Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 37, Juni 1986

»Als intelligente füh rende (gleichsam vorbildliche) Schicht wu rden woh l beabsichtigterweise die Reichsdeutschen hereingesetzt«, bemerkte die Chronik der Pfarre Münichholz.4) Anfänglich kam noch eine kleine Gruppe sudetendeutscher Flüchtlinge nach Steyr. Sie galten als weniger geschlossen, unterschieden sich aber ansonsten von den Reichsdeutschen wenig.5) Ein besonderes Schicksal verband die Südtiroler i n Münichholz. Zwanzig Jahre nach dem Friedensvertrag in St. Germain 1 9 1 9, in dem Südtirol an Italien kam, folgte mit der Berliner Vereinbarung vom 23. Juni 1 939 zur Umsiedlung der Südti roler ein zweiter schwerer Schicksalsschlag. 6) Die Verhandlungen hierüber sollen fast ein Jahr gewährt haben, wobei Mussolini die Zustimmung H itlers zur Umsiedlung als Abstattung einer Dankesschuld für die wohlwollende Haltung Italiens beim Einmarsch Hitlers i n Österreich im März 1 938 gefordert haben soll. Das Abkommen sah vor, daß alle in Südtirol wohnhaften Reichsdeutschen (hauptsächlich ehemalige Österreicher) innerhalb von drei Monaten in das Deutsche Reich abwandern sollten, wobei ihnen die M itnahme des bewegl ichen Eigentums und ihres Vermögens e rmög licht wurde. Für alle Volksdeutschen war eine freiwil l ige Umsiedlung vorgesehen. Die Volksdeutschen hatten bis zum 3 1 . Dezember 1 939 eine Erklärung abzugeben, ob sie in Italien verbleiben und die italienische Staatsbü rgerschaft behalten oder ob sie die deutsche Reichsangehörigkeit annehmen und in das Deutsche Reich übersiedeln wollten.?) »Die Südtiroler standen in den dramatischen Monaten der von ihnen zu fäl lenden Entscheidung, dem schweren Entschluß zwischen Gehen und Bleiben , Volkserhaltung und Heimatverlust, Heimatbewahrung und Volksverlust allein, und je nach der Entscheidung bezeichnete man sie fälschlich als Deutsche oder Walsche, Nazis oder Verräter.«B) Die Propaganda rückte die wahre Entscheidung : daheimbleiben oder abwandern in den Hinterg rund, sie hämmerte als Alternative ein : deutsch bleiben oder italienisch werden . Keinesfalls kann d i e Entscheidung f ü r Deutschland a l s e i n Bekenntnis fü r den Nationalsozialismus gedeutet werden. Italienische Faschisten und Nationalsozialisten arbeiteten einträchtig gegen Südtiroler zusammen. Optionsbefü rworter zogen von Dorf zu Dorf und wenn sie n icht Gehör fanden, kamen auch einschüchternde Methoden zur Anwendung, darin unterschieden sich die Na-tionalsozial isten in N ichts von den Gewalttaten der italienischen Faschisten .9) 86 Prozent der Optionsberechtigten, 2 1 3.000 deutschsprachige und ladinische Südtiroler erklärten sich bis zum 3 1 . Dezember 1 939 für die deutsche Reichsangehörigkeit und damit für die Umsiedlung in das Deutsche Reich. 1 0 ) Zur Erzielung dieses hohen Prozentsatzes soll auch beigetragen haben, daß die italienischen faschistischen Behörden jenen Volksdeutschen, die sich für ein Verbleiben entschließen wü rden , mit einer Zwangsumsiedlung in südlichere Provinzen Italiens und Zwangsenteignungen drohten. Die Umsiedlung wu rde nach dem Sturz des fasch istischen Regimes im J u l i 1 943 gestoppt. 1 1 ) Bis zu diesem Zeitpunkt verließen ca. 74.000 Südti roler i h r Land. Etwa 4.500 Südti roler kamen teils auf Umwegen, nach vielen Lageraufenthalten, nach Oberösterreich. 12 ) Viele Familien wu rden auch in Münichholz angesiedelt. Über die genauen Zahlen der Südtiroler gehen allerdings die Meinungen auseinander. Die Chronik der Volksschule Münichholz bestätigt aber, daß »Sehr viele Kinder, deren 63

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