Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 25, Dezember 1964

lagernde Pulver bestellt. Um die notwendigen ersten Ausgaben für Verteidigungszwecke bestreiten zu können, beschloß der Rai, 600 Gulden Mündelgelder der Zieg- lerischen Waisen in Anspruch zu nehmen. Schon anfangs Juli 1683 war eine Anzahl von Bürgern mit ihren Familien aus Steyr geflohen. Der stellvertretende Bürgermeister sah sich daher in einer Ratssitzung veranlaßt, dem Rate die Frage, ob man überhaupt jemand aus der Stadt sich entfernen lassen solle, zu stellen. Als bei einer weiteren Sitzung überlegt wurde, ob man die Flüchtlinge bei ihrer Rückkehr wieder in die Stadt einlassen solle, entschieden die Räte, daß „iedweder nach Belieben an Vnnd aufgenomen" wcrde.s«) Auch die Nonnen nahmen am 4. August „öffentlich Urlaub" und empfahlen ihr Kloster der Obsorge der (Stabt.56 7) Uber Weisung der Landstände vom 15. Juli sollten vom Magistrat auch für die Landesverteidigung 100 Mann „verschafft" werden. Diese sollten für die Verpflegung täglich 8 Kreuzer vom Lande erhalten. Am Tage nach seiner Rückkehr aus Wien berief Bürgermeister Schinnerer eine Ratssitzung ein und machte den Vorschlag, alle „ledigen Bursche" Steyrs zu laden. Man sollte ihnen mitteilen, wenn sie sich zur Verteidigung wie auch zum Schanzen gebrauchen ließen und den Treueid ablegten, würden sie „unter die Bur- gerschafst gestossen" und um 8 Kreuzer täglich verpflegt toerben.58) Unter Leitung des Bürgermeisters wurden nun, zusammen mit der Herrschast Steyr, verschiedene Verteidigungsmaßnahmen getroffen. Für die Sperre der Tore an der Enns wurden spanische Reiter und Schrankbäume bestellt, weiters Geschütze und Doppelhacken in Stellung gebracht. Auf der Ennsleite wurde ein Blockhaus errichtet und ein Verbindungsgraben nach Ennsdorf gezogen. Vor den Graben wurden Pallisaden gesetzt, um feindliche Reiter, die nur mit Säbel und Lanze bewaffnet waren, abzuhalten. Vom Schlüsselhof bis in die Nähe Kronsdorss und vor die Fischhub wurden Schanzen auf- getoorfen.59 60) Den Arbeitern an den Schanzen wurden täglich 10 Kreuzer bezahlt, die an den Toren Wache haltenden sieben Soldaten erhielten von der Stadt im Tage zusätzlich um 1 Kreuzer Brot und 1 Maß Bier, überdies einmalig einen Stock Salz. In der Stadt wurde das Pfund Rindfleisch in dieser Zeit um 3 Kreuzer verkauft. Im Rahmen der Verteidigungsvorbereitungen wurden den Mitgliedern des Rates verschiedene Aufgaben zugewiesen. Samuel Orthner und Wolfgang Furth- müllner hatten auf das „grobe Geschütz" und die Bedienungsmannschaft zu achten, die Wachen beaufsichtigten Johann Reichardt Höger und Georg Ulrich Schäffler. Für die „Proviantvorsehung" wurden Ludwig Reiffel und N. Schrodtmüllner bestellt. Schanzzeug, Pulver, Blei und Lunten verwalteten Albrecht Kleinhanß und N. Wienzner.") 56) RP 1683, 108. 57) RP 1683, 115. ss) RP 1683, 109. _ 59) LV 1, 307. 308.— Pritz behauptet, daß der Hof- und Gerichtsadvokat Dr. Wenzel Gall aus Wien, ein in der Kriegsbaukunst erfahrenelr Mann, bie vorhandenen Schanzen als ungeeignet ansah und einen neuen Plan zur Verteidigung der Stadtzugänge und des Ennsufers entwarf (LV 1, 307). Bei diesem Dr. Gall scheint es sich jedoch um den in den Ratsprotokollen erwähnten Dr. Wenceslas Ozenasseckh zu handeln, dem der Rat für seine Bemühungen „beim hiesigen fortifieations werckh" dreißig Reichstaler bewilligte (RP 1684, 94; RP 1685, 161). 60) RP 1683, 111; RP 1686, 76: DieVillacher Händler Bartholomä Seitlingers Erben und Hagenprunner hatten beim Kaufmann Andree Paumbgartner in Steyr 300 Zentner bambergisches Blei lagern. Der Magistrat erwarb dieses gegen eine „Schadloß Verschreibung" zum Kugelgießen. Am 5. Mai 1686 teilten die Villacher Kaufleute dem Magistrate mit, daß dieses Blei durch die kaiserliche Hoskammer bezahlt wurde. 30

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