Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 25, Dezember 1964

Manfred Brandl Die gotische Bürgerspitalskirche in Stehr Die Baugeschichte des Spitals und der dazugehörigen Kirche, eines organisch gewachsenen Gebäudekomplexes, ist urkundlich mangelhaft belegt. Die Urkunden zu Stiftungen des 14. und 15. Jahrhunderts, die aus jener Zeit die einzige direkte Quelle für das Bürgerspital darstellen, liefern der Baugeschichte spärliche Hinweise. Preuenhuebers Annalen') und Aktenmaterial für die Zeit seit dem 16. Jahrhundert im Stadtarchiv Steyr-) sind weitere Quellen; letzteres berührt die finanzielle Seite der Stiftung. Die Lage dieses Gebäudekomplexes, den man sich aus dem Stadtbild von Steyr nicht hinwegdenken kann, darf uns zu einigen Gedanken anregen. Sehr zentral gelegen, befindet sich das Bürgerspital flußaufwärts neben der Steyrbrücke und somit unweit der Einmündung der Steyr in die Enns. Gegenüber, am anderen Ufer, auf dem Schloßberg, liegt die alte Burg und unterhalb derselben, in b~r Enge, die um 985, 1082 und etwa 1170 urkundlich erwähnte Burgsiedlung. Es ist anzunehmen, daß der Brückenkopf „Jnnersteyrdorf" kaum jünger als die Siedlung im Bereiche der Enge ist und somit das Gelände des Bürgerspitals ältesten Sicd- lungsboden im Stadtbereich darstellt. Die Sage erzählt uns von einer Römerschmiede unterhalb der Steyrbrücke,3) und wenn man auch diesen Römersagen keinen Glauben schenken darf, klingt doch darin die Erinnerung an eine uralte Stätte gewerblichen Fleißes nach. Um 1262 wird eine Mühle an derselben Stelle etwa erwähnt, die Spitalmühle.4) Wenn wir die Lage berücksichtigen, so dünkt cs wahrscheinlich, daß das Spital frühen Ursprungs ist. Auch die unzweifelhafte Bedeutung der „urbs stira" unter den steirischen Qtakaren gestattet die Annahme, daß schon früh eine karitative Einrichtung existierte. Tatsächlich bestand für arme, alte oder kranke Bürger schon im 12. Jahrhundert eine Fürsorgeanstalt, das Spitals) Eine Stiftung zu demselben durch Wezilo de Styrc wird um 1180 erwähnt; dieser schenkte ein an der Stelle des Bürgerspitals gelegenes Haus den Johannitern, die ursprünglich das Spital betreut haben sollen.«) Man darf das Steyrer Bürgcrspital zu den ältesten Stiftungen dieser Art in Österreich zählen. Nichts hilft uns, die älteste Baugeschichte zu erschließen und wir könnten bloß müßige Spekulationen anstellen. Das eigentliche Spitalsgebäude steht auf einer kleinen Anhöhe neben dem Steyrfluß, von deren Scheitel die Badgasse und das letzte Stückchen der Kirchennasse hinunterführen. Es steht steil, aber nicht nennenswert hoch über dem Fluß. Flußseitig reicht das Bauwerk tiefer in den Boden als nnrdseitig; im Keller tritt der Konglomeratgrund zutage. Die Baugruppe war und ist eingezwängt zwischen dem Fluß einerseits sowie der Kirchengasse (Spitalberg) und der Badgasse andererseits. Unzweifelhaft romanische Reste sind im Bürgerspital nicht nachweisbar. Wir haben in ganz Steyr keinen nachweislich romanischen Rest erhalten. Aber lange wurden Säulen und Gewölbe der Eingangshalle des Spitals als romanisch angesehen. Noch Riewcl beschreibt 1868 ausführlich die „romanischen Säu1) Preuenhueber, Valentin: Annales Styrenses, Nürnberg 1740. 2) Stadtarchiv Steyr, K. III, Lade 20, 21. s) Rolleder, Anton: Heimatkunde von Steyr, Steyr 1894, p. 186. 4) Rolleder a. ia. O. p.> ,183 ' 5) Ofner, Josef: Die Eisenstadt Steyr, Steyr 1956, p. 21. «) OB. Urkb. Bd. I, S. 179; Rolleder a. a. O. p, 183. 64

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