Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 29, Oktober 1969

Geldverkehr gezogen und gleichzeitig verboten. Ein Kaiserliches und ein bayerisches Patent regelten zu Pfingsten >622 erneut die Geldverhältnisse durch die Bestimmung, daß eine Abwertung auf den vierten Teil erfolgen solle. Mit Perbst (622 schien die Sanierung nach außenbin völlig durchgeführt zu sein: „In dissem Jahr hat man widrumben guetes gelt gemünzt, zu Salzpurg Reichthaller, halb Pazen, Kreuzer und Jmayer, sowohl auch zu Insprugg und MUnichen. Zu Innsprugg Zehner, wie auch zu GraJ und Zu IDicnn gar vill gröschen von perzog Leopold. So ist das lange gelt in den Mllnzbenkhen alles austgewechselt worden." Ein abgerundetes Bild von der tatsächlichen Wirtschaftssituation kann jedoch erst durch die gleichzeitige Betrachtung der Entwicklung aus dem Lebensmittelsektor erreicht werden. Der Preisanstieg der Lebensmittel ist von Pfingsten (6(1 bis Mai 1021 merklich höher als die Inflation. Die Zeit von Mai l62l bis August 16 2 ( bringt eine Wende in dieser Entwicklung und damit eine momentane, relative Verbilligung der Lebensmittelpreise. Zwischen August u>2i und Jänner u>22 scheint sich die Lage auf dein Geldsektor nocheinmal geringfügig beruhigt zu haben, während die folgende Periode von Jänner bis April >622 den absoluten Pöhepunkt in Preisentwicklung und Geldentwertung mit sich brachte. Die Kulminationspunkte der Lebensmittelpreife liegen bei den Fleischpreisen (mit 400 %) im April (622 sehr stark, bei den Getreidepreisen im Dezember t622 (mit 42 %) mäßig und bei den Weinpreisen im März t620 (mit 402 %) am höchsten über dem Faktor der Geldentwicklung. Das Ende der Phase des „Langen Geldes" zeigt eine typische Situation, die nach jeder Inflation eintritt: während der Wert des Geldes seine Ausgangsposition erreicht hat und somit in ein Stadium der Stabilisierung eingetreten ist, bleiben die Preise der Nahrungsmittel weiterhin — im vergleich zum Ausgangspunkt — mit >40 % (Getreide), >oo % (Fleisch) und 60 % (Wein) stark überhöht, während das Lohnniveau nur sehr geringfügig um durchschnittlich 25 % angehoben wurde. Aus den Angaben der zeitgenössischen Geschichtsschreibung läßt sich, wie die oben gebrachte Darstellung beweist, sehr leicht ein Bild entwerfen, das heutigen Vorstellungen von wirtschaftlichen Vorgängen sehr klar entspricht. Zum Abschluß soll jedoch auch das menschliche Elend zur Sprache kommen, das als Folge verschiedenster ungünstiger Konstellationen, die einstmals reiche Eisenstadt heim- suebte. Sehr eindringlich schildert uns der Färbermeister Zell in seiner Ehronik die traurige Lage der Steyrer : „Eß ist ein so Muehsamb Theurc Zeit gewesen, daß asftermahls Morgens Fruehe bei hundert persohnen vor einem Brodt Laden gestanden und aus Broth gewartet haben." Die Lebensmittelknappheit griff immer mehr um sich, sodaß nicht nur in Steyr, sondern auch „in Linz und anderswo in Österreich kaum das Nötigste zu bekommen war" ; nicht einmal auf dem berühmten Bartholomäusmarkt in Linz wurde Brot verkauft, von anderen Dingen war überhaupt nicht zu reden. Bekannt ist auch der Bericht Jetls über die Weihnachtszeit h>22, der zeigt, daß gerade die Sanierung des Geldes, die selbstverständlich nicht eine sofortige Preissenkung der Lebensmittel zur Folge hatte, sich äußerst katastrophal auswirkte : „auf dieses angeschlagene Patent aber wurde die Noth noch größer, dan der Mezen Khorn siige auf 24 fl und wardarzue nicht zu bekhommen, sowohl auch daß Fleisch ; wer nicht Reichstaller hatte, der bekhombe kein Fleisch. Eß ist kein ainicher Fleischhakker herein in die Statt gefahren, sondern es seindt die Leuth selber auf Sierning, in die Rämbing, in den Stain- bach, auf die Straß uud auf Ternberg gangen und haben das Fleisch geholt, eß 79

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