abgegebenen Stimmen erstmalig zum Bürgermeister Steyrs erkoren. Im folgenden Jahre, am 17. Dezember 1618, konnte er bei der Wahl für das Jahr 1619 neuerlich von 14 abgegebenen Stimmen 8 für sich buchen. Von 1620 bis 1624 wurden keine Ratswahlen abgchalten. In diesem Zeitabschnitte verblieben die im letzten Wahljahre bestellten Räte, und somit auch der Bürgermeister, im Amte. In einem der kritischen Abschnitte der Stadtgeschichte wurde Joachim Händl an die Spitze der Stadt gestellt. Die Gegensätze zwischen Katholiken und Protestanten trieben einer Lösung zu. Steyr mit seiner lutherisch gesinnten Bevölkerung schloß sich weitgehend der ständischen Politik an. Diese wieder wurde seit 1617 vom Landmann Georg Erasmus Tschernembl, als Vcrordneten des Herrenstandcs beeinflußt, der - das Land in den Jahren 1617 bis 1620 „an die Seite der aufständischen Böhmen" führte?) Joachim Händl war ein getreuer Bekenner der evangelischen Lehre und seine Handlungen sind von dieser Perspektive aus zu betrachten. Schon 1617 kam es zwischen dem Abte Anton von Garsten und ihm, dem städtischen Kirchenvcrwal- ter, wegen Abhaltung des katholischen Gottesdienstes in der Spitalskirche zu Differenzen. Der Abt reichte deshalb beim Magistrate eine „Gewallt Clag" gegen Händl ein.4 5 6) Von einem seiner Gegner wurde ihm 1618 vorgeworfen, daß er immer gegen den Kaiser rebelliert und ihn bekämpft habe?) In Braunau (Böhmen) erbauten die Protestanten eine Kirche (1611). Der Abi des Benediktinerstiftes, dem Braunau gehörte, beklagte sich Beim Kaiser, was zur Folge hatte, daß der Bau eingestellt werden mußte. Unter Berufung auf den Majestätsbrief von 1609, der den nichtkatholischen Ständen Böhmens volle Religionsfreiheit und das Recht, Schulen und Kirchen bauen zu dürfen, einräumtc, protestierten die Stände! gegen die Einstellung des Baues und erklärten, daß der Bau von> Kirchen auch den Bewohnern königlicher Güter erlaubt sei und meinten weiters, daß unter königlichen Gütern auch geistliche Güter zu verstehen seien. Der Klerus sei nur Nutznießer, der König jedoch Eigentümer der geistlichen Güter. Auch in dem zum Sprengel des Prager Erzbischofs gehörigen Orte Klostcr- grab wurde die von den Protestanten erbaute Kirche nicdergerissen. Diese Vorfälle und andere Unstimmigkeiten in Glaubensdingen führten dazu, daß sich in weiterer Folge am 23. Mai 1618 Mitglieder des Protestantentages in die kaiserliche Burg begaben. Es kam hier zum „Prager Fenstersturz", bei dem die Protestanten die ihnen mißliebigen Personen durch ein Fenster in den Schloßgraben warfen. Dieser Feirstersturz war das Wetterleuchten vor dem Ausbruche eines Krieges, der als religiöser Bürgerkrieg begann und dann als politischer Weltkrieg dreißig Jahre dauern sollte. Die Aufständischen bestellten eine aus dreißig Direktoren bestehende Landcs- verwaltung und bemächtigten sich des königlichen Schlosses, des Staatsschatzes und der Reichskleinodien. Sie schrieben Steuern ans und sperrten die Grenzen. Durch Werbungen in ganz Böhmen gelang es eine Armee aufzustellen, die den Graten Matthias Thurn zum Kommandanten erhielt. Mit Ausnahme weniger Orte fiel ganz Böhmen 1618 vom Kaiser ab. Sehr bald nach deni Fenstersturz bahnten sich Beziehungen zwischen den Ständen des Landes ob der Enns und den böhmischen Direktoren an. Diese ersuchten die obcrösterreichischen Verordneten, nicht zu erlauben, daß von ihrem 4) LV 19, 262 ff. Die Freiherren von Tschernembl kamen im 16. Jhdt. aus Krain und erwarben die Herrschaften Windcck und Schwcrtbcrg. Aus dieser Familie ragt Georg Erasmus hervor, der Bei den evangelischen Ständen einen überwältigenden Einfluß besaß. Er war der geistige Führer der ständischen Bewegung des Jahres 1619. 5) RP 1617, 26. 6) LV 5, 345. 4
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