Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 31. April 1974

Der Ausgang des Krieges gegen Preußen veranlaßte die Heeresverwaltung Österreichs, raschest zur Einführung der Hinterladegewehre zu schreiten. Eine eigens für die Prüfung der Gewehre geschaffene Hinterladungskommission prüfte über 100 eingelangte Konkurrenzangebote. Am 28. April 1867 wurde das im allerletzten Moment fertiggewordene Werndl-Holubsche Hinterladungsgewehr, 11 mm mit Wellenverschluß, zur Annahme empfohlen und am 28. Juli 1867 endgültig angenommen. Noch im selben Jahr wurden 250.000 Gewehre bestellt. Werndls größter und riskantester Schritt zum europäischen Großunternehmer war getan. Zu den Lieferungsverpflichtungen für Österreich kamen noch die aus dem Ausland. Die Gewehrerzeugung wurde auf 5.000 Stück wöchentlich gesteigert. Neue Objekte mußten errichtet werden. Das zu diesem großartigen Aufbau notwendige Kapital brachte die am 1. August 1869 durchgeführte Umwandlung der Firma Josef und Franz Werndl & Comp, in die österreichische Waffenfabriks-Gesellschaft — ein Vorgang, wie er sich bei fast allen großen Waffenfabriken der Welt findet. Die Aktiengesellschaft übernahm sämtliche Rechte, Privilegien, Patente, Aufträge der Firma um 5,2 Mill. Gulden. Werndl wurde Generaldirektor. Der Aufstieg und Aufschwung ging unaufhaltsam vor sich. Die österreichische Waffenfabriks-Gesellschaft exportierte in alle Welt. Mit Recht konnte Josef Werndl bei der 900-Jahr-Feier der Stadt Steyr (1880) sagen : „Durch unsere technische Leistung stehen wir in der Dualität der Waffen unerreicht da und haben dort, wo Dualität entscheidet, keine Konkurrenz zu fürchten“. Im Jahre 1881 trat wiederum eine Stockung in der Gewehrerzeugung ein. Die Ursache lag darin, daß die Heere nun mit Hinterladern ausgerüstet waren und die Entscheidung auf Umstellung auf Mehrladegewehre noch nicht gefallen war. Diesmal war die Situation besonders kraß. Die Arbeiterzahl sank in dieser Zeit.von 7.000 auf 800 bis 900. Zu diesem häufigen Auf und Ab der Konjunktur in der Waffenindustrie kam es deswegen, weil eine Vorausproduktion unmöglich war, da ja die Waffen stets auf dem neuesten Stand sein mußten und vorausproduzierte Waffen beim nächsten Kriegsausbruch bereits wieder veraltet sein konnten und keinen Absatz fanden. Welche Möglichkeiten boten sich, dieses Konjunkturtief abzuschwächen ? Der Unternehmer konnte (a) von Land zu Land reisen und versuchen, neue Aufträge zu erhalten ; (b) einschneidende Verbesserungen schaffen, die die Heeresverwaltungen zum Umrüsten zwangen, da man ja auch in Friedenszeiten bestens gerüstet zu sein hatte. Es gab aber noch eine dritte, viel wirksamere Möglichkeit : das Aufnehmen einer anderen Produktion, auf welcher in Krisenzeiten der Schwerpunkt lag. Werndl, dem zweifelsohne die Rastlosigkeit und der Rhythmus des damaligen modernen Lebens gegeben waren, war schon längst von den neuen Errungenschaften auf dem Gebiet der Elektrizität fasziniert. 39

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