Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 37, Juni 1986

2.2. Wohnungsnot und Bevölkerungswachstum in Steyr Die zweite Komponente, die den Bau einer Großsiedlung notwendig machte, resultiert aus der Wohnungsnot, die in der Stadt Steyr herrschte. Verstärkt wurde diese Not du rch das zusammenfallen von zwei Faktoren : Erstens im traditionell vorherrschenden Wohnungselend der Stadt und zweitens im Aufschwung der Steyr-Werke bedingt du rch den Ausbau der nationalsozialistischen Rüstungsindustrie und der Umstellung auf Kriegsproduktion . 1 ) Diese zwei Faktoren waren seit dem vorigen Jahrhundert stets bestimmend, wenn die Stadt Steyr sogenannte »Blütezeiten« hatte. Von langer Dauer waren diese Zeiten nie. Wie Ebbe und Flut wechselten (Kriegs-)Konjun ktur und Krise, tausende Menschen strömten herbei , gingen wieder und leere folgte der überfülle in der Stadt2) I n den Jah ren 1 880 - 1 890 war die Einwohnerzahl der Stadt Steyr i nfolge der damaligen guten Beschäftigung der Österreichischen Waffenfabriksgesel lschaft, aus der die SteyrWerke hervorgegangen sind, von 1 7. 1 99 um 4.300 auf 2 1 .499 h inaufgeschnellt. Die Wohnungsbeistellung h ielt jedoch mit dieser Entwicklung nicht Schritt.3) Die Wohnungen in Steyr waren im Verhältnis zur Bevölkerungszahl schon immer gering, auch die Größe der einzelnen Wohnungen war gegenüber anderen Städten als klein zu bezeichnen. Die Volkszählung des Jahres 1 9 1 0 ergab, daß damals schon über vier Personen auf eine Wohnung entfielen. Es bestand daher schon in Friedenszeiten vor dem ersten Weltkrieg keine Wohnungsreserve, die für plötzliche und unvorhergesehene Bevölkerungsvermeh rung hätte ausgleichend wirken können. Im Jah re 1 9 1 4 zählte Steyr 1 7.400 Bewohner, diese Zahl stieg wäh rend des Krieges auf 27.500. D ieser Zuzug bestand aber nicht aus Familien, sondern aus Personen, die als Bettgeher viel leichter unterzubringen waren. Man behalf sich mit Notunterkünften und Baracken . D i e Baracken auf d e r Ennsleite, im Wehrg raben, in d e r Sierningerstraße u n d vor allem auch in Ramingsteg dienten sodann zur Unterbringung der sich entwickelnden neuen Haushalte. Nach 1 9 1 8 bezifferte sich die Bevölkerung auf 22.000 Personen, für die ordentlicher Wohn raum beschafft werden mußte. Da dies aber zur Gänze nicht möglich war, blieben die Baracken. Eine kaum fühlbare Erleichterung trat in den Jah ren 1 924 und 1 925 ein, als einerseits der Bau von Siedlungen begann und andererseits damals fast 2 .000 Personen von Steyr nach Übersee auswanderten. Du rch die nahezu zehn Jahre andauernde Wi rtschaftskrise, die Steyr besonders hart getroffen hatte, waren die Wohnungsinhaber gezwungen, um einen Zuschuß zur Arbeitslosenunterstützung zu erlangen und die verhältnismäßig hohen M ietzinse aufzubringen, i h re Wohnungen weitestgehend unterzuvermieten. Der Zugang an neuem Wohn raum zwischen 1 920 und 1 938 war du rch die Wohnbauten der Stadtgemeinde, der Steyr-Werke, der Genossenschaften und Siedlungen und verhältnismäßig wenig du rch Privatbauten gegeben.4) Der schon im vorangegangenen Kapitel erwähnte Ausbau der Rüstungsproduktion der Steyr-Werke und die Eingemeindung von umgrenzenden Gebietsteilen ließen die 23

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