Vorwärts Nr. 7, 6. Jahrgang, Oktober 1972

Im Paradies der Zeltzigeuner ,.Na, ~otung,urJaub wt1'd dn3 keiflff!" meinte et11 wohlmr.i-r.endff Af'• bdtskoUeg~ zu meiMm U1"1.4.1t-,s• 1>utnffl. · Nicht weniger i.l.s -izoo r<:Hometc-r im Jtuto, daz-..i noch an Stelle 11on bequeme,i Hot~lnmmct'n ein klein.es Zweimannu:lt. .tl?s ich jed.(;ch nach -vier Wochen meine Arbeit -wtedff beQati'I\, bTaungebTannt ,und - ich aebe cs ehrtieh zu - um zwei Kilo :;cht»eTM', mußte '!'lein 8keptitcher · ArbeitskoUegi? srln UTteil ret,idieran. • Der Plan !ür diesen etwas \•er~ rltckten Urlaub Wilr bereits drei Jahre alt. Damals nämlich begann mein Vater von einer Autoreise h1 die UdSSR. zu !\."'<ien. b rütete über I.L11dkarten und suchte vP.r.-zwel!elt nach einem z<.veiten Verrückten, de,· mit ihm fahren wollte. '.O(;r.n eines war klar, leicht würde die Fahrt mit dem Auto nic.11t \\<erden und nicht ieder ist ein ~alter · Kampierer . So wurde d!e „grof.e Tcur'\ \\-., ~, mein Vater die R.-:!ise na1mfo, vor. tnero Sommer auf den n:r..deren ve!'3choben. einen Bei!a.hTür hatte er nC\ch immer nicht. Im Herbst vorigen .ranres nun fanc! mein Vater endlich den zweiten \"erIiickter.: seine eigene Tochter. Das hatte gleich zwei große Vorteile: erstens bin Ich :BesitU:ri.-i ein<!~ Führerscheines und zwelt.eni- bin !eh es seit zehn Jahren gewöhnt, d1m Urlaub mit der Familie lm Zelt zu verbringen. D;.mit hätte die ~ 5.,e also begin• nen kfümen, bei mt r jedenfalls; ic.i: ahnte :ia noch nicht. wievil!l Arbeit und Plar.ung !loch iu l;.ewältig~ war, bis es endlich so weit war. • 1; nsere Wohnung verwandelt.e s!ch sehr rasch in ei:1 Rei~ebüro. Landkerten ,,-urd1m ausgebrei t et, Prospekte und Touris t,entüh.-«!'r gesammelt, Russisch-Wörterbiich<:r lagen heri..:m. iinc! Abend für Abend safi mein. Vater C1ber einem Buch oder t.'lner K:ute unc!. ~titudicrte" . Die Re iseroute ·,11urde r-est~cleg ,. und Im Miin 1·ekhten wir um die Vl.sa ein. Dt:r Reisedienst der österreichisch~ Sow:)etlschen Gesellschaft sollte sir.11 ctam!t plagen, für uns CampinP,möglichkelten •incl ein Visum t'.ür die Sowjetunion zu ~argen. Knapp drei Woch"!n datitrte es, dann war der Papierkrieg erleölgt. D11s Durchreisevl3um für die CSSR und für Ungarn wolltEm wir uns an den Grenz.en besorgen. Wiede::- verwande:te aich u:ostre Woh:-i •.mg: Aus <:?iner.i Rcisebü, o ,._.,_trcl.r- kurz ,.!or dr1n Start ein Ge- ~chä:f.t !ür C:mr,.:-ing,•.tt!kel ·.1nd Zuoohör. Mit dem eigene11 k.i~t• ··,md mit Zelt, das war es, ·was m!!?in~n Vater \lnd micr.. an dies-er R,~i~.e :.() fockte. Im Hotel und itn Fh.igz:e\lg. so sagten wir uns. ka.r.n es ir. jedetroae!len. ~•01.u aber hatten ,;-,-i r ein9 Ca.1T!p in~1,,,1~rüst1;ng und xehzl:tt!hr!ge Erfähruni: au! Campingplätzen "0::1 Holl«:-,d bis lmm entl egensten Teil Jugoslawiens'.' !m J :üi war oei: .dann scwelt. Zwd Tage hmg arC";!Heten \lfi1.', ci!'- alle.-t in unserem Kleinwar,en, de-r bereits s<.'ine 40.000 Kiion-:.etcr ::uf dnm Buckel natie, ver ,;t,mt wa!·. Zelt, VorzP.lt, l{l}chcr, Kochkoffer, etwas .Reiseprcwif..nt, Wer!<:1.eug, Photoappa:-s ti::. t'iim.e, :i:,vei IGeidP.rkoffe::, Luftmatr2tz~n~ Schl-:lfsack und Der.kcn. Wh::hti1~ter. Ausrfü; tungsgegen:;tand nber •,var ;:,in kleiner sdnvaner Aktenkoffor: E:- ,:;mthielt alle Landk~rten und Rel..~führer, di~ '\rJ" auf unr-<.~re: R~ise b~nöHgt~n.. „lu\, Camping!" w-e.r der einzige Kommentar des Zöliner5 an de1· Grenze zur CSSR be~ .!3!';ifü;Javc>., als ,~r ln unseren Kofferraum f.chaute. Diesen A•.1,;ruf bei der 'Ko~trolle YJr.- seres Gepäcks sollten w!r noch ott zu hö,.;n bekommen. Obwohl wir :für ctie CSSF. nm cin. Dc.rchrclse- \,•is,.,un be:lötigt,:n, mußt3;:;n <tN!.r Z}lb!- reiche FormuJ;;re aui:füllen, Gc:,d cintR:1s,:he11 und eint':, ·.ve!":n r.'.uch se!'ir kurze Gepäcltkcntrolle über :.ms 'P.rg~hr:n 1:-ts..=;en. Die Z5J.lner ~hienen für frühe Toutioten - ,;;ir st~n ... dF.n bE·reiti; um 5 Uhr mm:genr: am Zol!;;chnmken •-· nfr:ht 7iel übrig :v.:; l'labt>n, und. !icJ~en uns rasch pasi;ieren, Anders war da -~~hon de?' 'E~pfang an cter Gren1.Btafün, in der UdSSR. v,·ir kamen d !:-e~t o.u~ Wi~ll am 1;p1it.!n Nachmitt ag dort an, :!Jemlich ers-chöptt \'0:1 der 6GO Ki lometer langen Fahrt \!!ld der Hitze. Als der 5owjefü,che Zfüiner i:;1!1, daß ·wir am: Ö:;terreich kamen , h0lte er sofor~ ninE".n ,,..'Empfang::;chei•' <les lntouristbüros herbei, dr.-:- '..!!".S mit 3':!lnen profunden De\!ischkenntnlsse~ bel der Erledi iung der Formalitäten helfen sollte. D,,r net.~e Jung,, Marm führte u:1s in tlle !:falle der '13ren·,:- i;taiion, und wir !i~l•m :,:::,fo1t. ir, d ie ü~?rdhnenslQrH, l~n Lederfaut.e1.üiie.s.. \;'ährend \v'j t"' un~er•e t!:·sten so~:j eHs--:hen Zigr~rett.en r21.~thten~ ~ber d ieses und jenes tratschti::-n , servt~rt i:"? man ,ms so „gar:.:,: n,~h€:,tei" eine:1 Zette! nach dem and~rt) ~~ de~. ....,. .:r n1it Hilfe fl,:-s In•~t:.rist -1\'!an nes ausJudith Gruber ber.ichtet über ihre Campingtour in der Sowietunion füllten. Zollerklärung, Autoeinfuhr. Autove r~khcrung, Campingbons, Geldwechsel, alles wurde ra?<,:h erlecUgt. Als wir jede-eh erklfrtE,n, daß wir an die!lem Aber\d nüch bis Lwow t<1hren wollten -:- nich t weniger als 300 Ki1cme ter -. :zetgt.e unser netter Doimetscher nu r fächelnd auf die Uhr: es •;,ar bercit s 9 Uhr nbends, obwcbl unser.- .,österreichischen" Uhrim eri;t 7 Uhr anzeigten. Wir h;,,.tt..'"!l vergesse:,, a:.i! Moskauer Zeit UI!lr...:stell:m, c.ie unserer ja um 7.wei Stund~n •;oram: ist. Nun, :,uch dns war il:ein Problem, Man :re!!ervierte un:, nod, von der Grenze aus ein Hctel~immer i:-1 Ushgorod, und :0:c schliefen wir das er.ste und letzte Mai au! unserer :Fahrt - in einem :ieht!gen Bett in e!nem ele~anten Hot el. • 1\-fü unserer Einreise in di~ UdSSR l;,egan!11::r. nicht nur die Sprachschwie ri;i:keiten, die sich balci als i~berwindbar .en-.·lesen, sondern das große Abenteuer mit den Campingplätzen u.."'!d d.em Leben ah modern~ Zig~uner . Der Cimph,gplatz in Lwow sollte un., äie ersten Ein<lri:.cke \•ermitteln, wenl'!. wir dort ,mch ::u:.:- eine Nacht bliehen. Wir hatten an unserem ,:weiten Reisetag elne herrliche Fahrt durch die Karpaten hinter uns, u r.d, \\'le :;ollte es auch anders z:eia, eine unfreiwiHige Sta<itrond~ fahrt in Lwow. Besorgt blickten wir a-u! di. .:? Regenwolken und beeilten uns, zum Campingplatz zu kornmen. Nach den auf jedem Campingplatz Europas normalen :FonnalUäten suchten \·,•lr mu einen romaatischen V•inkel :für tmtt~r klei.nes Zwetmiumze:lL Auf ei:1em h!?!rrlichen PI.atz mitten im W,tl d .i;telite:; wir au!. 'Um• geben vc,n einem Komförl, von <lern man llt.:f an<le.ren Zeltplätzen nur träumen kann: Restaurant, Autowa;;chanlage, Duschräume mit heißem Wasi;er. Mit Schaudern dachten wir hier an den schmutzigen, sti.r.:Cenden und überfüllt.-n Platz zurilck, 2.uf ciem wir vor wenigen Jahren in Westdeutschland am Rhein k!!mpiert hatten. · Auf unserem abendlichen Spazier~ g:mg über d(.'n Zeltplatz entdeckten wir d2.:i:a noch mehr: Kleine: · H(IJz~ bungalows für Campr.r ohne Zelt, ein P ,:-,stnmt, einen Andenkenladen und cfazwischen Menschen al,tS oller Wel.t. Uätte es nlcht ;;nge!angen zu regnen, wir hätten uns wirklich wie im Traumlan1 aller Zeltlcr gefühlt.

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