Veröffentlichungen des Kulturamtes, 1973

Steyr gehört zu jenen Städten Österreichs, die Franz Schubert mehrmals besuchte. Johann Michael Laurentius Vogl, Johann Mayrhofer, Albert Stadler und Sylvester Paumgartner, alle Söhne der Eisenstadt, zählten zu den besten Freunden des Liederfürsten, über dieses bedeutende Kapitel der Steyrer Musikgeschichte ist schon oft geschrieben worden. In der vorliegenden Darstellung wurde vor allem auf die Wiedergabe der einschlägigen Briefe Schuberts und der Berichte seiner Zeitgenossen Wert gelegt. Flerrn Bürgermeister Josef FelIinger danke ich bestens für die Ermöglichung der Drucklegung. Josef Ofner Steyr, im Schubertjahr 1972

INHALT BEGEGNUNG IN WIEN SCHUBERTIADEN IN STEYR 1819 Die „himmlische Gegend“ 1823 Der stille Sommer 1825 „Wandernde Barden" AUSKLANG - ERINNERUNGEN

f£e$e$nun$ tn fCicn Im Oktober des Jahres 1808 trat Franz Schubert (31. 1. 1797 bis 19. 1 1. 1828)1) als Flofsängerknabe in das sogenannte „Konvikt“ in Wien ein. Dieses Institut war eine aufgehobene Jesuitenschule, die 1802 Kaiser Franz II. dem Piaristenorden überlassen hatte. Flier fanden Hofsängerknaben und Studenten Aufnahme.2) Zu den Freunden, die Schubert in seiner bis 1813 währenden Konviktzeit kennen und schätzen lernte, gehörten u. a. auch der Steyrer Albert Stadler (4. 4. 1794 bis 5. 12. 1884). Im Herbst des Jahres 1812 kam Stadler, der das Gymnasium in Kremsmünster besucht hatte, nach Wien, um an der Universität Rechtswissenschaften zu studieren.3) Er war ein vorzüglicher Klavierspieler, dem aber auch das Komponieren Freude bereitete. Nach Abschluß der Studien kehrte er 1817 nach Steyr zurück, wo seine Beamtenlaufbahn beim Kreisamt des Traunviertels unter Kreishauptmann Johann Ritter von Dornfeld ihren Anfang nahm.4) Wir verdanken Stadler wertvolle Berichte über Schuberts Aufenthalt in Steyr. Im Dezember 1814 kam es zur zweiten Begegnung Schuberts mit einem Steyrer, und zwar mit dem Dichter und Bücherzensor Johann Mayrhofer (3. 11. 1787 bis 5. 3. 1836). Nach dem Besuch des k. k. Lyzeums in Linz und einem dreijährigen Theologiestudium in St. Florian, studierte er ab Herbst 18105) in Wien die Rechte.6) Die Bekanntschaft mit dem Liederfürsten schildert er in seinen „Erinnerungen“ : „Mein Verhältnis mit Franz Schubert wurde dadurch eingeleitet, daß ihm ein Jugendfreund mein Gedicht ,Am See’ — es ist das vierte in dem bei Volke 1824 erschienenen Bändchen — zur Komposition übergab. An des Freundes Hand betrat 1814 Schubert das Zimmer, welches wir fünf Jahre später gemeinsam bewohnen sollten. Es befindet sich in der Wipplingerstraße. Haus und Zimmer haben die Macht der Zeit gefühlt : die Decke ziemlich gesenkt, das Licht von einem großen, gegenüberstehenden Gebäude beschränkt, ein überspieltes Klavier, eine schmale Bücherstelle ; so war der Raum beschaffen, welcher mit den darin zugebrachten Stunden meiner Erinnerung nicht entschwinden wird. ') R. Bamberger, F. Maier-Bruck. Österreich Lexikon, Bd. 2, 1967, S. 1CC0. 2j P. Stefan, Franz Schubert, 1928, S. 78 f. 3j Krackowizer, Berger, Biographisches Lexikon des Landes Österreich ob der Enns, 1931, S. 317. 4) Stadtarchiv Steyr, Kasten VII, Fach 15, Faszikel Nr. 377. 5) 0. E. Deutsch. Schubert. Die Dokumente seines Lebens. 1964, S. 34. 6) W. Kaser, Johann Mayrhofer, der Schubert-Freund aus Steyr. Linzer Volksblatt v. 5. 3. 1960. 7

Gleichwie der Frühiing die Erde erschüttert, um ihr Grün, Blüten und milde Lüfte zu spenden, so erschüttert und beschenkt den Menschen das Gewahrwerden seiner produktiven Kraft ; denn nun gilt Goethes : ,Weit, hoch, herrlich der Blick Rings ins Leben hinein, Vom Gebirg zum Gebirg Schwebet der ewige Geist, Ewigen Lebens ahndevoll'. Dieses Grundgefühl und die Liebe für Dichtung und Tonkunst machten unser Verhältnis inniger ; ich dichtete, er komponierte, was ich dichtete und wovon vieles seinen Melodien Entstehung, Fortbildung und Verbreitung verdankt“.7) Und Schubert vertonte nicht weniger als 47 Gedichte seines Freundes aus der Eisenstadt, mit dem er in den Jahren 1819 bis 1821 das erwähnte Zimmer im Hause Wipplinger- straße Nr. 420 bewohnte.8) „Mayrhofers Gedichte“, berichtet der mit Schubert befreundete Josef von Spaun, „begeisterten Schubert zu herrlichen Liedern, die wohl zu seinen schönsten Werken gehören. Mayrhofer versicherte oft, seine Gedichte seien ihm erst lieb und klar, wenn Schubert sie in Musik gesetzt“.9) Mit Mayrhofer, der 1820 die Stelle eines Revisors beim ZentralBücherrevisionsamt in Wien erhalten hatte,10 *) pflegte auch der aus Steyr gebürtige Adam Haller, später Stadtarzt in Linz, in der Zeit von 1825 bis 1831 „einen sehr vertraulichen, innigen Umgang“. Mit Schubert verbrachte Haller „viele Abende“ in den Jahren 1825 und 1826.") Die dritte, und für Schubert wohl bedeutsamste Begegnung mit einem Musikliebhaber aus Steyr fällt in das Jahr 1817. Damals begann sich der berühmte Hofopernsänger Johann Michael Laurentius Vogl (10. 8. 1768 bis 19. 11. 1840) für Schuberts Liederkompositionen zu interessieren. Im Taufbuch der Stadtpfarre Steyr werden als Eltern des Sängers Johann Michael Vogl und Klara, geborene Pauriedl angegeben.12) Der Vater war Schiffschreiber bei dem Steyrer Schiffmeister Johann Cari Selhamer. Im Jahre 1760 kaufte er das Haus des Fragners Anton Klausriegler in der Haratzmüllerstraße und erhielt das Bürgerrecht auf die Fragnerei (Lebensmittelhandel).13) Er war also nicht, wie die einschlägige Literatur zu berichten weiß, als Schiffmeister tätig. 7) O. E. Deutsch, Schubert. Die Erinnerungen seiner Freunde, 1957, S. 8 f 8) C. H. Watzinger, Der Dichter Johann Mayrhofer. Ein Steyrer Freund Franz Schuberts. OberdonauZeitung v. 25. 1. 1944. 9) Deutsch, Schubert, Erinnerungen, S. 110. 10) Deutsch, Schubert, Dokumente, S. 34. u) Deutsch, Schubert, Erinnerungen, S. 43 : Hallers Bericht an den Schubertbiographen Ferdinand Luib v. 25. 7. 1858. — E. Zawischa, Franz Schubert und seine Steyrer Freunde. Festschrift Gesellschaft der Musikfreunde Steyr, 1963, S. 54. 12) Stadtpfarramt Steyr, Taufbuch, 10. August 1768. 13j E. Neweklowsky, Die Schiff- und Floßleute von Steyr. Oberösterreichische Heimatblätter, Jg. 9, Heft 2/3, 1955, S. 126 — A. Haindl, Die Ergänzung der Bürgerschaft Steyrs im 18. Jahrhundert. Phil. Diss. Innsbruck, 1950, Bd. II, S. 155. 8

Schon im Alter von neun Jahren war der frühverwaiste Knabe, für den sein Onkel Andreas sorgte, Sopransänger an der Steyrer Stadtpfarrkirche. I4) Der talentierte Junge, dem die Stadt Steyr Stipendien verlieh, trat 1781 in das Gymnasium der Abtei Kremsmünster ein, wo er nach vier Jahren seine Studien mit Auszeichnung abschloß. Seine musikalischen und schauspielerischen Fähigkeiten fanden auch im Stift bereits große Beachtung. Im Jahre 1785 übersiedelten Vogl und sein Freund Xaver Süßmayr nach Wien.15) Hier widmete sich Vogl, dem seine Vaterstadt weiterhin Stiftungsgelder zukommen ließ,16) dem Studium der Rechtswissenschaften. Nach dem erfolgreichen Abschluß desselben suchte er eine Beamtenstelle beim Magistrat der Stadt Wien zu erlangen. Doch einer „inneren unwiderstehlichen Neigung folgend“, wurde er Opernsänger. Durch Vermittlung Süßmayrs, der als zweiter Kapellmeister an der Hofoper wirkte und des Hofmusikgrafen Ugarte kam Vogl am 1. Mai 1794 an das Kärntnertor-Theater, wo er bald zu den bedeutendsten Sängern zählte. Nach etwa dreißig Jahren, im Frühjahr 1822, zog sich der Künstler, der über eine vorzügliche Baritonstimme verfügte, von der Bühne zurück.17) Neben den klassischen Sprachen beherrschte Vogl auch das Englische. Zu seinen Lieblingsautoren zählte der römische Kaiser Marc Aurel.18) Die erste Zusammenkunft des gefeierten, selbstbewußten „Hofoperi- sten“ mit Schubert vermittelte Franz von Schober, ein guter Freund des Liederfürsten. Josef von Spaun schreibt hierüber in seinen „Aufzeichnungen“ : „Schubert, der seine Lieder immer selbst singen mußte, äußerte nun oft großes Verlangen, einen Sänger für seine Lieder zu finden, und sein alter Wunsch, den Hofopernsänger Vogl kennen zu lernen, wurde immer lebhafter. — In unserem Kreise wurde nun beschlossen, Vogl müsse für die Schubertschen Lieder gewonnen werden. Die Aufgabe war eine schwierige, da Vogl sehr schwer zugänglich war. Schober, dessen früher verstorbene Schwester an den Sänger Siboni verheiratet war, hatte noch einige Verbindungen mit dem Theater, die ihm eine Annäherung an Vogl erleichterte. Er erzählte ihm mit glühender Begeisterung von den schönen Kompositionen Schuberts und forderte ihn auf, eine Probe damit zu machen. Vogl erwiderte, er habe die Musik satt bis über die Ohren, er sei mit Musik aufgefüttert worden und strebe vielmehr sie loszubringen, statt neue kennenzulernen. Er habe hundertmal von jungen Genies gehört und sich immer getäuscht gefunden, und so sei es gewiß auch mit Schubert der Fall. Man solle ihn in Ruhe lassen, und er wolle nichts Weiteres mehr darüber hören. — Diese Ablehnung hat uns alle schmerzlich berührt, nur Schubert nicht, der sagte, er habe die Antwort gerade so erwartet und finde sie ganz erklärlich. 14) A. Liess, Johann Michael Vogl. 1954, S. 30. 15j H. Winterberger, Franz Xaver Süßmayr. Oö. Heimatblätter, Jg. 20, Heft 3/4, 1966, S. 6. — O. Wessely, Musik in Oberösterreich, 1951, S.31. ’6) Stadtarchiv Steyr, Kasten VII, Fach 15, Faszikel 376. ,7) Liess, Johann Michael Vogl, S. 30—39. 15) Deutsch, Schubert, Dokumente, S. 51. 9

Inzwischen wurde Vogl wiederholt von Schober und auch von anderen angegangen und endlich versprach er, an einem Abend zu Schober zu kommen, um zu sehen, was daran ist, wie er sagte. Er trat um die bestimmte Stunde ganz gravitätisch bei Schober ein und, als ihm der kleine, unansehnliche Schubert einen etwas linkischen Kratzfuß machte und über die Ehre der Bekanntschaft in der Verlegenheit einige unzusammenhängende Worte stammelte, rümpfte Vogl etwas geringschätzig die Nase, und der Anfang der Bekanntschaft schien uns Unheil verkündend. Vogl sagte endlich ,Nun, was haben Sie denn da ? Begleiten Sie mich’, und dabei nahm er das nächstliegende Blatt, enthaltend das Gedicht von Mayrhofer .Augenlied’, ein hübsches, sehr melodiöses, aber nicht bedeutendes Lied. Vogl summte mehr als er sang und sagte dann etwas kalt : .nicht übel'. Als ihm hierauf .Memnon', .Ganymed' und andere Lieder begleitet wurden, die er aber alle nur mit halber Stimme sang, wurde er immer freundlicher, doch schied er ohne Zusage, wieder zu kommen. Er klopfte bei dem Weggehen Schubert auf die Schulter und sagte zu ihm : ,Es steckt etwas in Ihnen, aber Sie sind zu wenig Komödiant, zu wenig Charlatan, Sie verschwenden Ihre schönen Gedanken ohne sie breit zu schlagen’. Gegen andere äußerte sich Vogl bedeutend günstiger über Schubert als gegen ihn und seine nächsten Freunde. (Als ihm das Lied ,Die Dioskuren’ zu Gesicht kam, erklärte er, es sei ein Prachtlied, und es sei geradezu unbegreiflich, wie solche Tiefe und Reife aus dem jungen, kleinen Manne hervorkommen könne.) Der Eindruck, den die Lieder auf ihn machten, war ein überwältigender, und er näherte sich nun unaufgefordert wieder unserem Kreise, lud Schubert zu sich, studierte mit ihm Lieder ein, und als er den ungeheuren, überwältigenden Eindruck wahrnahm, den sein Vortrag auf uns, auf Schubert selbst und auf alle Kreise der Zuhörer machte, so begeisterte er sich selbst so sehr für diese Lieder, daß er nun selbst der eifrigste Verehrer Schuberts wurde und daß er statt, wie er früher vorhatte, die Musik aufzugeben, sich erst neu dafür begeisterte. Die Genüsse, die sich uns jetzt darboten, können nicht beschrieben werden. Erfreut, erschüttert, begeistert und oft bis zu Tränen gerührt, genossen wir selige Stunden. Schubert begleitete Vogl, der den jungen Künstler liebgewann und mehrfach unterstützte, wiederholt nach Steyr, nach Linz, nach St. Florian, nach Gmunden, nach Gastein und überall ertönten die herrlichen Lieder und überall machten sie denselben erschütternden Eindruck“.19) 19J Deutsch, Schubert, Erinnerungen, S. 111 f. : Josef von Spaun. Aufzeichnungen über meinen Verkehr mit Franz Schubert (1858). 10

Schubertiaden in Steyr ln den Jahren nach dem Wiener Kongreß war Steyr noch lange Zeit eine arme Stadt. Die Franzosenkriege hatten ihren Wohlstand vernichtet. „Die meisten Eisenarbeiter“, so berichtet Franz Xaver Pritz in seiner „Beschreibung und Geschichte der Stadt Steyer“, hatten 1817 „keine Beschäftigung und gingen betteln. Selbst die andern Bürger sanken immer im Wohlstände, sie mußten, da die geringen Einkünfte der Stadt kaum zur Deckung der Unkosten für die Besoldung der Beamten hinreichten, alle öffentlichen Lasten bestreiten, die Herstellung der Brücken, die Straßen, Brunnen, Beleuchtung und andere Gemeindegegenstände“ .20) Verheerende Überschwemmungen und Stadtbrände vergrößerten die Notlage. So zerstörten 1821 die Fluten der Enns Brücken und Werksanlagen, sie überschwemmten die Enge und den Stadtplatz. Am 24. Juni 1824 verwüstete ein Großbrand 46 Häuser in der Stadt und 57 in der Vorstadt Ennsdorf. Diese Katastrophen vermochten aber die Schaffenskraft der Stadtbevölkerung nicht zu beeinträchtigen. Unter Bürgermeister Franz Reisser (1819 bis 1842) gelangte Steyr in der Biedermeierzeit wieder zu einigem Wohlstand, der sich auch in kultureller Hinsicht günstig auswirkte. Vor allem war Steyr damals eine Pflegestätte der Musik. Es gab eine hervorragende Bürgerkorpskapelle, die Kirchenmusik erlebte unter dem Regenschori und Turnermeister Franz Gruber einen glanzvollen Aufschwung, im Theater in der Berggasse gelangten Opern zur Aufführung. Die Hausmusik pflegten besonders der Vizefaktor der k. k. Hauptgewerkschaft Sylvester Paumgartner (Stadtplatz Nr. 16), die Familien Scheilmann (Stadtplatz Nr. 34), Koller (Stadtplatz Nr. 11) und Dornfeld (Dukartstraße Nr. 1). In diesen Häusern waren natürlich Schubert und Vogl, als sie in den Jahren 1819, 1823 und 1825 nach Steyr kamen, willkommene Gäste. 2C) F. X. Pritz, Beschreibung und Geschichte der Stadt Steyer, 1837, 3. 366 f. 11

i8i9 ’&ie „himmlische (fetfend über Einladung Vogls kam der Liederfürst erstmals im Juli 1819 nach Steyr. Er wohnte damals im Hause des Berggerichtsadvokaten Dr. Albert Schellmann und speiste gemeinsam mit Vogl beim Groß- » eisenhändler Josef von Koller.21] Kurz nach seiner Ankunft richtete Schubert folgendes Schreiben an seinen Bruder Ferdinand : „Lieber Bruder! Steyr, den 13. Juli 1819 Ich glaube wohl, daß dich dieser Brief in Wien treffen wird, und du dich gesund befindest. Ich schreibe dir eigentlich, mir das Stabat niater, welches wir hier aufführen wollen, so bald als möglich, zu schicken. Ich befinde mich bis jetzt recht wohl, nur will das Wetter nicht günstig sein. Es war hier gestern den 12. ein sehr starkes Gewitter, welches in Steyr einschlug, ein Mädchen tödtete und zwei Männer am Arme lähmte. In dem Hause, wo ich wohne, befinden sich 8 Mädchen, beynahe alle hübsch. Du siehst, daß man zu thun hat. Die Tochter des Herrn v. K(oller), bei dem ich und Vogl täglich speisen, ist sehr hübsch, spielt brav Klavier, und wird verschiedene meiner Lieder singen. Ich bitte dich, beiliegenden Brief weiter zu fördern. Du siehst, daß ich nicht gar so treulos bin, als du vielleicht glaubst. Grüße mir Eltern und Geschwister, deine Frau und alle Bekannten. Vergesse ja nicht auf das Stabat mater. Dein Die Gegend um Steyr ist ewig treuer über allen Begriff schön. Bruder Franz“22) Ausführlich erzählt Albert Stadler in seinen 1858 an den SchubertBiographen Ferdinand Luib gesandten Berichten über Schuberts Aufenthalt in der Eisenstadt: „Im Jahre 1819 machte Schubert mit Vogl den ersten Ausflug nach Oberösterreich und verweilte längere Zeit in Steyr, wo ich damals Konzeptspraktikant beim Kreisamte war. Er (Vogl) wohnte bei Paumgartner. Während dieses Aufenthaltes schrieb er (Schubert) eine Sonate für Fräulein Josefine von Koller (jetzt verehelicht zu Wels mit Franz Krackowitzer, fürstlich Wilhelm Auerspergscher Güterverwalter). Vogl hat diese Sonate, wie mir Josef von Koller, Vater dieser sehr musikalischen Dame, mitteilte, bei einem 21) H. Rutz, Franz Schubert. Dokumente seines Lebens und Schaffens, 1G52, S. 93 f. 22j Deutsch, Schubert, Dokumente, S. 82. 12

späteren Besuche in Steyr mit sich nach Wien genommen ; weiß Gott, wo sie hingekommen sein mag. Ferner setzte er ein kleines Festgedicht in Musik, wozu ich den Text lieferte und womit wir Vogl am 10. August 1819 zur Feier seiner Geburt überraschten. Paumgartner besaß eine Abschrift dieser Komposition, die aber nun in anderen, mir unbekannten Händen ist. Aus dem Jahre 1819 liegen noch zwei Autographe vor mir ; das eine : Vokalquartett, 2 Tenore, 2 Bassi, C-Dur, 6/8, Andantino, ,Ruhe, schönstes Glück der Erde’, April 1819, -— das andere : Vokalquintett, 2 Tenore, 3 Bassi, E-Dur, C Langsam, ,Nur wer die Sehnsucht kennt’, gleichfalls April 1819, die er nach Steyr mitgebracht hatte“. „Schuberts Quintour für Pianoforte, Violine, Viola, Cello und Kontrabaß mit den Variationen über seine .Forelle’ ist Ihnen wahrscheinlich bekannt. Er schrieb es auf besonderes Ersuchen meines Freundes Sylvester Paumgartner, der über das köstliche Liedchen ganz entzückt war. Das Quintour hatte nach seinem Wunsche die Gliederung und Instrumentierung des damals noch neuen Hummelschen Quintettes, recte Septuors, zu erhalten. Schubert war damit bald fertig, die Sparte behielt er selbst, ich besorgte die Auflagstimmen und schickte sie an Paumgartner nach Steyr. (N. B. Was ich nach so langer Zeit nicht mehr gewiß weiß, streiche ich lieber ab.)“23) „Er (Paumgartner) war der Freund meines bereits im Jahre 1801 hingeschiedenen Vaters und von meiner Jugend an auch mein Freund und großer Gönner und ein Mäzen der Tonkünstler im vollsten Sinne des Wortes. Vermöglich und unverehelicht, bewohnte er sein eigenes Haus ganz allein, ohne eine Mietpartei. Der erste Stock enthielt seine Wohnung mit einem eigenen dekorierten Musikzimmer für fast tägliche Übungen und kleinere Abendgesellschaften. Im zweiten Stock befand sich ein mit Emblemen der Kunst geschmückter Salon für die größeren und zahlreich besuchten Produktionen um die Mittagszeit. In diesen Räumen entzückten uns zumeist im Jahre 1819 Schuberts und Vogls Töne, die aber der gute Paumgartner von dem letzteren, der nicht immer gleich gelaunt und disponiert war, nicht selten gleichsam erbetteln mußte. Da hätte man sozusagen eine Stecknadel fallen hören ; Paumgartner litt auch nie irgend eine Unruhe während der Musik. Dafür wurden aber die Gäste an den Abenden nach der Produktion in jeder Beziehung reichlich entschädigt. Ein großer Musikalienkasten barg einen wahren Schatz von klassischen und zum Teil auch modernen Werken. Jeder echte Tonkünstler und Musikfreund fand in seinem Hause Zutritt, freundliche Aufnahme und oft noch mehr. Ich habe diesem seltenen Manne ein Blatt der Erinnerung und Dankbarkeit in der .Warte an der Donau’ (Linz 1841, No. 203) auf das Grab gelegt, wovon icht aber leider kein Exemplar besitze, um es Ihnen mitzuteilen. Im Hause des Kaufmannes Josef von Koller wurde der Muse nur alla camera gehuldiget, und zwar in der Regel abends nach einem geselligen Spaziergange oder vollbrachtem Tages23) Deutsch, Schubert, Erinnerungen, S. 126. — Im Original ist der Satz ........ich besorgte die Auflagstimmen und schickte sie an Paumgartner nach Steyr“ durchgestrichen. 13

werke. Die talentierte ältere Tochter des Hauses, Josefine, Schubert, Vogl und ich erfreuten uns da der angenehmsten Stunden im abwechselnden Vortrage Schubertscher Lieder und Klavierstücke, und auch vieler Piecen von Opern aus der Voglschen Glanzperiode. Von eigentümlicher Wirkung war, wie ich mich noch gut erinnere, der Versuch (natürlich nur unter uns], den .Erlkönig’ zu Dreien zu singen. Schubert sang den Vater, Vogl den Erlkönig, Josefine das Kind, ich spielte. — Nach der Musik setzten wir uns zum Souper und blieben noch ein paar Stündchen heiter beisammen. — Nun ist längst alles still und verklungen in beiden Häusern“.24] „Es ist nun ganz gewiß, daß Schubert im Jahre 1819 in Hause meines Onkels, des Berggerichts- und Landes-Advokaten zu Steyr, Albert Schellmann (gestorben am 14. März 1844] gewohnt hat, jedoch nicht im ersten, sondern im zweiten Stock. Meine Frau erinnert sich dessen ebenso bestimmt als ich, weil sie als Mädchen damals nebst meiner seligen Mutter und mir in dem nämlichen Hause und Stocke wohnte. Den ersten Stock bewohnte mein Onkel mit seiner Frau (gestorben am 27. Jänner 1845, Schwester meiner Mutter) mit seiner zahlreichen Familie. Für Schubert wäre im ersten Stock gar kein Platz gewesen“.25) Stadler betätigte sich auch als Dichter. So schrieb er das Libretto des Singspiels „Fernando“ und gelegentlich Gedichte. Das nachstehende Festgedicht, das er für Vogls Geburtstag verfaßte und das von Schubert vertont wurde, gelangte bei Koller zur Aufführung : „Sänger, der von Herzen singet Und das Wort zum Herzen bringet, Bei den Tönen deiner Lieder Fällt’s wie sanfter Regen nieder, Den der Herr vom Himmel schickt, Und die dürre Flur erquickt“. „Diese Berge sah’n dich blühen, Hier begann dein Herz zu glühen, Für die Künstlerhöh’n zu schlagen, Die der Wahrheit Krone tragen ; Der Natur hast du entwandt, Was die Kunst noch nicht verstand“. „Da saht ihr Oresten scheiden, Jakob mit der Last der Leiden, Saht des Arztes Hoffnung tragen, Menschlichkeit am Wasserwagen, Saht wie man sich Linen sucht, Bräute holt aus Bergesschlucht“. „In der Weihe deiner Würde Stehst du, aller Sänger Zierde, Auf Thaliens Tempelstufen 2“) Deutsch, Schubert, Erinnerungen, S. 129 f. 25) Deutsch, Schubert, Erinnerungen, S. 131. 14

Hörst um dich des Beifalls Rufen ; Doch ein Kranz, ein Sinngedicht Ist der Lohn des Künstlers nicht“. „Wenn dich einst in greisen Tagen Deines Lebens Mühen plagen, Willst du nicht zur Heimat wandern ? Laß die Helden einem Andern, Nur von Agamemnons Sohn Trag die treue Brust davon“. „Gott bewahr' dein teures Leben Heiter, spiegelklar und eben, Wie das Tönen deiner Kehle Tief heraus aus voller Seele ; Schweigt dann einst des Sängers Wort Tönet doch die Seele fort“.26) Vogl und Schubert besuchten in Linz Josef v. Spaun und andere Bekannte. Schubert richtete an Mayrhofer folgendes Schreiben : „Lieber Mayrhofer! Linz, den 19. August 1819. Wenn es dir so gut geht wie mir, so bist du recht gesund. Ich befinde mich gegenwärtig in Linz, war bei den Spauns, traf Kenner. Kreil und Forstmayer, lernte Spauns Mutter kennen und den Ottenwald, dem ich sein von mir componirtes Wiegenlied sang. In Steyr hab ich mich und werd’ mich noch sehr gut unterhalten. Die Gegend ist himmlisch, auch bey Linz ist es sehr schön. Wir, d. h. Vogl und ich, werden nächster Tage nach Salzburg reisen. Wie freu’ ich mich nach . . . Den Überbringer dieses Briefes, einen Studenten von Kremsmünster, Namens Kahl, welcher durch Wien nach Idria zu seinen Eltern reist, empfehle ich dir sehr, und bitte dich, ihm durch die Tage, die er hier zubringt, mein Bett zu überlassen. Oberhaupt wünsche ich, daß du dich seiner freundschaftlich annimmst, denn er ist ein sehr braver, lieber Mensch. Die Frau v. S.(ansouci) lasse ich herzlich grüßen. — Hast du schon was gemacht ? Ich will's hoffen. — Vogl’s Geburtsfest feyerten wir mit einer von Stadler gedichteten und von mir componirten Cantate, die recht gut ausfiel. Jetzt lebe wohl bis auf den halben September. Hr. v. Vogl läßt dich Dein grüßen Freund Grüße mir den Spaun Franz Schubert“.27) Die Künstler, die nach ihrer Rückkehr aus Salzburg noch einige Zeit in Steyr verbrachten, vermerkten am 14. September 1819 im Stammbuch der Katharina Stadler, der Schwester ihres Steyrer Freundes : „Genieße stets der Gegenwart mit Klugheit, so wird Dir die Vergangenheit eine schöne Erinnerung und die Zukunft kein Schreckbild sein. Franz Schubert“. 26) Liess, J. M. Vogl, S. 77 f. 27) Deutsch, Schubert, Dokumente, S. 84 f. 15

„In der Freunde Herzen leben, Was kann’s hiernieden Schön’res geben? J. M. Vogl“ ,23) Zum Namensfeste des Kaufmannes Josef von Koller schrieb Stadler für dessen Tochter Josefine folgendes Gedicht, das über seinen Wunsch Schubert vertonte und das am 19. März 1820 Fräulein Koller, am Klavier vom Dichter begleitet, „gefühlvoll“ zum Vortrag brachte : „Vater, schenk’ mir diese Stunde, hör’ ein Lied aus meinem Munde ! Dir verdank' ich das Gelingen, meine Wünsche heut’ zu singen, denn du hast mit güt’ger Hand mir den Weg dazu gebahnt. 0, laß diese Hand mich küssen ! Sieh’ des Dankes Thräne fließen ! Denn sie hat mir mehr gegeben als Gesang : ein schönes Leben ; und mit kindlich frohem Blick denk ich an des Lebens Glück. Himmel, sende deinen Segen dem verehrten Mann entgegen ! Strahle ihm, des Glückes Sonne ! Schäum’ ihm über, Kelch der Wonne, und von Blumen, voll der Pracht sei ein Kranz ihm dargebracht. Diesen Kranz in deinen Haaren möge Gott uns stets bewahren, und ich fleh ’s mit nassen Blicken : noch ein zweiter soll dich schmücken, blau und golden, denn hier spricht jeder Mund : Vergißmeinnicht !“28 9 30) In diesem Jahre schrieb Schubert auf das Notenblatt des „Morgenliedes“ : „NB. Der Sängerin P. (Pepi v. Koller) und dem Ciavierspieler St. (Albert Stadler) empfehl’ ich dieses Lied ganz besonders ! ! !“3C) Bekanntlich nannte Schubert Josefine von Koller in seinen Briefen kurz „Pepi“. Mit der Pflege der Kammermusik in seiner Heimatstadt Steyr war Stadler damals keineswegs zufrieden. In der Wiener „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ vom 18. Juli 1821 bemerkt er : „Der Kammergesang hat durch den Abgang mehrerer schätzbarer Personen sehr gelitten, und, außer in einem Privathause, wo Franz Schuberts junge, schöne Muse heimisch ist, kann dermalen wenig oder nichts geleistet werden. Doch freut sich Steyr, die Wiege des gefeierten Sängers Michael Vogl zu sein, der in der Vaterstadt Ennsdorf in einem kleinen 28) Rutz, Franz Schubert, S. 100. 29) Deutsch, Schubert, Erinnerungen, S. 127. — Deutsch, Schubert, Dokumente, S. 89. 30) Deutsch, Schubert, Dokumente, S. 99. 16

Hause geboren, als Kind auch den ersten Musik-Unterricht in Steyr empfing, und jetzt noch in seiner Meisterschaft nicht unterläßt, die liebe Heimat und in Ihr seine Freunde und Verehrer öfters wiederzusehen“ ,31) In einem Brief an Spaun teilte Schubert schon im Dezember 1822 mit, daß er mit Vogl wieder eine Reise nach Steyr plane, im Sommer 1823 traf das Künstlerpaar in der Eisenstadt ein. Für den Liederkönig, der wahrscheinlich auch diesmal wieder bei Schellmann wohnte, be deuteten dieser Aufenthalt und die Liederabende bei Linzer Freunden nach schwerer Krankheit und mancherlei Enttäuschungen Ablenkung und Erholung. In einem Brief an seinen Freund Schober offenbart sich seine gedrückte Gemütsverfassung : „Lieber Schober! Steyr, den 14. August 1823 Obwohl ich etwas spät schreibe, so hoffe ich doch, dß Dich dieß Schreiben noch in Wien trifft. Ich correspondire fleißig mit Schaffer u. befinde mich ziemlich wohl. Ob ich je wieder ganz gesund werde, bezweifle ich fast. Ich lebe hier in jeder Hinsicht sehr einfach, gehe fleißig spazieren, schreibe viel an meiner Oper u. lese Walter Scott. Mit Vogl komme ich recht gut aus. Wir waren miteinander in Linz, wo er recht viel u. recht schön sang. Bruchmann, Sturm und Steinsberg besuchten uns vor einigen Tagen in Steyr und wurden ebenfalls mit einer vollen Ladung Lieder entlassen. Da ich Dich schwerlich vor Deiner Rückreise noch sehen werde, so wünsche ich Dir nochmals alles Gute zu Deinem Unternehmen, u. versichere Dich meiner ewig währenden Liebe, die Dich auf das schmerzlichste vermissen wird. Laß, wo Du auch seyst, von Zeit zu Zeit etwas von Dir hören iS23 yber stlüe Sommer Deinem Freunde Kupelwieser, Schwind, Mohn etc. etc. an die auch geschrieben ist grüße ich alle herzlich Franz Schubert Meine Adresse : Stadt Steyer, abzugeben am Platz bey H. v. Vogl“ ,32) 31) Deutsch, Schubert, Dokumente, S. 133. 32) Deutsch, Schubert, Dokumente, S. 197. 17

Im August widmete Schubert Fräulein Seraphine Schellmann eine Ekossaise und schrieb dazu : „Flüpfen Sie mit diesem Eccossaise Froh durch jedes Ach und Weh ! Franz Schubert“33) So war denn dieser Sommer stiller als vor vier Jahren. Mitte September kehrten die Künstler nach Wien zurück. iS25 „Wandernde fearden" Der dritte Aufenthalt Schubert in Steyr vom 29. Mai bis Ende September 1825 war vorerst aufgelockert durch Ausflüge mit Vogl nach Gmunden, Linz, Steyregg, St. Florian und Kremsmünster. Flierüber berichtete der Komponist u. a. am 25. Juli an Vater und Stiefmutter : „Theuerste Eltern ! Den 25. (28. ?) Juli 1825, Steyr ..... Ich bin jetzt wieder in Steyr, war aber 6 Wochen in Gmunden, dessen Umgebungen wahrhaftig himmlisch sind, und mich, so wie ihre Einwohner, besonders der gute Traweger innig rührten, und mir sehr wohl thaten . . . . ln Oberösterreich finde ich allenthalben meine Compositionen, besonders in den Klöstern Florian und Kremsmünster, wo ich mit Beihülfe eines braven Clavierspielers meine 4händigen Variationen und Märsche mit günstigem Erfolge producierte. Besonders gefielen die Variationen aus meiner neuen Sonate zu 2 Fländen, die ich allein und nicht ohne Glück vortrug, indem mich einige versicherten, daß die Tasten unter meinen Händen zu singenden Stimmen würden, welches, wenn es wahr ist, mich sehr freut, weil ich das vermaledeyte Hacken, welches auch ausgezeichneten Clavierspielern eigen ist, nicht ausstehen kann, indem es weder das Ohr noch das Gemüth ergötzt. Ich befinde mich gegenwärtig wieder in Steyr, und wenn Sie mich bald mit einem Schreiben beglücken wollen, so wird es mich noch hier treffen, indem wir nur 10 bis 14 Tage verweilen, und dann die Reise nach Gastein antreten, einer der berühmtesten Badeörter ungefähr 3 Tage von Steyer entfernt. Auf diese Reise freue ich mich außerordentlich, indem ich dadurch die schönsten Gegenden kennen lerne, und wir auf der Rückreise das wegen seiner herrlichen Lage und Umgebungen berühmte Salzburg besuchen werden . . .“34) 33) Deutsch, Schubert, Dokumente, S. 198. 34j Deutsch, Schubert, Dokumente, S. 298 f. 18

Ober die Anwesenheit des Künstlerpaares in diesem Sommer berichtet Albert Stadler : „Somit unterliegt es keinem weiteren Zweifel, daß Schubert anno 1825, und zwar, wie ich recht gut weiß, zugleich mit Vogl bei Paumgartner gewohnt hat. Vogl bewohnte den Musiksalon im zweiten Stock und Schubert ein anderes nahe gelegenes Zimmer. Es kann wohl als sicher angenommen werden, daß sie auch bei ihrem wiederholten Erscheinen in Steyr im gedachten Jahre jedesmal bei Paumgartner logierten“.35) Schubert war auch zu Gast bei dem Kreishauptmann Johann Ritter von Dornfeld, dessen Tochter Friederike er in seinen Briefen mit „Frizzi“ bezeichnet. Im August traten Schubert und Vogl die Reise nach Salzburg und Gastein an. Am 28. September trafen sie, über Gmunden kommend, wieder in Steyr ein. Hier vollendete Schubert am 21. September eine in der Traunseestadt begonnene Schilderung der Salzburger Reise für seinen Bruder Ferdinand. Ende September nahm Vogl Abschied von Schubert. Mit Christian Graf von Haugwitz begab er sich nach Italien, Schubert kehrte über Linz nach Wien zurück. „Wandernden Barden gleich“, sagte Kreißle von Hellbronn, „zogen die beiden Künstler mit dem Beginn der Sommerzeit durch die blühenden Gaue des schönen Landes, um bald in stattlichen Klöstern, bald in Städten und Städtchen die schon berühmt gewordenen Weisen erklingen zu lassen“.36) 35) Deutsch, Schubert, Erinnerungen, S. 131. 36) Liess, J. M. Vogl, S. 82. 19

Außklantf - Urinneruntfen Noch zu Lebzeiten Schuberts, im Jahre 1826, vermählte sich der pem sionierte Hofoperist Vogl mit Kunigunde Rosa.37) In seine Heimatstadt, in der er stets ein willkommener Gast war, kam er nun nicht mehr so häufig wie früher, über ihn schreibt Magistratsrat Ignaz Schroff (1774 — 1851) in seinen Steyrer Annalen : „Er war ein wissenschaftlicher Mann, braver Musiker, und man hörte ihn sehr gerne, wenn er in den Ferien, die er gewöhnlich hier selbst als Schauspieler noch zugebracht, sowohl in der Kirche als in Gesellschaft gesungen hat. Den Compositeur Schubert hat beynahe er gebildet“.38 39) Am Geburtshaus des ersten Schubertsängers, Haratzmüllerstraße Nr. 32, ließ am 7. Juni 1914 der Männergesangverein „Kränzchen“ eine Gedenktafel anbringen. Die Stadt Steyr benannte nach Vogl eine Straße im Stadtbezirk Ennsleite und stiftete im Schubertjahr 1928 die Michael-Vogl-Plakette. Acht Jahre nach dem Heimgang des berühmten Komponisten stürzte sich der schwermütige Dichter Johann Mayrhofer im Februar 1836 aus einem im 3. Stockwerk befindlichen Fenster des Bücherrevisionsamtes am Laurenzerberg in Wien und starb nach eineinhalb Tagen.37) Sylvester Paumgartner, „seit 1836 wegen 50 jähriger Dienstleistung von Sr. k. k. Majestät mit der großen, goldenen Medaille geschmückt“,40) veranstaltete noch als Vierundsiebzigjähriger am 6. Jänner 1838 in Steyr eine musikalische Akademie zur Finanzierung des Mozart-Denkmals in Salzburg. Als am 27. und 28. September 1890 der Männergesangverein „Steyrer Liedertafel“ das vierzigjährige Bestandsjubiläum feierte, wurde am Paumgartner-Hause (heute im Besitze der Firma K. Treber) ein von Viktor Tilgner geschaffenes Marmorrelief Schuberts enthüllt. Es trägt die Inschrift : „Dem Liederfürsten Franz Schubert zur Erinnerung an seinen Aufenthalt 1825 —- 1827. Die Steyrer Liedertafel anläßlich ihres 40 jähr. Gründungsfestes 1890“.41) Hiezu ist zu bemerken, daß Schubert im Jahre 1827 nicht in Steyr anwesend war. Eine Straße im Stadtviertel Ennsleite trägt den Namen des Liederfürsten. 37) Deutsch, Dokumente, S. 364. 38) Stadtarchiv Steyr, I. Schroff, Hs. Annalen, Bd. 5, S. 106. 39j Deutsch, Schubert, Dokumente, S. 609. — C. H. Watzinger, Der Dichter Johann Mayrhofer. OberdonauZeitung v. 25. 1. 1944. 40) Pritz, Steyr, S. 37. 41) Steyrer Geschäftskalender 1892, S. 102' f. 20

Albert Stadler, dem wir auch wertvolle Abschriften von SchubertLiedern verdanken, war ab 1821 als Landesregierungsbeamter in Linz, 1848 und 1849 als k. k. amtierender 1. Kreiskommissär in Steyr und dann als Statthaltereirat in Salzburg tätig. Als niederösterreichischer Regierungsrat trat er 1876 in den Ruhestand.42) Von der Schubertzeit in der Eisenstadt erzählte noch um die Jahrhundertwende mit Vorliebe, — und sicherlich übertrieben — Karoline Eberstaller (1812 — 1901). Sie war nicht, wie man manchmal lesen kann, die Tochter eines französischen Generals, sondern laut Taufbuch der Stadtpfarre Steyr das Kind des bürgerlichen Handelsmannes Johann Eberstaller und der Katharina, geb. Wurm. Ihre Taufpatin, die Gemahlin des Eisenhändlers Josef von Koller, war es jedenfalls, die dem Mädchen gelegentlich den Zutritt zu den Schubertiaden ermöglichte.43) — Nicht nur Inschriften und Straßennamen, auch die Darbietungen der unvergänglichen Werke des Meisters durch Steyrer Musik- und Gesangvereine lassen Schuberts Aufenthalt in der Eisenstadt nicht vergessen. 42) Deutsch, Schubert, Dokumente, S. 54, 612. — Stadtarchiv Steyr, Fasz. 278, Kasten VII, Fach 2. 43j K. Eberstaller wurde am 2. März 1812 geboren. Stadtpfarramt Steyr, Taufbuch, Bd. 9, S. 134. — Der Schubert-Biograph O. E. Deutsch hat Aufsätze über Karoline Eberstaller, da „zu journalistisch oder novellistisch“, nicht in sein Quellenbuch „Schubert. Die Erinnerungen seiner Freunde" aufgenommen. 21

Franz Schubert im 16. Lebensjahr Druck nach Kreidezeichnung von Leopold Kupelwieser Bildarchiv der österr. Nationalbibliothek 1

Al'.tM Der Stadtplatz in der Biedermeierzeit Bleistiftzeichnung von Reitter Bildarchiv Magistrat Steyr Aufnahme: I. Wenig 2

Johann Michael Vogl Heimathaus Steyr Landesbildstelle für Oberösterreich 3

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Gedenktafel am Geburtshaus Vogls Haratzmüllerstraße Nr. 32 Bildarchiv Magistrat Steyr Aufnahme: I. Wenig

Vogls Geburtshaus (18. Jahrhundert) st Bildarchiv Magistrat Steyr Aufnahme: I. Wenig 5

„Schellmann - Haus“ Stadtplatz Nr. 34 „ln dem Hause, wo ich wohne, befinden sich 8 Mädchen, beynahe alle hübsch“ (F. Schubert, 13. Juli 1819) Bildarchiv Magistrat Steyr Aufnahme: I. Wenig 6

Ekossaise Stammbuchblatt für Seraphine Schellmann Bildarchiv der österr. Nationalbibliothek 7

Johann Mayrhofer Bildarchiv der Usterr. Nationalbibliothek 8

„Paumgartner - Haus“ Stadtplatz Nr. 16 .Somit unterliegt es keinem weiteren Zweifel, daß Schubert anno 1825, und zwar, wie ich recht gut weiß, zugleich mit Vogl bei Paumgartner gewohnt hat“ (A. Stadler) Bildarchiv Magistrat Steyr Aufnahme: I. Wenig 9

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Eisenverkaufsliste der k. k, Hauptgewerkschaft (Detail) Unterschrift des Vicefaktors Sylvester Paumgartner Xerographie Stadtarchiv Steyr 10

Forellen - Quintett Titelseite Aufnahme Mehwald

„Koller - Haus“ Stadtplatz Nr. 11 „Im Hause des Kaufmannes Josef von Koller wurde der Muse nur alla camera gehuldigt“ (A. Stadler) Bildarchiv Magistrat Steyr Aufnahme: I. Wenig

Michael - Vogl - Plakette der Stadt Steyr Bildarchiv Magistrat Steyr Aufnahme: I. Wenig 13

Noch heute wird im „Salon“ Paumgartners musiziert Haus Stadtplatz Nr. 16, 2. Stock Aufnahme Hartlauer 14

Alle Rechte Vorbehalten Herausgegeben vom Magistrat der Stadt Steyr Eigentümer, Herausgeber und Verlag : Stadtgemeinde Steyr Für den Inhalt verantwortlich : Dr. Volker Lutz Prietzel-Druck Steyr

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