Vorwärts Nr. 3, 6. Jahrgang, April 1972

Große Leistungen nicht vergessen Das Steyrer Kugellagerwerk geht wichtigem Jubiläum entgegen Vor 50 Jahren verließ das erste Kugellager .,made in Austria" das Werk Steyr. Die Halle. in der es entstand, steht heute schon lange nicht mehr. Seither haben viele MilHonen Kugellager das Werk verlassen und Steyr hat als Kugellagerprodu7.ent Weltruf. . Man erinnert sich an die schweren Zeiten der dreißiger Jahre, au die Maschfnen st!llstanden und · die fleiß.igen Arbeiter stempeln gehen mußten. Mnn . denkt zurück an den barbariscben Krieg, als die Arbeiter in die Uniform gezwängt wurden und an den Maschinen verschleppte Sklaven aus allen Teilen ·· Europas standen. Man denkt zurück an die Luftangriffe, an das zerstörte Werk, an die Arbeiter, die noch Im .Jahre 1945 die Produktion aufnahmen. Da schneite es bei den zerfetzten Fenstern uncl Dächern herein, die Arbeiter räumten Schnee und Schutt beiseite und arbeiteten weiter. Rationeller und intensiver als je zuvor. Nur ein ·paar Zahlen: 1940 oroduzlerten 6000 Arbeiier 12 Miliionen Kugellager von· 250 verschiedenen Typen. 1970 waren 2000 Arbeiter beschäftigt. Sie produzierten in 2500 (!) Typen 16,5 Millionen I..ager. Wie man hört, will das Werk das ,Jubiläum mit entsprechenden Feierlichkeiten begehen. Es wird markige Reden und sogar Orden geben. • Als Steyr-Daimler-Puch AG vor ein paar Jahren den „Hunderter·• feierte, gab es auch .für die Arbeiter Jubiläumsgeschenke. Die dürften natürlich auch beim 50jährigen Kugellagerjubiläum nicht 'fehlen. Bisher allerdings hat man von seiten der Werkdirektion noch nichts da- \'On ·verlauten -lassen. Will etwa die Direktion den Arbeitern eine er- !reuliche Überraschung bringen? . Es könnte allerdings auch sein, daß man im Festestrubel die Arbeiter vergessen hat. Dann sollen diese Zeilen die Werkleitung daran erinnern. Eigentlich müßten sich auch die Betriebsräte einmal intensiv ·mit der Sache beschäftigen. Das HFunktlonensammeln" macht sich recht gut bezahlt - Aus „Grundsätzen" aufgelesen „Ein Krankenschein ist ein Wertpapier - gebt ihn nicht leichtsinnig aus der Hand. Medikamente sind teuer - seid sparsam damit!" Wer kennt nicht die Schlagworte der Krankenkassen? Ja, Sparsamkeit wird bei der Sozialversicherung ganz groß geschrieben - leider nur dann, wenn es sich um die Versicherten handelt. Aber die Kranken- . kassen bestehen ja nicht nur aus Versicherten, sie haben auch Obmänner, Vorsitzende und andere Funktionäre. Sind die, wenn es um ihre Bezüge geht, auch so sparsam? Zum Beispiel ist Abgeordneter Sekanina nicht nur geschäftsführender Obmann der Metall- und Bergarbeitergewerkschaft, er ist auch oberster Chef der Wiener Gebietskrankenkasse. Und als solchem, mit einer Mitgliederzahl von mehr als 400.000 Mitgliedern, steht ihm ganz nebenbei eine Aufwandent:-chädigung von 10.030 Schilling 1.u. Er hat ie>denfalls sein Schäfchen im trockenen: als Gewerkschaftsfunktionär, als Nationalrat und als Krankenkassenchef. Und e:· ist einer von denen, die immer bei jeder Gelegenheit mahnen, die Krankenkassenmitglieder sollen ihre Kasse doch nicht so ungebührlich ausnützen. S01.ialversicherung, das is t. nicht nur Krankenkasse. da gehört die Pensionsversicherung mich da;,;u. l'nd es gibt genug Funktion1ire, die bei beiden „zur Kasse" gehen. Nun hat die neue Grundsatzerklärung der Pensionsversicherungsanstalt einen Gibt es Werks-Geheimpolizei? Ungute Nachrichten aus den Steyr-Werken Gerüchte kursieren in .Redaktionen und in Steyr: Geheime Werkpolizei, ausgeklügeltes Spitzelsystem in den Steyr-Werken, nächtliche Streifzüge des Personalchefs mit illegalen Hausdurchsuchungen. Deshalb fragte die Redaktion Arbeiterkammer- und Betriebsrat Gustl Mascher: Gibt es im Werk eine private Geheimpolizei? Mascber: Auch Ich als einer der dlenstältesten Betriebsräte wnr überrascht, zu hören, daß ohne Wigsen der Betriebsräte ein pensioniert~r Kriminalbeamter als Werkdetektiv angestellt wuroe. Frage: Kam es wirklich zu Obergriffen? Maacher: Nach Berichten des Betriebsratsobmannes hat der Leiter der Personalabteilung, Dipl.-Ing. Dr. Kitzler, in Begleitung des „Werkkiberers" in der Nacht eine Familie aufgesucht und in der Wohnung herumgestöbert. Die Aktion war zweifellos illegal, ohne Auftrag der Werkleitung, und sie brachte auch keine Ergebnisse. Frage: Was sagt die Werkleitung dazu? · · · · · ·· worden zu sein. Generaldirektor Rabus hat sofort, nachdem er davon erfahren hat, die nötigen Schritte unternommen, damit so etwas in Zukunft nicht mehr passieren kann. Fra,e: Wie ist die Stellungnahme der Fraktion der Gewerkschaftlichen Einheit zu dem aufgeworfenen Problemen? l\'lascher: In einem Betrieb mit mehr als tausend Beschäftigten kommt sicher manches vor. Die Feuerwehr, ihre Kontrollgänge, . die fallweisen Taschenkontrollen an den Toren sind geeignete Mittel, um gegen Werkdiebstähle vorzugehen. In schweren Fällen kann schließlich auch noch die Kriminalpolizei herangezogen werden. Wo aber kommen wir hin, wenn sich jeder, der gi:nug Geld hat, eine Privatpolizei leistet? Alle Kollegen ab:!r warne ich eindringlich: Hände weg von Werkeigentum! Es lohnt sich nicht. Arbeitsplatz, Ansehen. Freiheit und Wohnung, oft die Existenz einer ganzen Familie stehen auf dem Spiel. ,.harten" Riegel vorgeschoben: Wenn so ein vielbeschäftigter Funktionssammler bei der Sozialversicherung gleich zweimal kassieren will, bekommt er die höchstbezahlte Funktion ganz. die zweite aber .,nur" zur Hälfte bezahlt. Ein armer Mann. Statt 20.000 Schilling arbeitsfreiem Nebenverdienst bekommt er „nur" 15.000. Und wenn der bedauernswerte Mann nicht nur zwei. sondern mehrere Funktionen innehat. bekommt. er die höchste voll und ganz, die übrigen auch zur Hälfte. Wie viele Funktionen ein einziger Mann haben kann , und auch oft hat. verschweigt die Grundsatzerklärung diskret. Zweierlei Mol} ",:\-'enn ein Arbeiter oder Angestellt er ein 1\fodikament braucht , das nach Meinung der Krankenkasse zu teuer ist, muß er es vom Chefarzt bestätigen las'sen, ot't muß es erst zur Landeszentrale ein~eschickt werden, denn die Krankenl(asse ist sparsam. Wenn ein Arbeit er krank wird, kann er gar nicht so schnell schauen, ulit1.schnell reagiert die Kasse und schickt ihm eine Vorladung zum Chefarzt. Der Mann soll keinen Tag zuviel im Krankenstand i-ein, denn ctie Krankenkasse ist sparsam. Aber die Spitzenfunktionäre de r Sozialversicherung genehmigen sich - nebenbei, nur als Funktionsgebühren - das Doppelte. Drei- und Vierfache, das ein fleißiger Akkordarbeiter im Monat verdient. • Wir haben uns das alles nicht aus den Fingern gesogen, wir haben es Schwarz auf Weiß in den jüngst herausgegebenen „Grundsätzen über die Entschädigung der Versicherungsvertreter nach dem Stand vom 1. Mai 1971" nachgeschlagen. Sekan ina und die übrigen Sozialversichenmgsbo~se haben dieselben Schrift - stücke in ihren Schreibtlschladr n. Aber siP. gehen <l amit natürlich nicht a n clic Öffentlichkeit. Was wir durcham; begreiflich finden. Maacber: Nach Mitteilung von Betriebsratsobmann Heigl hat Generaldfrektor Rabus beteuert, weder von. der Einstellung eines Werkdetektivs noch von den Übergri!fen informiert SPÖ REGIERT KAPITAL DIKTIERT

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