Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 25, Dezember 1964

St. Josef Ofner Kunstchronik der Stadt Stehr Architektur, Bildhauerei und Malerei (1. Fortsetzung) Die gotische Stadt Rach dem Ende der Babenbergerherrschast (1246) war die Wirtschaftslage der Stadt Steyr, in der die „Gemein der Ritter" tonangebend war, lange Zeit ungünstig. Das „Große Privileg", das Herzog Albrecht I. im Jahre 1287 der Stadt verliehen hatte, bildete zwar die rechtliche Grundlage der mittelalterlichen Stadtwirtschaft, in der der Eiseirhandel und die Eisenverarbeitung die vorherrschende Rolle spielten, doch stellte sich ein spürbarer Wohlstand erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ein. Zu Beginn des Jahrhunderts hatte die Stadt die schwere Brandkatastrophe des Jahres 1302 zu überwinden, im vierten Jahrzehnt störten Handel und Wandel allerlei Heimsuchungen wie Erdbeben, Heuschreckenplage, Pest und Hungersnot. Erst die nach 1350 der Stadt erteilten Handelsprivilegien deuten den wirtschaftlichen Aufstieg an, der um die Mitte des 15. Jahrhunderts seinen Höhepunkt erreichte. Aber schon in den nächsten Jahrzehnten begann diese Blütezeit abzuklingen. Inflation und Kriegsereignisse zehrten an dem Reichtum der Stadtbewohner bis in die Zeit der Glaubensspaltung, in der wieder eine zunehmende Prosperität einsetzte. Soweit in groben Umrissen die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Steyr in den drei Jahrhunderten nach 1250. In kultureller Hinsicht sind es die Jahrhunderte der Gotik. Diese Hochkultur, und zwar nicht allein als Kunstrichtung, setzte nach A. Lhotsky „in unserem Lande um die Mitte des 13. Jahrhunderts ein, erreichte in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ihr letztes, noch das ganze 15. Jahrhundert erfüllendes Stadium, um dann im 16. Jahrhundert unmerklich in neue Entwicklungen überzugehen"4) In diesem Zeitraum ließ in Steyr, vorausgesetzt, daß es die wirtschaftlichen Verhältnisse erlaubten, eine gut situierte, durch enge Beziehungen zu deutschen und italienischen Städten für die Kunst aufgeschlossene Bürgerschaft neben profanen Gebäuden auch sakrale Großbauten aufführen. Steyr wurde Mittelpunkt gotischer Bauweise für weite Gebiete Ober- und Niederösterreichs. Sind in unserer Stadt aus der romanischen Kunstepoche keine nennenswerten Denkmäler erhalten geblieben, so ist dafür der Bestand an Bauwerken aus der Zeit der Gotik umso reicher und mannigfaltiger. Leider finden sich über die mittelalterliche Bautätigkeit in der Eisenstadt, die 1252 als civitas bezeichnet wird, bis zum Jahre 1443 (Beginn des Baues der jetzigen Stadtpfarrkirche) nur spärliche historische Hinweise, auch in den folgenden Jahrzehnten sind die Quellen zur Kunst- und Baugeschichte nicht sehr ergiebig. So sind uns bis um die Mitte des 15. Jahrhunderts die Namen der Baumeister und Steinmetzen, die in Steyr i) A. Lhotsky, Gotik in Niederösterreich. Ausstellungskatalog „Die Gotik in Niederösterreich", 2. Auflage (1959), S. 8. 42

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