Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 19, Februar 1959

Was wohl der Herr Stadtrichter Athanasius Schückl sagen würde, könnte er einen Blick in eine unserer Illustrierten werfen, eine Debatte zum Thema „§ 144" mit anhören oder den Streit „Für und gegen die Todesstrafe"? Sicherlich käme ec sich vor wie der Mönch von Heisterbach, der nach 1000 Jahren in sein Kloster zurückkehrte und glaubte, er wäre nur einen Tag fortgewesen — man kannte kaum seinen Namen mehr und er kam in eine fremde Welt, die sein Vorhandensein als ein göttliches Wunder erkannte. Uns aber trennen noch keine 1000 Jahre von der Welt des Steyrer Stadtrichters, der im Jahre 1574 eines der entsetzlichsten Urteile, die für Kindesmord verhängt wurden, vollzog — nach Recht und Gesetz, nicht als einen Akt verbrecherischer, tyrannischer Willkür, wie es zu allen Zeiten und auch in unserer in Mißachtung aller Menschlichkeit fallweise vollzogen wird! In den Annalen berichtet der Chronist, daß Appolonia Schreinhuberin, Tochter eines Handwerkers, am 29. November 1573 öffentlich in Steyr als Kindesmörderin hingerichtet worden sei, und obwohl das Datum mit dem des Aktes Schreinhuber (1574) uicht übereinstimmt, war dieser doch sicher für den Chronisten die Vorlage für die Eintragung. Der Akt berichtet: „Die Malifieantin ist lebendig unter dem Galgen vergraben und ihr alsdann ein Pfahl durch den Leib geschlagen worden, maßen sie 4 Kinder in ihrem Leib durch eingenommenen Trunk getötet und das fünfte mit einem Messer ermordet hat." Sie war dazu auf das Feld zum Stadlmayr gegangen und auf frischer Tat ertappt worden. Da das tote Kind Beweis genug war, gestand sie sofort offen die ganze Wahrheit ein. Verglichen mit diesem Urteil erscheint uns die Strafe des Ertränkt- oder Enthauptetwerdens weniger entsetzlich und wir lesen mit mehr Verständnis im Urteil der Maria Seyfridt, daß die Milde des Kaisers ihr den Tod durch das Schwert gewährte, weil sie bei den Verhandlungen ihr Verbrechen bekannt hatte. Hätte sie geleugnet, würde sie wie die ebenfalls 1679 angeklagte Barbara Artbacherin „peinlich befragt" worden sein, damit die Qualen der Folterung die Wahrheit an das Tageslicht brächten. Zur Tortur vermerkt das Gerichtsprotokoll, daß man ihre Anwendung stets reiflich überlege, „da sie eine sehr gefährliche Sach ist", und da das Kind der Artbacherin mit dem Leben davongekommen sei, ließe man es bei der Tortur als Strafe bewenden. Auch mit Verleumdungsfällen hatte sich das Gericht des öfteren zu beschäftigen — wann hätte es auf dieser schönen Welt einmal keine Klatschmäuler und Denunzianten gegeben! Im Jahre 1709 mußte sich z. B. die verheiratete Frau Maria Faistenauerin vor Gericht von einer gefährlichen Verleumdung- reinwaschen und zur Buße für ihre zwar nicht so schwarze, wie es vorher den Anschein gehabt hatte, aber doch etwas befleckte Seele, wurde sie auf den Sonntagberg zu einer Wallfahrt geschickt. Sie hatte im Zorn über ihren % Jahren alten Buben zu einer Nachbarin gesagt, sie würde den Lausbuben umbringen — mit dem Messer, sekte sie noch hinzu! Natürlich tat sie es nicht, genau so wenig wie andere Mütter und Väter diese Drohungen umsetzen, sie hatte es nur in der Wut über sein GZchrei erbittert so vor sich hingesagt... Die Frau Nachbann aber rannte sofort zu ihrer innigsten Busenfreundin. um ihr unter dem Siegel der Verschwiegenheit die entsetzliche Hemmungs- lostakeit der Faistenauerin anzuvertrauen: die Freundin wiederum erzählte es der nächsten Freundin, vielleicht schrie sie auch ihrer Feindin ins Gestcht. daß sie nicht besser sei als die Kindeswörderin ... wie immer der Weg des Gerüchtes gewesen sein mag, er endete beim Gericht und nach vielen Scherereien konnte Frau Maria während ihres Fußmarsches auf den Sonntagberg Reue und Leid erwecken. Sie beichtete ihr leichtfertiges Gerede und faßte den Vorsatz, in Zukunft ihr Kind nicht einmal mehr mit Worten zu bedrohen und schon gar nicht in Anwesenheit einer Nachbarin. Den Beichtzettel lieferte sie ordnungsgemäß nach ihrer Heimkehr im Steyrer Rathaus ab, wo er noch heute unter den Akten zu finden ist als Beweis, daß die Malifieantin ihre Strafe verbüßt batte. Weniger harmlos war der Fall der Magdalena Salzhuberin im Fahre 1716, deren Kind knapp dem Tode entronnen war. Die Mutter wurde zur Strafe für ihre Fahrlässigkeit 1 Stunde lang während des Wochenmarktes, mit einem Strohkranz 19

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