Vorwärts Nr. 6, 6. Jahrgang, Juli 1972

,,Sicherheit" durch Blechschilder? Zivllschutz:-.Maßnahmen• tuhrten in der Eisenstadt zu lebhaften Diskussionen Blaue Schilder zieren seit ein paar Wochen die Bauten in der Altstadt. Ein paar Leute vom Zivilscbutzverband glauben, daß diese Blechschilder 1m Falle eines Krieges die denkmalgeschützten Bauten vor der Ze1'lltörung retten könnten. Die Steyrer halten . freilich recht wenig von diesem Heilmittel, obwohl sie die Kosten dafür zahlen müssen. Also beschloß der Zivilschutzverband, dre Steyrer Gemeinderäte zu ,·ergattern und „iläubig" im Sinne der Zivilschützer zu machen. Als Redner hatte man sich keinen Gerin- ,zeren als den Kommandanten der Truppenluftschutzsehule des Bundesheeres, Oberst Schlauß geholt. Theorie 1.;.nd Praxis Oberst Schlauß zeigte sich als ein i-cchl wendiger Refet·ent. Ob er alierdings wirklich glaubt. was er sagt, bleibe dahingestellt. Der Herr Oberst glaubt zum Beispiel, daß sich im Falle eines Krieges die Kampftruppen wirklich um die Blechschilder kümmern. Er meint, daß völkerrechtliche Verträge ernst genommen werden. Er sieht ein, daß man zum Beispiel die Altstadt von Salzburg nicht richtig schützen kann, weil dort ein strategisch wichtiger Bahnhof steht. Aber de1· Herr Obfü·st w e iß Rat. Selbstverstiindlich muß man dann die Bahnirasse verlegen und rund um die Altstadt füh:·en. Wer die immensen Kosten dafür aufbringen soll, davmi hat der Herr Oberst selbstverständlich nicht gesprochen. Direkt neben - dem Schnallentor, einem der interessantesten Stadttore von Steyr, steht die Bundesherrkaseme. Dai,; findet der . Herr Oberst auch nicht „klug" und er schlägt prompt vor, die Kasernengebäude einem anderen Zweck ·zuzuführen und irgendwo außerhalb des \Veichbildes der Stadt eine neue Kaserne zu bauen. Anne Steuerzahler! · In arger Verlegenheit Zum Unglück des hohen Stabsoflizieres befanden sicn· unter den Versammellen auch zwei Kommurii- :;ten. Während die übrigen Stadtund Gemeinderäte die LuftschutzPropagundarede stillschweigend über sich ergehen ließen, heizten die bcidea KP-:runktionärc dem Herrn Oberst ordentlich ein: Gemeinderat Otto Treml konnte in wenigen Minuten die The~e. .die Kriegführenden hätten Angst vor der öUentlichen Meinung und hielten die völkerrechtlichen Verträge ·eln, zerpflücken. • Die Amerikaner morden in Vietnatn gegen alles Völkerrecht die Zivilbevölkerung, sie pfeifen auf internationale Verträge und setzen chemische Vernichtungsmit.tel. ein, ~ie 1.erstören dh? Vegetation, sie kümmern sich nicht um das Seerecht und verminen die Häfen. Die Weltöffentlichkeit ist empört. aber das Interessiert die Generäle im Pen - tagon nicht. Aul diese Ausführungen von GR Treml hatte der Herr Oberst nur die kleinlaute Erwiderung, es sei wirklich bedauerlich, daß in Vietnam :;olche Zustände herrschen, aber im Nahen Osten seien Kulturgüter gerettet worden. Zivilschutz-Weichen sind falsch gestellt Das Grnndproblem der ganzen Zivilschutzsache ist die These, daß Kriege eben unvermeidlich seien. Und daß man daher wenigstens die Kulturgüter schütze1, müsse. Das i:-.t eine barbarische Moral: Alte Häuser schützen und im gleichen Zeitpunkt Arbeitersiedlungen mit Frauen. Kindern und Greisen zum ,.Abschuß" freigeben. Diese Ansicht vt>rtrat der Vertreter der KPÖPresse und fand mit seinen Ausführungen lebhafte Zustimmung: Die blauen Schilder versuchen vergebens, den Krieg 1.u vermenschlichen. Man geht von der „Theorie" aus, daß iro Krieg 1\'Ienschen sterben müssen, daß aber doch die Möglichkeit besteht, unersetzliche Kulturgüter der (atomverseuchten) Nachwelt 1.u erhalten. · • Auf Steyrer Verhältnisse umgesetzt, heißt das: Ei- ist bedauerlich, daß die Resthofsiedlung, in der !ast zweitausend Steyrer ihre Ersparnisse ln modernen \Vohnungen investiert haben, zerstört wird. aber das Schnallenhaus und das Bummerlhaus, das Rathaus und die Dominikanerkirche werden unangetastet bleiben, es ist tragisch, daß Steyrer Frauen und Kinder sterben müssen, aber die überlebenden können dann in der unversehrten Altstadt spazierengehen! Der Krieg ist brutal, unmenschlich! Ihn mit Hilfe von Belchtafeln. die alte Häuser ~chützen sollen, verme11schlichen zu wollen, ist absurd. Schwache Mandatare - tapfere Mädchen .Tose! Fellinger, Bürgermeister von Steyr, spricht bei jedem Jungbürgeremp!ang davon, daß seine Generation versagt habe, daß l'ie nicht. im4 stande war, dea zweiten Weltkrieg zu verhindern. Und er sagt den jungen Manschen Immer wieder. daß Kriege nichts mit ,.Schicksal·; zu tun haben. Aber dann bleibt cier Bürgt!rmeister - und die Gemeinderäte - aut halbem \\"eg 1;tehen und meint in der In!ormationssitzumz. leider könne man auch heute K1iege nlcht verhindern. Di~se Ansicht ist nicht nur falsch, sie ist auch gefährlich. Resignat.ion dem Krieg gegenüber ist Schützenhilfe für di.e Kriegstreiuer. Wie tapfer nimmt i;i(·h im Vergleich mit cler lendenlalimcn Haltung der Steyret· ,,Gemeindeväter" da ein Aufsat1. aus der ;\faturazeitung einer Steyrer l\1ic\dchenklasse aus, in dem es unter nncterein heißt: ,.Wohin Du blickst, i~t Krieg ;:iut Erden, wohin Du blid,iit, !<ann Friede werden. Es wiire Pfö<;ht jedes einzelnen, rur di•~ Aufrechterhaltung de:- Friedens zu ~o:·gen, Ihr Mütter k,,uft darum den ·Kindern kein Kriegsspielzeug. sagt eurem Sohn nicht, daß der Hen· Karl ein Held war. weil er auf dem .Schlachtfeld starb. . lhi- Väter rühmt euch nicht eurer Kriegstaten. Wil: wollen nicht lernen. auf andere Menschen zu schießen : · Vor einem halben Jahr wurden im Bw·genland die ersll·n blaue11 Tafeln an den Häu~ern angebracht, diesmal ist Steyr dnm. Alle Städte und Orte in ganz Österreich sollen von der Aktion erfaßt werden. Sicher \Verden mit der Aktion der Beschilderung · auch in allen anderen Städten die Propagaru:laredr.cr des Zivilschutzes auftreten: Ihnen muß unmißver„ ständlich gesagt werden, daß man mit Blechtafeln · den Krieg nicht ..vermenschlichen" kann, daß ·den wahren Schutz allein der Friede ga„ rantieren ·kann. Franz B a. u m a n n USA · Imperialismus ~ A....__ ~ ~ v ' ~, r ,, . · " , / / / .., . . ·. , . . . . f~•~ ,· .

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