Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 31. April 1974

I. Josef Werndl Steyr war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bekannt und berühmt durch die österreichische Waffenfabrik, die unter Josef Werndl zur zeitweise größten europäischen Waffenfabrik emporgewachsen war. Doch auch für die Weiterentwicklung der Elektrotechnik und Elektroindustrie hat Steyr Bedeutung erlangt. Verantwortlich dafür zeichnet wiederum Josef Werndl als damaliger Generaldirektor der österreichischen Waffenfabriks-Gesellschaft. Es ist daher notwendig, zunächst das Leben und die Persönlichkeit dieses genialen Mannes zu skizzieren. Josef Werndl wurde als erstes von sechzehn Kindern am 26. Februar 1831 zu Steyr geboren. Sein Vater, ursprünglich Bohrerschmied, wandte sich in den 30iger Jahren der Waffenschmiedekunst zu und beschäftigte 40 bis 50 Mann. Nach einigen Jahren waren es schon zehn Mal so viel. Fleiß und Tüchtigkeit hatten ihm den Erfolg gebracht. Obwohl der Sohn diese beiden Eigenschaften vom Vater geerbt haben dürfte, kam es dennoch nach der Ausbildung zum Gesellen zu keiner längeren Zusammenarbeit mit dem konservativen Vater. Leopold Werndl hielt an den althergebrachten Arbeitsmethoden fest, während der Sohn auf neuen, ungegangenen Wegen zum Erfolg zu kommen suchte. Diese Unstimmigkeiten trieben Werndl jun. auf Wanderschaft nach Prag (1847), ein zweites Mal nach Wien (1849), wo er sich zu einem Chevauxlegers Regiment anwerben ließ. Bald darauf wurde er in die staatlichen Gewehrfabrik nach Währing abkommandiert und lernte dort die von Amerika für die Gewehrerzeugung importierten Maschinen kennen. Werndl gehörte endgültig zu den wenigen, die sich der neu heraufkommenden Zeit der Maschine verschrieben hatten. Als es Leopold Werndl (wohl auf Bitten der Mutter) gelang, den Sohn vom Militär für den eigenen Betrieb freizubekommen, zeigte sich wiederum, daß eine Zusammenarbeit mit dem Vater, gleichbedeutend mit der Unterordnung unter dessen Willen, nicht möglich war. Es war Josef Werndl nicht gelungen, den Vater vom Mißtrauen gegen die arbeitssparende Maschine zu befreien. Die abermalige Wanderschaft brachte ihn bis nach Amerika, nach Ilion und Hartford, zu den bedeutendsten amerikanischen Waffenfabriken. Mit zahlreichen Berechnungen und heimlich angefertigten Zeichnungen von den Maschinen im Koffer, den Kopf vollgestopft mit Ideen und Plänen, kehrte Werndl 1853 wieder nach Steyr zurück. Er pachtete die Kettenhuberschleife im Wehrgraben und beschäftigte ein Dutzend Gesellen mit Schleif- und Polierarbeiten. 37

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