Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 19, Februar 1959

derung der Geschmacksverbesserung schuf Ritzinger 1894 eine Lehrstelle für Gravieren und Ziselieren, die er mit dem verdienstvollen Künstler Leo Zimpel, der auch den Stahlschnitt Pflegte, besetzt wurde. Von Ritzinger selbst soll sich im Wiener Kunsthistorischen Museum ein in Stahlschnitt ausgeführter Schlüssel für einen Prunkschrank des österreichischen Kronprinzenpaares Rudolf-Stephanie befinden (Bild 3). In Unterhimmel bei Christkindl stand die Wiege des Prof. M. Blümelhuber. Er ist der Sohn einfacher, schlichter Arbeitersleute. Der Vater war Vorarbeiter in Unterhimmel; Professor Sterlike, der Biograph Blümelhubers, berichtet über den Werdegang des Meisters: „Kaum war der Knabe in der Schule eingetreten, als er von einem Typhus heimgesucht wurde, in dessen Gefolge eine Erkrankung der Kieferhöhlen auftrat, die bewirkte, daß er vom 8. bis 27. Jahre kaum fähig war, zu sprechen und feste Nahrung aufzunehmen. Obwohl von liebevollen Mutterhänden treu umsorgt, wuchs der Knabe auf, abseits von fröhlichen Gespielen u. Geschwistern, mit seinem eigenen Innern Zwiesprache haltend, was sicher nicht ohne Einfluß auf seine Entwicklung und sein Werden blieb und zu einer tiefen Verinnerlichung führte." Blümelhuber stellte den Stahlschnitt wieder in den Mittelpunkt der Betrachtung und der Weltaufmerksamkeit. Unter seinen Händen entwand sich der harte seelenlose Stahl der Fessel materieller Zweckbestimmung. Er wurde von genialem Künstlerwillen in hartem, zähem Ringen beseelt, er trat ein ins geistige Reich der Kunst, er wurde zum Träger und Deuter weltbewegender Ideen. So erblühte auf dem Boden der Eisenstadt Steyr diese wundersame Blume der Romantik, gleichsam als Krönung einer tausendjährigen Entwicklung. Blümelhuber zeigte seine Stahlschnittarbeiten, vorerst Messer, bei großen Ausstellungen: 1900 Weltausstellung in Paris, 1901 in Wien, 1902 in London. Auslandsangebote lehnt er ab. Österreich dankte ihm diese Haltung. Weitsichtige Männer erkannten die Bedeutung dieses einmaligen Kunstzweiges. Staat, Land und Stadt Steyr erbauten ihm das Meisteratelier für Stahlschnitt, die Landeskunstschule, die Geburtsstätte von Werken mit Ewigkeitswert. Von den symbolischen Werken wurde die Plastik „Menschheitszukunft" in weiten Kreisen bekannt. Mit Bangen verfolgte der Meister damals (1922) die Zukunft. Aus einem vollen Stahlblock von 3000 g ist dieses sinnvolle Werk geschnitten. Es erhielt eine Gewichtsverminderung von 2500 Gramm. Den Boden des 12 cm hohen Standbildes stellt die radförmige Sonne dar. Um sie kreisen 12 Sterne. Sie senden Strahlenbündel empor. Die Strahlen tragen eine Wolke, die unsere Erde trägt. Ein Riß, der mitten in Europa beginnt, setzt sich über den Nordpol fort. Ein Kindlein mit Beethovenkopf versucht mit seinen Unschuldshändchen die Kluft zu schließen. Der Riß, der Haß, droht unsere Erde, unser Glück zu spalten. Versöhnung im Volke und unter den Völkern ist notwendig. Menschengeist und Wille können das nicht aus eigener Kraft. Sie müssen von göttlicher Liebe durchdrungen sein. Deshalb trägt das Kind auch die Wundmale der Kreuzigung. Es berührt heute eigenartig, daß die Hände beiderseits des Erdrisses auf Rußland und Amerika liegen. Auf dem Bild zu Beginn des Artikels sehen wir Meister M. Blümelhuber an der Arbeit des Kalksburger Stahlkreuzes, das bereits 1911 fertig wurde. Andere Plastiken sind: „Evangelium", „Linzer Domschlüssel", ,,Die Kralle des Widersachers, bzw. Erde wohin rollst du?", „Mutter Erde und ihre Kinder", „Himmelshotschaft". Am 20. Jänner 1936 legte der Meister für immer den Meißel und Hammer weg. Die „Neue freie Presse" schrieb: „Man muß Blümelhuber gelauscht haben, wie er bei der Schilderung seiner Arbeitsweise ins Feuer geriet und in ganz wundersam anmutender Art Technisches mit allgemein Gültigem, mit Poetischem und Moralisierendem mischte. Denn in Blümelhuber steckte ein gutes Stück Mystiker". In einem Handschreiben des damaligen Bundespräsidenten Miklas an den Bürgermeister von Steyr heißt es: „Ihre altberühmte Stadt hat einen ihrer Größten verloren. Meister Michael Blümelhuber, der große Wiedererwccker alter deutscher Eisenschnittkunst, der große Künstler, Schöpfer und Meister österreichischen Stahlschnittes, ist von uns gegangen." 29

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