Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 28, Dezember 1967

einem eventuellen Kampf um Steyr betrachtet; Steyrer Volkssturmeinheiten wurden zur Verteidigung dorthin dirigiert. Als eine Einheit des Volkssturmes in südwestlicher Richtung aus Pichlern an der Steyr marschierte, wurde sie von den bereits anrückenden Amerikanern in Empfang genommen, entwaffnet und nachhause geschickt. Schon am 5. Mai um tu Uhr vormittags rollten aus westlicher Richtung kommend, gepanzerte Schützenwagen und Panzer der 2. amerikanischen Armoured Division aus der Bundesstraße am Landeskrankenhaus vorbei, in Steyr ein. Die Übergabe der Stadt an einen amerikanischen Gssizier erfolgte anschließend durch Gberbürgermeister Ransmayr in der Sierninger Straße. In den Päusern Michaelerplatz (3 und 14 errichteten die Amerikaner sofort Maschinengewehrstände, von denen aus sie die Steyrbrücke und ihre Zugangswege beherrschten, weiters beschlagnahmten sie das Efotel Minichmayr (paratzmüller- straße j) zu Unterkunftszwecken. In rascher Folge wurden die Steyrwerke und das Rathaus, als Mittelpunkt des Verwaltungslebens, besetzt. Um den Truppen (Quar* tiere zu sichern, wurden zahlreiche private und öffentliche Unterkünfte beschlagnahmt, wobei die Inhaber von Wohnungen ihr pab und Gut belassen mußten. Das Truppenkommando bezog im potel Steyrerhos (Stadtplatz 31) (Quartier, die militärischen Dienst- und Verwaltungsstellen fanden im Kreisgericht (Stadtplatz 15) Unterkunft. Als weitere Maßnahmen wurde von den Amerikanern ein vollkommenes Ausgehverbot für die Zivilbevölkerung verhängt, das bis Montag, den 7. Mai, andauerte. In der Folgezeit durste sich die Bevölkerung auf die Dauer von zwei Wochen nur innerhalb gewisser Stadtzonen, vormittags in der Zeit von 0 bis 12 Uhr und nachmittags von 2 bis 4 Uhr, auf die Straßen begeben, um die notwendigsten Besorgungen des täglichen Lebens durchführen zu können. Noch am Tage des Einmarsches der Amerikaner trafen sich Vertreter der demokratischen Parteien der Vorkriegszeit im Rathause und hielten eine Sitzung ab, um, im Einvernehmen mit einem hiezu abgeordneten amerikanischen Oberstleutnant, ein neues Stadtoberhaupt und eine Verwaltung einzusetzen, die bis 311 einer künftigen Wahl die Geschäfte führen sollte. Franz Prokesch"') wurde zum vorläufigen Bürgermeister und Ferdinand Knabl zu dessen Stellvertreter bestellt. Der bisherige Gberbürgermeister Ransmayr wurde noch am 5. Mai in seiner Wohnung sestgenommen, aus die Kühlerhaube eines amerikanischen Jeeps (Trup- pensahrzeuges) gesetzt und in den Dachboden des Efaufes Schlüsselhofgasse 5 \ 1 Schönauervilla) eingesperrt, ohne jedoch bewacht zu werden. Am folgenden Tage, dem 6. Mai, brachten amerikanische Militärpolizisten Ransmayr wieder ins Rathaus, wo er im Vorraum des Bürgermeisterzimmers bis 1 Uhr mittags warten mußte, ohne jedoch einvernommen zu werden. Schließlich wurde er vom neuen Bürgermeister Prokesch nachhause geschickt. Später wurde Ransmayr, als politischer Leiter der NSDAP, in das Gesangenenhaus Berggasse überstellt und anschließend in ein Anhaltelager für Nationalsozialisten in Glasenbach bei Salzburg gebracht. Mit den amerikanischen Truppen war eine Gruppe des Counter Intelligence Corps in Steyr eingerückt, die in der Bibliothek des Schlosses Samberg. 4) Franz Prokesch, geboren am 2. Juli 1898 in Schönau, Bezirk Krumau, Böhmen, erlernte das Zeugschmiedhandwerk und war seit September 1915 in den Steyrwerken beschäftigt. Seit 1916 gehörte er der Metallarbeitergewerkschaft an und übte in dieser verschiedene gewerkschaftliche Funktionen aus. 72

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