Einige Tage später begab sich unter Führung Kahligs eine Abordnung von Gemeinderäten zuin damaligen Staatskanzler und späteren Präsidenten der Republik, Pr. Karl Renner, um „über die Zukunst der Stadt und das Schicksal der hart bedrängten Steyrwerke" einen Gedankenaustausch zu pflegen. Der Staatskanzler versicherte, daß die Staatsregierung alles Mögliche unternehmen werde, um „die Eisensiadt vor dein verfall zu retten". Als die Abordnung auf die prekäre Ernährungslage hinwies, oerfpracb Staatssekretär Dr. Schärf sofortige Maßnahmen einzuleiten, um dem schwergeprüften Stadtteile zu helfen. Staatssekretär für Inneres, pmmer, war der Ansicht, daß „die Probleme der Stadt im wesentlichen" von den Gerneindesunktionären selbst gelöst werden müßten. Er gab sein Einverständnis zur vorläufigen Errichtung einer Gemeindepolizei, der auch die Aufgaben der Gendarmerie zu übertragen waren, bis dieser Sicherheitskörper reorganisiert und eine Bezirkshauptmannschaft errichtet wäre. Über Aufforderung hatten sich die in diesem Stadtteil wohnenden Beamten und öffentlichen Angestellten zu melden. Mit ihnen und den Funktionären wurde eine Reihe notwendiger Behörden errichtet : ein Gemeindepolizeiamt, ein Wohnungsamt, ein Fürsorgeamt und ein Arbeitsamt ©ft, das seine Tätigkeit schon im Mai ausgenommen hatte. Mit der Errichtung eines Kreis- und Bezirksgerichtes wurde Dr. Karl Enzelmüller betraut, der auch ehrenhalber die Leitung des Innendienstes im neu errichteten Magistrat Steyr-©st übernahm. Am 25. Juli wurden in Münichholz zwei Kindergärten eröffnet. Um die vorn Magistrat entlohnten Beschäftigten bezahlen zu können, fehlte Geld. Die Herren Franz Praber und Hans Strauß übernahmen die schwierige Ausgabe, in dunkler Nacht über die Enns zu schwimmen und eine Verbindung mit den Funktionären in Steyr-West herzustellen. „Sie bekamen Geld und durchschwammen noch einmal den Fluß, schlichen sich durch die Postenkette (der Besatzungsmacht) und Steyr-©st hatte wieder für eine Zeit lang Geld", wird berichtet. Steyr-©ft, das, wie die andere Stadthälfte, bisher verwaltungsmäßig zu ©bcr= Österreich gehörte, unterstand nun in Belangen der Verwaltung der niederösterreichischen Landesregierung. Da außer diesem Stadtteil auch der Bezirk Steyr-Land von der zuständigen Bezirkshauptmannschast abgetrennt war, mußte auch hier eine Lösung gefunden werden. Im Einvernehmen mit der Landeshauptmannschaft Nie- derösterrsich wurde, vorbehaltlich der Zustimmung der Staatsregierung, ein Übereinkommen geschlossen, wonach die vorerwähnten abgetrennten Teile als selbständige Hauptmannschaft dem Lande Niederösterreich angegliedert wurden. Die neue Stadtverwaltung fand sich anfangs zunächst vor der fast unlösbar scheinenden Aufgabe, die Versorgung der Bevölkerung und der vielen tausend Flüchtlinge aus Kampfgebieten mit den notwendigsten Nahrungsmitteln zu sichern. In Stadtnähe waren etliche Waggons Hafer vorhanden, die vorerst herangebracht, dann vermahlen und zu Brot gebacken wurden. Einige zurückgebliebene Wehrmachtspserde dienten der ersten Fleischversorgung. Ein eigenes Holzkommando war beschäftigt, für die wenigen vorhandenen Lastkraftwagen mit eingebauten Holzvergasern, Holz zu schneiden und zu hacken. Mit diesen Fahrzeugen wurde nun von den Bauernhöfen der umliegenden Landgemeinden Milch und andere Lebensmittel herangeschafft. Einige dieser Gemeinden wurden durch die niederösterreichische Landeshauptmannschaft verpflichtet, ihre Erzeugungsüberschüsse an landwirtschaftlichen Produkten ausschließlich dem neugeschaffenen Bezirke zur Verfügung zu stellen.
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