Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 20, April 1960

Landeshauptmann Löbl in den folgenden Jahren mit großem Eifer daranzugehen, den Protestantismus im ganzen Lande ob der Enns auszurotten und dem Katholizismus zum Siege zu verhelfen. Vorerst hatte man das Bestreben, die landesfürstlichen Städte, darunter Steyr, zum alten Glauben zurückzuführen. Die zu einer Sitzung des Landtages nach Linz abgeordneten Ratsherren Hieronymus Händl und Hanns ©tauber sandten anfangs Jänner 1599 der Stadt die Abschrift einer kaiserlichen Entschließung, der zu entnehmen war, daß die Ausübung der lutherischen Lehren im Lande abgeschafft werden sollte. Eine Ausnahme war nur für den Herrenstand und die Ritterschaft vorgesehen, die ihre religiösen Übungen „daheimbs in Iren Schlössern / als nur allein für sich selbst vben sollen vnd mögen / anderwerts aber niemandts Zu anhörung der Predigten hineinlassen sollen". Da sich die politischen Stände des Landes durch diese Entscheidung „merck- lichst beschwert" fühlten, beschlossen sie, nach reiflicher Beratung, dem Landeshauptmanne. ein Schreiben zu übergeben, in dem sie bitten wollten, an den Kaiser in Vrag ein neuerliches Ansuchen wegen Gewährung der Religionsfreiheit zu richten. Den in Linz befindlichen Ratsherren rieten überdies Freunde, man solle sich ferner des Predigens enthalten, die evangelische Gemeinde zur Geduld ermahnen und die Prediger anweisen, sich an geheimen Orten aufzuhalten.« Im Beisein der Herren des evangelischen Ministeriums, der Prediger, Magister» Balthasar Richter und Magister Joachim Müller, sowie des Diakones Andreas Rennman, wurde über die Lage beratschlagt. Der Rat sah sich einerseits gezwungen, dem kaiserlichen Befehle der Einstellung der lutherischen Religionsausübung nachzukommen, anderseits versuchten Bürgermeister Muth, Stadtrichter Hirsch und die anderen Ratsmitglieder, als getreue Anhänger des Protestantismus, den Weiterbestand der evangelischen Religion zu sichern. Die Prediger gaben den versammelten Räten zu bedenken, daß im Falle der Aufgabe der öffentlichen Religionsausübung auch sehr bald die Gemeindefunktionäre verschiedenen Drangsalen unterworfen werden würden. Sei die freie Religionsausübung einmal abgeschafft. wäre sie kaum wieder zu erlangen, überdies könnte der Rat ohne Vorwissen und Einwilligung der evangelischen Gläubigen Steyrs die Kirchen nicht sperren und die Prediger „abschaffen", meinten diese. Ein Ausweg fände sich, wenn man die Bürgerschaft vom Rate anweisen ließe, daß sie bei den kaiserlichen Kommissären in Linz (dem Landeshauptmanns und Dr. Paul Garzweiler) eine Bittschrift um Genehmigung zur weiteren Ausübung der Exerzitien übergeben sollte, wobei ein Fußfall angebracht toäre!» Es wäre aber notwendig, einen Ausschuß zu bilden, in den aus jedem Stadtteile eine Person zu wählen wäre. Vielleicht würden sich die Kommissäre dann erweichen lassen, wenn sie merkten, daß die Aufrechterhaltung des evangelischen Glaubens nicht nur „raths getrieb", sondern auch der Wille der Bürger sei. Auf diese Anregung der Prediger hin, wurde vom Rate bekohlen, alle Viertelmeister am selben Tage um 12 Uhr ins Rathaus zu berufen. Jeder von ihnen sollte außerdem vier Bürger seines Stadtteiles mitbringen. Damit es aber aussehe, die Bürgerscbaft habe die Idee einer Bittschrift ..selbst erfunden", wurde der Ratsherr Jakob Bischer beauftragt, mit dem Viertelmeister Hannß Müllehener aus Steyrdors die Angelegenheit vorher im geheimen zu besvrechen. Müllehener sollte dann, wenn er mit den anderen Viertelmeistern in das Rathaus gerufen und ihnen die Ange- leaenbeit unterbreitet werden würde, den Versammelten den Vorschlag machen, eine Bittschrift zu verfassen. Dieser Plan gelang und die Viertelmeister forderten die Abfassung eines Schreibens an die Linzer Glaubenskommissäre. Der von Linz ergangene Befebl vom 22. 12. 1598 wurde am 4. 1. 1599 neuerlich in einer Ratssitzung verlesen. Aus ihm geht hervor, daß wegen Richtbekolgung des kaiserlichen Befehles innerhalb von 14 Tagen die Prediger auszuweisen, die Kirchen zu sperren und eine Pön von 8000 Dukaten m leisten wäre. Eine neuerliche Aufforderung gebot, alle Kirchenschlüssel. Stiftungsbriefe und Urbarien (Grundbücher) nach Linz zu liefern. Rach „zweiter vmbfrag" im Rat wurde beschlossen, diesem Befehle Folge zu leisten." 3 83

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