Inzwischen wurde Vogl wiederholt von Schober und auch von anderen angegangen und endlich versprach er, an einem Abend zu Schober zu kommen, um zu sehen, was daran ist, wie er sagte. Er trat um die bestimmte Stunde ganz gravitätisch bei Schober ein und, als ihm der kleine, unansehnliche Schubert einen etwas linkischen Kratzfuß machte und über die Ehre der Bekanntschaft in der Verlegenheit einige unzusammenhängende Worte stammelte, rümpfte Vogl etwas geringschätzig die Nase, und der Anfang der Bekanntschaft schien uns Unheil verkündend. Vogl sagte endlich ,Nun, was haben Sie denn da ? Begleiten Sie mich’, und dabei nahm er das nächstliegende Blatt, enthaltend das Gedicht von Mayrhofer .Augenlied’, ein hübsches, sehr melodiöses, aber nicht bedeutendes Lied. Vogl summte mehr als er sang und sagte dann etwas kalt : .nicht übel'. Als ihm hierauf .Memnon', .Ganymed' und andere Lieder begleitet wurden, die er aber alle nur mit halber Stimme sang, wurde er immer freundlicher, doch schied er ohne Zusage, wieder zu kommen. Er klopfte bei dem Weggehen Schubert auf die Schulter und sagte zu ihm : ,Es steckt etwas in Ihnen, aber Sie sind zu wenig Komödiant, zu wenig Charlatan, Sie verschwenden Ihre schönen Gedanken ohne sie breit zu schlagen’. Gegen andere äußerte sich Vogl bedeutend günstiger über Schubert als gegen ihn und seine nächsten Freunde. (Als ihm das Lied ,Die Dioskuren’ zu Gesicht kam, erklärte er, es sei ein Prachtlied, und es sei geradezu unbegreiflich, wie solche Tiefe und Reife aus dem jungen, kleinen Manne hervorkommen könne.) Der Eindruck, den die Lieder auf ihn machten, war ein überwältigender, und er näherte sich nun unaufgefordert wieder unserem Kreise, lud Schubert zu sich, studierte mit ihm Lieder ein, und als er den ungeheuren, überwältigenden Eindruck wahrnahm, den sein Vortrag auf uns, auf Schubert selbst und auf alle Kreise der Zuhörer machte, so begeisterte er sich selbst so sehr für diese Lieder, daß er nun selbst der eifrigste Verehrer Schuberts wurde und daß er statt, wie er früher vorhatte, die Musik aufzugeben, sich erst neu dafür begeisterte. Die Genüsse, die sich uns jetzt darboten, können nicht beschrieben werden. Erfreut, erschüttert, begeistert und oft bis zu Tränen gerührt, genossen wir selige Stunden. Schubert begleitete Vogl, der den jungen Künstler liebgewann und mehrfach unterstützte, wiederholt nach Steyr, nach Linz, nach St. Florian, nach Gmunden, nach Gastein und überall ertönten die herrlichen Lieder und überall machten sie denselben erschütternden Eindruck“.19) 19J Deutsch, Schubert, Erinnerungen, S. 111 f. : Josef von Spaun. Aufzeichnungen über meinen Verkehr mit Franz Schubert (1858). 10
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