher von 151'.50 auf 350 Schilling erhöht werden. Es h andelt sich hier um alte kranke Personen, die weniger Geld bekommen, als ein Gemeinderat im Monat an „Funktionsentschädigung" erh ä lt. Die Worte des KPÖ-Sprechers blieben unwidersprochen. Allerdings konnte sich die Mehrheit auch nicht aufraffen, die vernünftigen Vorschläge zu unterstützen. Steyr ehrte zwei bekannte Arbeiterfunktionäre In seiner letzten Sitzung beschloß der Steyrer Gemeinderat einstimmig, zwei Straßen im Arbeiterviertel Ennsleiten neu zu benennen. Die erste Straße trägt den Namen Koloman Wallisch" und paßt damit" treffend zur Ennsleiten. War doch dieses Viertel im Jahre 1934 die letzte Bastion der Verteidiger der Demokratie in Steyr. Zur selben Stunde als die schlecht bewaffneten Schutzbündler auf der Ennslei t en die Waffen niederlegen mußten, wurde Koloman Wallisch von den Heimwehrfaschisten ermordet. Der schöne Promenadenweg entlang der Leiten trägt nun den Namen Hans-Radmoser-Weg" und erinnert ;n einen Mann. der sein Leben der Arbeiterschaft und der Betreuung der Arbeiterkinder gewidmet hat. Radmoser war einer der Männer, die das erste Kinderfreundeheim auf der Ennsleiten erbauten. Eingesperrt , gemaßregelt und verfolgt, hat Radmoser nie den Glauben an die Arbeiterbewegung und an Österreich verloren. 1945 stellte er sich als einer der ersten der Betreuung der Jugend zur Verfügung. In einem ehemaligen Arbeitsdienstlager in der Lausa schuf er das erste Jugendheim Oberösterreichs. Sein Traum, daß die Jugend in einer geschlossenen, überparteilichen Organisation vereint sein sollte, daß sie nie wieder die Fehler der Väter begehen möge, die gegeneinander standen erfüllte sich leider nicht. Engst!r~ige Politiker waren stärker als der kleine Arbeiterfunktionär. nicht der Sicherheit wegen, sondern weil es sich amor tisiert - durch Strafgelder. Teuer sind auch die 15 Schilder, die Steyr für den Sonderparkplatz eines ausländischen Großkaufhauses kaufte · sie amortisieren sich zwar nicht, ·aber im Zeichen der Sozialpartnerschaft darf auch eine von der SPÖ geführte Stadt einem a usländischen Kapitalisten ein kleines Geschenk machen. Wie sie auch gerne be:·ei t ist, den „Zivilschutzkamerad en" gefällig zu sein und um 1,5 Millionen Luftschutzkeller, die niemand ,vill und niemand braucht, in den Resthofgründen zu bauen. Ungefähr diesel be Summe würde die Fußgängerunterführung auf dem Tabor kosten . Die Lage zehn Monate vor d er nächsten Gemeinderatswahl ist also voller Probleme. Sie könnte sich im Oktober 1973 zugunsten der a rbeitenden Menschen ändern, nämlich dann, wenn die Kommunisten verstärkt in!'! Steyrer Stadtparlament einziehen. • Ein KPÖ-Mandatar hat mit Hilfe seines Kollektivs und der KPÖPresse erst vor wenigen Wochen die Steyrer GWG-Mie1-er vor einer beträchtlichen Erhöhung bewahrt. Me!-ir KPÖ-Vertreter im Steyrer Gemeinderat könnten noch mehr leisten . Da r an solien die Arbeiter und Angestellten von Steyr schon heute denken.

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