Vorwärts Nr. 4, 5. Jahrgang, Juni 1971

Auch im Gesetz: Gleiche Rechte für die Frau! Die Vizepräsidentin des BDFÖ. Frau lrma Schwager. brachte in ih rer Ansprache die Sorgen und Hoffnungen der Frauen und Mütter zum Ausdruck. Sie erinnerte daran. daß Millionen Kinder auf unserer Erde hungern. während gie ichzeitig ungeheure Geldsummen für die Erzeugung von immer gigantischeren Vemichtungswaffen ausgegeben werden. Mehr denn je sei es notwend ig. die Stimme gegen jene Mächtigen zu erheben, die . am Krieg und an der Vernichtung verdienen. Großen Beifall gab es, als Frau Schwager über d ie . Solidarität mit dem kämpfenden Volk von Vietnam sprach und feststellte. daß auch die Regierung des neutralen Österre_ich einen Beitrag für die sofortige Einstellung aller Kampfhandlungen und für den Abzug der amerikanischen T ruppen aus Vietnam leisten müßte. ..Wir fordern von unserer Re9.ierung und vom Parlament. daß WIR FORDERN PREISSTOPP s,e im Interesse Österreichs eine unabhängige Politik der akt1·1en Neutralität betreiben". sagte Frnu Schwager. Nachdrücklich wandte sie sicl1 gegen die zunehmende Belastung der Hausfrauen. gegen den Kaufkraftschwund und forderte einen Preis - stopp für d1ew1cht;gsten Nahrungsmittel. D,e Regierung durte keiner Preiserhöhung zustimmen. Was in Schvveden möglich sei. müßte auch bei uns durchführbar sein. M,t einem Telegramm wurde die Regierung aufgefordert. einer Milchpreiserhöhung für den Konsumenten keine Zustimmung zu geben . Gemeinsam können die Frauen v ieles durch setzen. erkiärte Frau Schwager. Sie schloß mit den Worten der großen Dichterin Marie von Ebner-Eschenbach .. ..Wenn es eine Kraft gibt. die Berge ve rs,? tzen kann. so 1st es der Glaube cin die eioene Krall, .. Auf dem großen Platz wurde es ganz still. als die bekannte BrechtInterpretin llse Scheer Gedichte von Bert Brecht. -:larunter das berühmte „Lied vorn Wasserrad" vortrug. Hauptschuloberlelirer ;n Berta Bauer verlas einen Brief an Unterrichtsminister Grntz, in welchem die . Frauen den Aufbau einer modernen Gesamtschule verlangen. die allen Kindern in Stadt und Land die gleichen Mögl ichkeiten zur Entfaltung ihrer Fähig - keiten gibt. Der Nachmittag war einem gut · geplanten Besichtigungsprogramm vorbehalten. Die Gäste konnten sich davon überzeugen. daß Steyr viele Kleinode alter Baukunst besitzt. aber auch moderne soziale Einrichtungen, die den Vergleich mit anderen und größeren Städten nicht zu scheuen brauchen. Die Kundgebungs-reilnehmer qewannen auch einen Einblick in die qrof~e Kamoftrndition der Steyrer Mehr Umrühren! Gegen die hohen Preise, für höhere Löhne! Arbeiterschaft ( Otto T rerrd hatte zu Beg in n des Trefier.s darüber gesprochen). die sich in verschie - denen Mahnmalen und Straßenbenennungen nach Opfern des Fa sch ismus ausdrückt. Vor dem Werndl-Denkmal fand schließlich eine improvisierte Abschlußkundgebung statt, be i der sich die Steyrer Freunde bei ihren Gästen bedankten . daß sie die Eisenstadt als Treffpunkt der Frauen gewählt hatten. Frau Grete Müller. Sek retärin des BDFÖ, dankte den Steyrer Frauen und den vielen Helfern für die gute und gediegene Arbeit bei der Vorbereitung und Durchführung des großen Frauentreffens. Die Teil - nehmer der Steyrer Kundgebung ginqen auseinander. bereichert um neue qroße Eindrücke und oestarkt 1n dem Willen . im Kampf urn ein besseres L.eben . für den Frieden und für die Zukunft der Kinder nicht nachzu!assen . F. Ka . Lichi und Schatten Dutzende Amobusse aus allen Teilen Österreichs hc1 tten die Teilnehmer der machtvollen Kundgebung des Bundes Demokratischer Frauen in die Stadt gebracht. Mit aufmerksamen Augen betrachteten die Gäste die Stadt, ihre Einrichtungen und ihre Bewohner. Sie sahen vieles, wa~ dem Einheimischen sonst gar nicht auifällt, sie sahen die Schönheiten der Stadt, sie sahen freilich auch manche :Schattenseite. Kaum haben einige Wirte gemerkt, daß eine große Anzahl von Fremden da ist, schon wurden die Preise einer . leichten „Korrektur" lJnterzogen: So mußten die Gäste in einem Lokal, das woh! nur als unterer Durchschnitt zu bez·eichnen ist, für eine Fla5che Bier um zwei Schilling mehr bezahlen, als im Hotel Münichmayr, dem repräsentativsten Lokal der Stadt. Zwei Seilen Begeistert waren die Gäste von der Schönheit der Stadt vom schönen Ausblick von der Ennsleiten und vom Tabor. Aber sie waren ·bestürzt, ' als · sie de,1 Zustand der öffentlichen Bedürfnisan- .stalt sahen und meinten, daß die schöre .St-adt durch diese verschmutzten „ Häuseln" viel · an ihrem · Ansehen verliere. Daß auf der ganzen Erinsleiten und ·auf dem ganzen r.j_esigen Taborgel ände kei ne einzige Bedürfnisanstalt besteht, konnten sie einfach nicht verstehen. Steyrs Ordnungshüter · haben sich--der Stadtunkundigen fiebevoll angenommen, sie waren .freundlich·-und entgegenkom• rnend. Und die Gäste waren. sehr beeindruckt ·von der Zuvorkommenheit der ' Polizeibeamten. Wo die Hinweise fehlen Viele Häuser der Stadt tragen Gedenktafeln: genau wird vermerkt; wo der oder jener Dichter, Komponi st oder .Sänger gelebt hat. Aber Steyr hat auch ei ne reiche proletarische Vergangenheit. Die aber kennen aus eigenem Erleben n•ur noch die älteren Einheimischen, kein Schi.ld erinnert .in den .. Häusern der Ennsle i ten daran, daß hier ·im Februar 1934 die letzten Bastionen der Republikaner standen, kein Hinweis. ist an dem Bau zu finde·n, in welchem den Schutz- · bündler Hilber die tödliche Kugel traf, auch das Gebä ude, in dessen Hof Sepp 1\hrer ermordet wurde, verschweigt diskret das Verbreohen, das hier geschah. Steyr hat ei ne s•arke SPÖ-Mehrheit. Di e Besucher aus Wien und den Bundesländern meinten, daß auch die kl assenkämpferische Vergangenheit der Stad t de111 Gast vor Augen geführt werden müsse. Steyr ist schön„ sagten die Gäste und einige äußerten den Wunsch, länger hier 2u verweilen, vielleicht auch den Uriaub in Steyr zu Vcrbringl'n, .iber d.is geht leider nicht, denn Steyr hat viel zu wenig Fremdenbetten. Man hat die Stadt zwar zur Fremdenverkehrsstadt e,·. klärt, aber man muß Gäste in die Gasthöfe des Ennstales schicken, weil die paar Fremdenzimmer der Stadt leider meistens au sgebucht si nd. Steyr ist Fremdenverkehrsstadt, abN die Stadt hat nur iüni Fremdenführer und die können sich bei bester Quali - fizierung nicht „zer reigen". Trotzdem gelangen di e Führungen der vielen Gäste ausgtezei chnet, Arbeiter, /\ngestellte und Pens:rmis.ten haben ileifsig gelernt und den Mangel in dieser Hinsicht gut kompensiert. Das hat die Gäste au$ nah und fern beeindruckt und gefreut.

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