Vorwärts Nr. 6, 6. Jahrgang, Juli 1972

Beim Politiker ist von „ Verantwortung" die Rede, beim Arbeiter jedoch nicht .,Polilikerbesteuerung' ' war das Thema der le1.zten NätJon.ilratssitzung und das Problem wird in den Steyr-Wer),en lebhaft disku- . tiert. Das Ergebnis· dieser ,,Besteuerung" war eine saftige Gehait serhöhung für die lVIänner nnd Fi-aucn im Hohen Haus, für den Bundeskant.ler und seine Minister. Nachdem auch die Landeshauptleute, die Bürgermeister der St,,tutal'städte 11nd ihre . untergeordneten Funktloniire prozentual nach dem Ministergehalt entlohnt werden . · kamen diesmal viele zur Kasse und gehen mit vol- _len Händen weg. Dr. Kreisky begründete diese Gehaltserhöhung der Politiker ungefähr so: Ein Politiker habe eine große Verantwortung, er stehe Tag und Nacht im Dienst, das schädige seine Ge - wndheit und dies müsse daher entsprechend abgegolten werden. In cier Praxis freilich :=;itzt der Abgeordnete im Plenum des Nationairates, spricht oft monatelang nicht, liest Zeitungen, wenn er nicht gerade am Büfott. seinen Mokka schlürft.. Es kann auch Alkohol sein, wie erst kürzlich anti- ~emitische Zwischenrute ai1s di:n.1 Lager der ÖVP bewi(,sen . Was die Nachtarbeit betrifft, ,so hat erst -vor wenigen Wochen ein FP-Mandatar aus dem Ländle in einem Wiener Nachtlokal diese recht handgreiflich bewiesen. • Ein Politiker muß nach Doktor Krei sky auch viel Fachwissen haben. Aber aus dem Landwirtschaftsminister Dr. Schleim:er wurde seinerzeit über Nacht eln Vr.rteidigungsminister. Jn Westdeutschland hat ein Verteidigungsminister über Nacht das Finanz- und Handelsministerium übernommen. Die Politiker. so meint Kreisky schlteßltch, seie11 oft tagelang von ihren Familien getrennt . ·vlenzl nix wissen Tm JahTe 1970 wuTden fn. Obtt• österreich 3239 Wohn.häuser ft:r• tiggeJ.tellt. d.nvon 90 Prozen.t Eigenheime mit ü1,,gesam.t 3974 Wohnungen. Da.,; erklärte Landeshn11ptma.,ir,. Dr. We1ul at ;' reiner let.;;ten Pres:sekonferen::·, 1cobei er beto1.te, daJJ die Znhlen fiir daJ Jahr 19i1 noch nicht 1iorliegen.• ,_.Es ist aber anzunehmen. daß es iilmtich. ~ein. 1cird wie 1970", sagte der La.11-deshauptmo.,m. Auf dil!' J<'rar,c elt1-1?i Journalisten, ob tm Jahre 1971 mehr oder weniger Wohnun(len geba.ut mu.rden als 1970, zuckte dtt Landeshauptma.nn. clie Sclwltern.• Er misse er 11icht., meinte er. Da o.mtilch festttP.ht, d"JJ seit dem Jnllre 1967 In Obcröstcrreiclt immer -weniger Wolmu11.gen gebaut werden, i~! die Antwo„t des Landesha11ptman11-es, der zuglei-ch Baurefcre1ii- des. Land.es Oberösterrc!i.ch ist, meh.r al.! seltsam. Ein Landesvater, der nicht wei.ß. was in. 11eincm L<:tnde vor• geh.t, ist ein höchst merkwürdiger La,idesvater. Eine ähnliche An.,.. -wort hättP. 11ian auch tion. einem ausländischen Gastarbeiter awarte11 können. Vei:ant,Yortung höch~t:l'n Grades tragim Lokoniot:ivführer, Autobuslenker und Fernla,tfahrer. Männer an.. cien Hochöfen. Tet:hniker. Konstrukteure, Kranken~chwe~tern und Kranfahrer. Gesundheitsschädlich ist jede St:hicht.arhcit, , ·on der Arb~it In Git•ße rei en , Hiine reiv.n, bei der Galvnnik und d~r Lackierung gan1. zu schweigen . Von ihrc1~ Familien wochenlang getrennt s.;nd nicht nur die etwas iie~ser bez;;hiten Monteure. sondern uuch zehntau~endc Pc~ndkr, die nur jede Woche f:'inmn l ihre Familien · sehen. Sie hekummen zusätzlich nur ein pal\r Schilling als Abgeltung. Keiner von ihnen izann darauf hoffen, daß man ihm auf Grund seinei· verantwor: ungsvollen. gefährlichen. und familien:;c hi\digenden Tä tigkeit ( i 1 i l 1 1 1 20. Tau~ender im ·Monat gibt, denn er ist eben kein Polltiker, :,,ondem n u r ein Arbeiter. Die SPO wäre dem Stamm , ?ach eine Arbeit.er~ partei. Dr. Kr~isky hat aus Sozialisten Sozialdemokraten gemacht und geht in Richtung liberale Partei. Er kennt die Arbeiter in den BetT-ieben ni.cht mehr. Auf der Jagd nach bürgerlichen Stimmen h!lt er beantragt, daß Politiker das Vierb is Fünffache dessen bekommen, was eiri Spitzenfacharbeiter Im Monat verdienen kann. Und das alles, obwohl Dr. Kreisky genau weiß, daß diese Politlkergehälter meist nur Nebeneinkommen sind. • Es ist daher ein starkes Stilck, von „Politikerbesteuerung" zu reden, wenn es in Wirklichkeit um saftige Einkommenserhöhungen geht. SüHl'r Supt'.rµrofit - untt'r As!-istenz dl'r 8P-R.e.l(i~ruuir.

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