Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 34, November 1796

„ Exercitia spiritualia" des heiligen lgnatius. An den jährlichen, achttägigen geistlichen Übungen im Kolleg durften auch Auswärtige - Priester und Laien - teilnehmen . Bis 1649 findet der Chronist die Beteiligung der Gäste kaum nennenswert.1 67 ) In diesem Jahr machten drei Adelige die Exerzitien mit: einer aus dem kaiserlichen Hof, ein anderer (mit seinem Hauskaplan) aus der Landschaft ob der Enns und der dritte, ein adeliger Jungmann, der dann im Herbst in den Orden der Gesellschaft Jesu eintrat. Die Jesuiten hielten auch „Standesexerzitien", die für die Geistlichen wei– terhin acht Tage, für die Laien meist drei Tage dauerten. Mit außerordent– licher Seelsorge bei den Augustinerinnen von der Verkündigung Mariens (Annunziatinnen, Cölestinerinnen genannt) betraut, - cura extraordinaria, regelmäßige Nonnenseelsorge lehnte lgnatius und sein Orden grundsätzlich nach Möglichkeit ab -, stellten sie diesen (1650) auch den Exerzitien– leiter.168) Die infolge Kriegsunruhen aus Pontarlier (Burgund) ausgesiedelten Nonnen hatten sich mit Unterstützung der nach Ferdinand II. verwitweten Kaiserin Eleonora im Jahre 1646 in Steyr ansässig gemacht. Der Wirkungsbereich der Jesuiten erstreckte sich besonders durch Aus– hilfen und Missionen in den umliegenden Ortschaften und Pfarreien weit hinaus über Steyr und seine Bürgerschaft. Seit dem Jahre 1636 zeigt die Chronik die jährlichen Aushilfen in Sierning auf: Vorerst wirkte regelmäßig ein Pater die Karwoche und Osterfeiertage hindurch - 1638 hörte er dort 3600 Beichten - , dann (ab 1639) waren zwei Patres zu Weihnachten und Ostern bei Pfarrer Dr. Koller im Einsatz ; im Jahre 1649 erstreckte sich ihre seelsorgliche Tätigkeit auf die Fastenzeit und alle höheren Fasttage. Vom Grafen der Herrschaft Losenstein in seine Patronatspfarre St. Peter in der Au berufen, die durch Förderung seiner dort maßgeblichen Schwie– germutter zur Gänze protestantisch geworden war, leiteten die Jesuiten– missionare die Rekatholisierung ein: Zu Weihnachten 1649 konnten sie 141 Beichten buchen . 169 ) Der Bericht der Jesuiten hebt im Jahre 1647 be– sonders die Adelsseelsorge beim Grafen Siegfried Leonhard Breiner (Brai– ner) hervor, bei dem sie außer der Predigt und Messe an S1onn- und Feier– tagen während der vierzigtägigen Fastenzeit täglich eine Schriftlesung über das Leiden Christi mit aszetischer Ansprache zu halten pflegten . 170 ) Vom Wirken in auswärtigen Pfarreien ist noch Waldneukirchen (mit seiner Feier eines eucharistischen Triduums im Jahre 1637) namentlich ange– führt.171) Gegen Ende der Vierzigerjahre war die Aushilfstätigkeit der Jesui– ten so begehrt, daß sie den Bitten der Pfarrer kaum nachkommen konnten . b) Caritativ Krankenpflege. Vermittlung bei Ehestreit. Sorge für die Armen. Gefangenenseelsorge. Die Aktivierung des erlahmten Katholizismus voranzutreiben , verlangte vom Orden wachsendes Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen . Durch die vielen in eine leib-geistige Konfliktsituation geratenen, existenzbedrohten und haltlosen Individuen, bot sich den Jesuiten die Gelegenheit, die Auf– richtigkeit und Selbstlosigkeit ihres Heilsdienstes an der Gemeinde Christi glaubwürdig zu machen . Damit wandte sich ihr Wirken dem Einzelschicksal 73

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