Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 22, Dezember 1961

Woher stammt dies eigenartige „Andachtsbild" des in der Grabkufe stehenden lebenden Herrn? Einige Darstellungen zeigen eine Auffälligkeit. Bei bem hinter dem Schmerzensmann aufragenden Kreuz hat der Kreuztitel nicht die gewohnte biblische Inschrift INRI, sondern die griechische BA21AEY2 A03H2 (König der Herrlichkeit). Mit Recht hat man deshalb einen byzantinischen Ursprung des Bildes vermutet, und nach neuesten Untersuchungen ist die Herkunft des Schmerzensmannbildes geklärt. Die griechische Kirche hat schon von alters her keinen einheitlichen Kirchenraum. Um den Hauptaltar gruppieren sich zwei Kapellen, deren linke Protests genannt wird. In ihr findet der ziemlich umfangreiche Gottesdienst der Opfergabenzubereitung (Proskomodie) statt. Einen Höhepunkt der äußeren Prachtentfaltung des griechischen Gottesdienstes bildet schon seit ältesten Zeiten der sogenannte „Große Auszug" (Magnus Exodus), bei dem die Opfcrgaben in feierlicher Weise durch den ganzen Kirchenraum zum Hauptaltar getragen werden. In dem Augenblick des Auszuges wird in zahlreichen Zweigen der griechischen Liturgie ei» Lied gesungen, das sich stark an den Königspsalm 23: „Macht auf die Tore, ihr Mächtigen... der König der Herrlichkeit wird einziehen" anlehnt. Den Beweis, daß das Schmerzensmannbild diesem Gesang seinen Ursprung verdankt, bietet der Umstand, daß in zahlreichen Apsiden der erwähnten Protests eben dieses Bild erscheint wie heute noch in einigen Athosklöstern. Die östliche Liturgie war eben in diesem Augenblick von der Vorstellung beherrscht, daß sich die Königsgewalt Christi in der Erniedrigung als Opfergabc oder Opferlamm am deutlichsten zeigt, den Aufcrstehungsgcdanken schon vorausahnend. Das Opferlamm war aber hier in den eucharistischen Opfergaben zum Sehen und Greifen nah. So konnte das Bild des „Königs der Herrlichkeit", das in der östlichen Protests auf die Opfergaben niederschaute, durchaus als eucharistisches Bild anfgefaßt werden und verlor auch diese Eigenschaft nie mehr gänzlich. Der „König der Herrlichkeit" in der Grabkufe trat nach 1204 seinen Zug ins Abendland an. Die ersten Darstellungen entstammen dem ausgehenden XIII. Jahrhundert. Es war eben die Zeit, da sich in der abendländischen Frömmigkeit der große Wandel des Christusbildes vollzog und mit dem franziskanisch zeitbedingten Armutsideal der triumphierende Christus-König zum lcidbeladenen armen Jesus wurde. Die Grabkufe und die Leidenswerkzeuge an dem ursprünglichen Triumphbild der Protests formten es alsbald zum „Schmerzensmannbild" schlechthin um. Ganz ging aber die ursprüngliche eucharistische Färbung des Bildes nicht verloren. Es verband sich alsbald mit der Meßfcicr und mit der Person des großen „liturgischen" Papstes Gregor I. Ihm soll bei der Wandlung, um seine Gegenwart zu beweisen, der Herr in dieser Gestalt erschienen sein. Wo und wann sich diese Verbindung mit Papst Gregor vollzog, konnte bis zur Stunde nicht ergründet werden. Vermutlich hat ein gewisses Interesse des lange im Orient weilenden Papstes dazu beigetragen. Die nunmehr in Erscheinung tretende Form der „Grc- goriusmesse" hat im Abendland weite Verbreitung gefunden und große Meister tüte Albrecht Dürer oder Bernt Rotte zur Darstellung aufgerufen. Freilich wird die Erinnerung an den ursprünglichen eucharistischen Charakter nicht immer lebendig geblieben sein. Oft wurde der Schmerzensmann zum Inbegriff der Passion unb schmückte Anstalten christlicher Caritas und vor allem auch wegen der zahlreichen Ablässe die Portale gotischer Kirchen". Im Zusammenhang mit diesem Thema sei ailch eine Legende erwähnt. Diesbezüglich wird hier eine Stelle aus dem Katalog zur vorher erwähnten Ausstellung angeführt: „Die Lcgeirde berichtet, daß der hl. Papst Gregor der Große (590—604), als er in Rom in der Stationskirche Santa Crocc vor dem Bilde des Schmerzensmannes mit den Leidenswerkzeugen das Meßopfer darbrachte, durch Gottes Gnade den Beweis für die Transsubstantiation erfuhr: Vor seinen Augen verwandelte sich während des Kanons die Hostie in das Fleisch des Herrn. Die Entstehung der Legende fällt zusammen mit den theologischen Erörterungen über die leibliche Gegenwart Christi im Sakrament, wie sie vor allem durch die Häresien 46

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2