Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 31. April 1974

Geschäfte gemacht ; damit war in weiten Kreisen des Volkes der Glaube großgezogen worden, daß alles, was mit der Elektrizität zusammenhing, auch hohe Erträge abwerfen müsse. So war es leicht, für neue elektrische Beleuchtungsgesellschaften große Geldmittel flüssig zu machen. Jeder Tag brachte neue Gründungen. Allein zur Ausbeutung der Edison-Patente wurden in außerdeutschen Ländern von 1880 bis 1882 63 Gesellschaften mit zusammen rund 430 Mill. Mark Aktienkapital gegründet.1') Schließlich konnte, als die großen Schwierigkeiten sich nicht durch den Befehl der Finanzleute allein überwinden ließen, der Zusammenbruch nicht ausbleiben. Es gab ein jähes Erwachen aus Träumen und Illusionen. Man erließ sogar Gesetze gegen den elektrischen Strom. Eine Unterbindung der englischen Industrie für viele Jahre war das Ergebnis der zu früh eingesetzten unrealisierbaren Hoffnungen.12) In Frankreich war man nicht minder eifrig mit der weiteren Entwicklung beschäftigt. Von den 1892 patentierten Lampen (über 1000) entfielen allein 600 auf Frankreich. 1881 soll bereits die englische Stadt Godalming eine elektrische Straßenbeleuchtung mit 7 Bogen- und 34 Glühlampen gehabt haben, die aber später wegen zu hoher Kosten durch Gasbeleuchtung ersetzt wurden.13) 1882 fand in München die zweite große elektrische Ausstellung statt. Der Zweck war, die Errungenschaften der Pariser Ausstellung nebst den Neuerungen dem deutschen Publikum vorzuführen. Herausragend war der Kraftübertragungsversuch von Deprez. Deprez hatte schon auf der Pariser Ausstellung den Strom einige Kilometer weit transferiert. Nun erfolgte auf einer Entfernung von 57 km, von Miesbach nach München, eine Übertragung von 1200 Volt Gleichstrom und einigen PS Leistung. Der Wirkungsgrad war 26 %.14) Schon zu Beginn des Jahres 1882 war als Versuchsanlage auf Kosten der Edison Co. die Holborn-Viaduct-Station zu London als erstes Elektrizitätswerk für Glühlicht in Betrieb genommen worden. Hauptereignis dieses Jahres war aber dann die Inbetriebnahme des ersten öffentlichen Elektrizitätswerkes der Welt, der Edison-Zentrale PearlStreet-Station in New York. Leistung : rund 500 kW, Spannung 100 Volt Gleichstrom.15) Dieses Kraftwerk stellte das erste ausgedehnte Verteilungssystem für elektrische Energie dar. Es lieferte nicht nur Lichtstrom, sondern auch Kraftstrom für Elektromotoren, Ventilatoren, Druckerpressen und ”) A. Th. Groß, Zeittafel zur Entwicklung der Elektrizitätsversorgung ; in : Beiträge zur Geschichte der Technik und Industrie 27 (1936) S. 126 - 138. ,2) Matschoß, S. 4. 13) Groß, S. 126. 14) Unter Kraftübertragung ist hier die Übertragung von elektrischer Energie zu verstehen. Der Energieverlust betrug also 74% (Zahlen differieren). Heute werden für Energieübertragung wesentlich höhere Spannungen verwendet und dadurch die Verluste wesentlich geringer gehalten (unter 10%). 15) Zum Vergleich die Leistung von Ybbs-Persenbeug : 200.000 KW. 44

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