Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr Schriftleitung: Walter Hoffeiner Die „Ritterliche Khunst". Zur Geschichte des älteren Schützenwesens der Stadt Steyr Die Schützenscheiben des Heimathauses Steyr Die Weiff-Ircher oder Weihgerber und Sämischmacher von Steyr Der Steyrer Maler Johann Georg Morzer und das Malerehepaar Gürtler Alle Adelshäuser und der Ketzerfriedhof Sie bekannte, ihr Kind getötet zu haben Eisen- und Stahlschnittkunst ISO Jahre Steyrer Stadttheater. Zur Theatergeschichfe der Stadt Steyr Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit (Fortsetzung) Heft 19 Februar 1959 Oberschulrat Josef Ofner Adolf Bodingbauer Oberbaurat i. R. Dipl.-Ing. Friedrich Berndt Dr. Ilse Neumann Franz X. M. Lugmayer Dr. Franz Pfeffer Dr. Erlefried Krobath Bemerkenswerte Bauten der Altstadt Steyrs (Sfadtplalz 34, 38 u. 42)
Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr Schriftleitung: Walter Hoffeiner Die „Ritterliche Khunst". Zur Geschichte des älteren Schützenwesens der Stadt Steyr Die Schützenscheiden des Hei- mafhauses Steyr Die Weifi-Ircher oder Weihgerber und Sämischmacher von Steyr Der Steyrer Maler Johann Georg Morzer und das Malerehepaar Gürtler Alle Adelshäuser und der Ketzerfriedhof Sie bekannte, ihr Kind getötet zu haben Eisen- und Stahlschnittkunst 150 Jahre Steyrer Stadttheater. Zur Theatergeschichte der Stadt Steyr Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit (Fortsetzung) Hell 19 Februar 1959 Oberschulrat Josef Ofner Adolf Bodingbauer Oberbaurat t. R. Dipl.-Ing. Friedrich Berndt Dr. Ilse Neumann Franz X. M. Lugmayer Dr. Franz Pfeffer Dr. Briefried Krobath Bemerkenswerte Bauten der Altstadt Steyrs (Stadtplatz 34, 38 u. 42)
Alle Rechte Vorbehalten Eigentümer, Herausgeber und Verlag : Magistrat Steyr Für den Inhalt verantwortlich : Walter Hoffeiner Druck: Vereinsdruckerei Steyr
Bit „fiitttrlidje lütiund" Zur Geschichte des älteren Schützenwesens der Stadt Steyr In früheren Jahrhunderten lag die Verteidigung der Stadt in den Händen der Bürger. Diese Verpflichtung setzte eine ständige Übung in der Handhabung der Waffen voraus. Da die zu Festungen ausgebauten Städte im Rahmen der Landesverteidigung eine bedeutende Rolle spielten, fanden die Schützengesellschaften, die in besonderem Maße die planmäßige Ausbildung der Bürger im Gebrauch der Schießwaffen anstrebten und dadurch die Wehrtüchtigkeit der Städter erhöhten, stets die Gunst der Landesfürsten.' Besonders Kaiser Maximilian I., dem Steyr das Bürgermeister-Privilegium und andere Freiheiten verdankte, zeigte große Vorliebe für Feuerwaffen. Dies mag auch der Grund gewesen sein, daß die Stadtobrigkeit von Steyr im Jahre 1506 nach dem Vorbild anderer Städte eine Schießstättc errichten ließ, eine aus Bürgern und ledigen Burschen bestehende Vereinigung, genannt „Schützenmeister und Schießgesellen", gründete und als ersten Schießpreis ein Stück Hosentuch, das damals etwa 13 Pfund Pfennig gekostet haben mochte/ stiftete, wenn mindestens zehn Schützen an dem Schießen teilnahmen. Die Schießübungen waren abwechselnd mit der Feuerbüchse und der Armbrust („Stachel") jeden Sonntag vorzunehmen, so daß alle vierzehn Tage eine der beiden Waffen zur Anwendung kam? Die spärlichen archivalischen Nachrichten über die Steyrer Schützengesellschast lassen nur in groben Umrissen deren Organisation erkennen, die in mancher Hinsicht mit der des zünftigen Handwerks übereinstimmte. Für das gesamte städtische Schüt- zenwefen waren in erster Linie die Weisungen des Magistrates richtunggebend. Der Sadtrat ratifizierte die von den Schützenmeistern' oder von Ratsfreunden und dem Stadtschreiber erstellte „Schützenordnung"', er bestimmte das Aussehen der Schützenfahne, bewilligte das jährliche Schießgeld, das 1587 im Betrage von 25 Gulden gegeben wurde/ er sorgte für die Instandhaltung des Schießstandes und regelte die Durchführung der mit einem Festschießen verbundenen Schützenfeste. Das Hosenoder Schützentuch spendete der Magistrat meist nur dann, wenn die Finanzlage der Stadt halbwegs günstig war. Im Juni 1577 wurde der Stadtkämmerer Abraham Spänesperger beauftragt, jeden Sonntag ein „Lindisch Hosentuech" an dem „gewöhnlichen Ort" nach altem Herkommen ausstecken zu lassen? Um die Mitte des 17. Jahrhunderts (1653) gab der Rat zum Hauptschießen einen Betrag von 100 fl., weil die Schützen schon viele Jahre kein Tuch erhalten hatten? An der Spitze des Schützenverbandes, der auch über eine Lade zur Aufbewahrung der Schützenordnung und des Geldes verfügte,' standen der vom Magistrate gewählte Oberschützenmeister" und zwei Schützenmeister. Die „Schießfreunde" waren gegliedert in alte und junge Schützen." Ab und zu kam es innerhalb der Schieß- gesellschast zu Reibereien und Unstimmigkeiten. 1577 ermahnte der Rat die Schützen,
das „Zännggen vnnd greinnen" zu unterlassen," 1650 war er bemüht, einen Kompetenzstreit zwischen alten und jungen Schützen in Güte beizulegen." Das an Sonntagen, im 18. Jahrhundert auch an Feiertagen, festgesetzte „Bürgerschießen" fand auf einem Platz vor dem St. Gilgentor in der Nähe des Stadtgrabens statt." Später wurde die Schießanlage in den Graben verlegt und befand sich dort bis zum Jahre 1834." In den Jahren 1577 und 1699 war sie so baufällig, daß sie jedesmal neu aufgebaut werden mußte." Die Mitglieder der Schützengesellschaft gehörten ohne Zweifel zur tüchtigsten Mannschaft der Stadtmiliz, da sie ja am besten mit den Feuerwaffen umgehen konnten. Mit einer eigentümlichen Ober- und Unterwehr, also mit Muskete und Säbel, mußte seit der Mitte des 17. Jahrhunderts jeder Bürger ausgerüstet sein. Schon bei der Verleihung des Bürgerrechtes war der Waffenbesitz nachzuweisen und beim Steueramt ein Gulden zum Ankauf eines „Schützenröckls" zu erlegen." Die Zugehörigkeit zur Schützengesellschaft blieb bis ins 18. Jahrhundert jedem Bürger freigestellt. Ab 1738 befahl jedoch der Magistrat einzelnen Bewerbern um das Bürgerrecht, daß sie mindestens ein Jahr lang an den Schießübungen der bürgerlichen Schützen teilzunehmen hätten. Im Jahre 1766 wurde diese Ausbildung noch um ein Jahr verlängert." Die Schützengesellschaft förderte nicht allein die „Ritterliche Khunst" des Schießens," sie pflegte auch Kameradschaft und Geselligkeit. Von Zeit zu Zeit veranstaltete sie ein fröhliches Festschießen. In Steyr fanden im 16. Jahrhundert vier größere Schützenfeste statt (1531, 1540, 1548, 1592).20 Zu den glanzvollsten Veranstaltungen dieser Art aber zählte das freie Gesellenschießen „mit Pürstbuxen von Feuerschloß und Stein", das am Sonntag, 7. September 1614 seinen Anfang nahm und vier Wochen dauerte. Mit Bewilligung des Magistrates sandte die Schützengesellschaft im Mai des genannten Jahres gedruckte Einladungen an die Schützenverbände österreichischer und deutscher Städte. Dieser Aufforderung folgten viele Schießfreunde aus Wien, aus der Steiermark, aus Kärnten und Krain, sie kamen aus Landshut, München, Nürnberg, Regensburg und Breslau. Auch Ritter und Adelige aus der Umgebung fanden sich ein. Jeder Schütze hatte als Einleggeld vier Gulden zu entrichten. Das Hauptbest bestand in einem vergoldeten silbernen Becher im Werte von 100 Gulden. Grüne Seidenfahnen, geziert mit dem Wappen der Eisenstadt, wurden zu den Geldpreisen verliehen. Der Festplatz befand sich vor dem St. Gilgentor.2' Der Magistrat ließ dort eine Hütte errichten und gab zum Ankauf der Beste 70 Taler.22 Neben dem Schießen, zu dem der Rat einen Schützenmeister, zwei Unterschützenmeister, einen Fähnrich und einen Schreiber abordnete, gab es zur Unterhaltung der Gäste noch verschiedene Lustbarkeiten, u. a. ein Kegelspiel und Vorrichtungen zum Hahnerschlagen. Letzteres Spiel entbehrte nicht einer gewissen Rohheit. Zwei Hähne wurden bereitgestellt. Der eine Hahn sollte mit einem hohlen Prügel, der andere, der sich auf einem Platz innerhalb eines Grabens befand, der nur über einen handbreiten Steg zugänglich war, von einem Dreschflegel getroffen werden. Der mit dem Flegel ausgerüstete Hahnenschlager hatte einen Kreuzer zu bezahlen. Da ihn, eine schwarze Kappe über die Augen gezogen war, verfehlte er meist den Steg und fiel zum Gaudium der Anwesenden in den Graben.22 Das große Schützentreffen des Jahres 1614 „begann und endete in Ordnung und Frohsinn"." In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges hören wir von keinem Schützenfest in Steyr. Die Beendigung der harten Kriegszeit feierte jedoch die Stadt im Jahre 1650 mit einem „Friedensfest", zu dessen Verschönerung die Schützengesellschaft viel beitrug.22 Schon 1653 veranstaltete sie wieder ein Hauptschießen, das vom Oberschützenmeister Maximilian Luckner geleitet wurde.22 Das nächste größere Schützenfest fand erst 15 Jahre später statt. 1668 ließen die Schützenmeister Daniel Knäbl und Gottlieb Hoffmann Einladungen zu dem für 6. Mai anberaumten „nachbarlichen Hanpt- scbießen in allhiesiger Schiehstatt" ergehen.22 4
In den folgenden Jahren, um 1671, wurden die Schießübungen durch längere Zeit vernachlässigt?3 Die Schützengesellschaft trat aber wieder mächtig in Erscheinung, als im August 1680 Kaiser Leopold I. und dessen Gemahlin die Eisenstadt besuchten. Zu den aus diesem Anlaß veranstalteten Festlichkeiten gehörte auch ein Schießen im Stadtgraben, dem der Kaiser zwei Stunden lang beiwohnte?" Da die Teilnahme an den Schützenfesten auf Gegenseitigkeit beruhte, besuchten auch Steyrer Schützen häufig auswärtige Veranstaltungen. Zum großen Freischießen in Linz im September 1560 wurden sogar Spielleute und Pritschenmeister aus Steyr abgesandt und erhielten für ihre Mühe auf Befehl des Linzer Stadtrichters ein Trinkgeld im Betrage von 1 Pfund 3 Schilling 20 Pfennig zu erkannt?" Die in Narrentracht gekleideten Pritschenmeister waren bei den Schützenfesten im 16. Jahrhundert als Aufsichtsorgane und Spaßmacher tätig und schrieben manchmal auch gereimte Festberichte. Die Pritsche, entweder ein Kolben aus Leder oder ein säbelartiges, mehrmals gespaltetes Holz, kennzeichnete ihre Würde. Mit Spott- versen und mitunter derben Spässen belustigten sie die Festteilnehmer und bestraften schlechte Schützen oder solche, die die Schießordnung verletzten auf einer erhöhten Bank („Pritschbank") durch Schläge mit der Pritsche auf den Hinterteil?' Im Jahre 1574 gewann der Steyrer Georg Leschenprant bei einem Festschießen zu Krems a. d. Donau den ersten Preis, weshalb ihm ein Kranz verliehen wurde. Der Rat zu Steyr verehrte ihm aus der Stadtmaut vier Taler. Da die Eisenstadt in den Besitz des „Khränzl" gelangt war, begehrten die Kremser Schützen die Durchführung eines Preisschießens in Steyr. Der Magistrat lehnte jedoch ab, weil durch die Wassergüsse der Jahre 1567 und 1572 die Stadt „sehr verderblich heimgesucht" worden fei.32 Über das große Linzer Festschießen im Jahre 1584 berichtet in einem umfangreichen Lobgedicht der Augsburger Pritschenmeister Kaspar Lerff. Für Steyr ist diese Dichtung insofern aufschlußreich, da sie die Namen der Steyrer Schützen, die in Linz anwesend waren, anführt: „Herr Hieronymus Hirsch. Steffan Lichtenberger. Jocham Klang. Christofs Scheuber. Hans Blockher. Blasy Ranecker. Petter Stain- pacher. Jörg Liechtenberger. Marttin Bongartner, Christofs Leinener. Hann Fux- büller. Hanns Leinener. Wolfs Sinteret. Jörg Löschenbrandt3! Lienhart Wagner. Abraham Ott." Mit dieser Abordnung war Steyr von den auswärtigen Schützenverbänden am stärksten vertreten. Wie Lerff berichtet, war Hieronymus Hirsch Mitglied der Neuner. „Oesterreich das Landt ob der Ennß / ■ Der sibent Neüner so vernems. Herr Hieronimus Hirsch von Steür / Sah ihn lang nie als eben hewr / Gott verleih ihm noch langes leben / Thet guten Rath zum Schiessen geben. Auch ander was man haben will / Kein kurtzweil ist ihm nicht zuuil / Jedoch das mit beschaidenhait / Ist er willig allzeit beraidt."33 Die Neuner33 bildeten den obersten Schützenrat. Sie trugen rot-weiße Schärpen und auf dem Hut einen schwarz-gelben Federbusch. Am 24. September 1584 wurde das Linzer Schützenfest, das acht Tage gedauert hatte, mit der Preisverteilung abgeschlossen. Acht Schützen aus Steyr konnten Fahnen und Geldpreise nach Hause bringen.33 In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ergingen an den Magistrat Steyr Einladungen zum Friedensschießen des Marktes Weyer am 23. November 1650, zum Freischießen in Wels (1652), zum Hauptschießen in Waidhofen a. d. Mbs (1654)37 und zu einem Freischießen der „Hochfürstlichen Salzburgischen Komissa- rien" im Jahre 1682. Die am Salzburger Festschießen teilnehmenden Schützen unterstützte die Stadtobrigkeit mit 30 Gulden, doch mußten ihr die „herausgeschosse5
neu Gewinnusse" ausgefolgt werden?° Einen Beitrag zur Teilnahme einiger Schützen am Freischießen der Stadt Tulln im Jahre 1707 verweigerte der Magistrat unter Hinweis auf die ungünstige Wirtschaftslage?' Zum Schluß möge noch eine Begebenheit aus dem Jahre 1753 folgen, die in der Stadt Aufsehen erregte und in der Ratssitzung vom 16. Juni durch den Stadtschreiber zur Sprache kam. In der bürgerlichen Schießstätte im Graben hatten die Schützen öffentlich eine „häßliche" Scheibe aufgestellt, die mit „ehrenbeschimpflich- sten Versen wider hiesig ledige Mägdlein" versehen war. Dieses „sträfliche Unternehmen" habe, wie der Stadtschreiber betonte, bei der Bevölkerung allgemein Ärgernis hervorgerufen, sei nicht nur gegen die Wohlanständigkeit, sondern widerstrebe auch Ziel und Zweck der Schützengesellschaft. Die beiden Schützenmeister erhielten den Auftrag, in Anwesenheit aller Schützen die Scheibe zu entfernen. Schützenkommissar Georg Rogg, Mitglied des Inneren Rates, hatte sie ins Rathaus zu bringen, wo man versuchte, den Maler der Scheibe und den Verfasser des Spottgedichtes festzustellen. Die Angelegenheit endete mit der Enthebung des Schützenmeisters Wurm. Den Schützen wurde die Verwendung „unanständiger Scheiben" bei 12 Reichstaler Pönfall verboten." Aus der dürftigen archivalischen Überlieferung können wir ersehen, daß sich das Schützenwesen am prächtigsten in der Reformationszeit entfaltet hatte. Wenn nach einem Niedergang zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges wieder ein allmählicher Aufstieg folgte und im 18. Jahrhundert auch Bürgerrechtsbewerber zur Teilnahme an den Schießübungen verpflichtet wurden, so errang diese Einrichtung doch nicht mehr die frühere Größe. Josef Ofner Abkürzungen: St. = Stadtarchiv Steyr, Rp. — Ratsprotokoll. Anmerkungen: ') Hoffmann St., Verfassung, Verwaltung und Wirtschaft im mittelalterlichen Linz. Heimatgaue, Jg. 16 (1935), S. 122 k. 2) In Linz konnte statt des Hosentuches ein Betrag von 13 Pfund Pfennig ausbezahlt werden. Grüll G., Linzer Schützenfeste im 16. Jahrhundert. Sonderdruck aus dem Jahrbuch der Stadt Linz 1955 (1956), S. 283. 3) Preuenhueber V., Annales Styrenses (1740), S. 173. . 4) St. Rp. 1601, 143; — 1631, 55. — 5) St. Rp. 1687, ICO; — 1747, 68. 6) St. Rp. 1588, 76. — 2) St. Rp. 1577, 619. •) St. Rp. 1653, 163. — ’) St. Rp. 1630, 98. ,0) Der Oberschützenmeister war meist Mitglied des Rates. St. Rp. 1588, 76; — 1635, 69; — 1653, 113; — 1671, 116; — 1687 100. ") St. Rp. 1650, 350; — 1682, 6, 30. ’2) St. Rp. 1577, 619. — '-) St. Rp. 1650, 350. ,4) Im 16. Jahrhundert wird die Lage der Schießstätte mit dem Hinweis „auf dem Stadtgraben", 1614 „ob dem Stadtgraben" angegeben. Is) Heute Promenade. Kautsch I,, Aus den Aufzeichnungen eines Steyrer Bürgers. Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1917, S. 161. Nach 1834 befand sich die Schießstatte bei der Forsthub an der Enns (Neuschönau), mußte aber anläßlich des Eisenbahnbaues aufgelassen werden. Im August 1870 eröffnete die privilegierte Schützengesellschaft die neue Schießstätte auf einem vom Stadlmayrgut gepachteten Grundstück. Kautsch I., a. a. O., S. 161. '«) St. Rp. 1577, 618 k., 1699, 84. — ") St. Rp. 1650, 4; — 1663, 47, ,s) Haindl St., Die Ergänzung der Bürgerschaft Steyrs im 18. Jahrhundert. Phil. Diss. Innsbruck (1950), Bd. 1, S. 59. ") Dieser Ausdruck findet sich im Rp. 1577, 618. 2°) Grüll G., a. a. O., S. 282. — 1591 dürfte eine kleinere Schießveranstaltung durchgeführt worden sein. St. Rp. 1591, 336. 21) Preuenhueber V., a. a. D„ S. 364. 22> St. Rp. 1614, 127. — 23) Grüll G., a. a. O., S. 294. 6
24) Pritz F. Beschreibung und Geschichte der Stadt Steyr (1837), S. 241. --) St. Rp. 1650, 327. 26) St. Rp. 1653, 113, 163. M. ßucfner war Bürgermeister von 1660—1677. ”) St. Rp. 1668, 196. — 2°) St. Rp. 1671, 116. 29) Beschreibung DeßEmpfangs vnnd Einzugs Der Aller-Durchleüchtigiisten Kayserlichen Aiayestätten Leopoldi I. et Eleonorae, Magdalenae, Theresiae. So In der Kays. Landts-Fürstl. Uhralten Cammer-Guett Statt Steyr deß Ertz-Hertzogthumbs Oesterreich Ob der Ennß / beschehen ist ben 8. Tag deß Monaths Augusti. Anno MuCLXXX. Gedruckt zu Lintz / Bey Johan Jacob Mayr / Im Jahr 1681. S. 18. 3°) Grüll G., a. a. O., S. 289. — 31) Ebenda S. 297. 32) St. Rp. 1574, 168. 33) Wahrscheinlich Georg Leschenprant, der 1574 am Kremser Schießen teilnahm. 34) Grü.ll ©., a. o. O., S. 299 ff. Vollständige Wiedergabe des Linzer Lobgedichtes von K. Lerff. 35) 9 Mitglieder. — Hieronymus Hirsch (Stadtrichter in Steyr von 1591—1592 und 1598—1600) wurde als 7. Neuner für das Land ob der Enns gewählt, das mit 46 Schützen vertreten war. Grüll G.,, a. a. O., S. 294 f., 319, Anmerkung 63). 3‘) Grüll G., a. a. £>., S. 296. — 37) St. Rp. 1650, 321; — 1652; — 1654, 71, 113. 3°) St. Rp. 1682, 144. — 3’) St. Rp. 1707, 132. — 4°) St. Rp. 1753, 231, 265.
Die Schützenscheiben Des tljeiniachause; Steyr Von Adolf Bodingbauer Im Mittelalter (um 1300) bildeten sich in den Städten Schützenbruderschaften; im 16. Jahrhundert fand das alljährliche Schützenfest auf dem Lande Verbreitung. Der Anlaß eines Abschieds- oder Familienfestes, einer Ehrung oder eines Jubiläums bestimmte die ernste — lokale Geschehnisse bestimmten die heitere Darstellung der meist vom Tischler selbst bemalten Schützenscheiben. Häufig nannte sich der Stifter mit vollem Namen, der Schützenkönig brachte oft die Scheibe unter dem Giebel seines Hauses an. Gewöhnlich verblieben aber die Scheiben im Schützenhaus, so daß dort wahre Sammlungen entstanden. Motiv- und kulturgeschichtlich sind die Scheiben von Interesse, da sie oftmals bedeutende historische oder religiöse Ereignisse so ausdrücken, wie sie sich den Augen des einfachen und der Sache nicht ganz kundigen Volkes zeigen. Manche der Scheiben sind in ihrer naiven Strenge und moritatenartigen Erzählerfreude beste Laienmalerei. In Bild und Vers wird Schabernack gespielt, lustige und fatale Abenteuer unter Spannung und großem Hallo enthüllt. Auch sagenhafte Begebenheiten, lokale Episoden und viele folkloristische Darstellungen machen die Scheiben bemerkenswert. Von rein künstlerischem Standpunkt aus betrachtet, sind die Schützenscheiben nicht besonders wertvoll und als kleinbürgerlich-allegorische Stilkunst zu bezeichnen. Doch gibt es bei der großen Anzahl vorhandener Schützenscheiben genug Beispiele eigenständiger Volkskunst, zumat wenn sie in entlegenen ländlichen Gebieten entstanden sind. Im Heimathaus Steyr befinden sich 13 Schützenscheiben; 8 besitzen Quadrat- sorm, während 5 kreisförmig sind. Ihr allgemeiner Zustand ist verhältnismäßig gut. Die interessantesten Schützenscheiben werden hier angeführt und kommentiert. Eine Scheibe stellt 3 Männer bei einem Würfel- oder Brettspiel dar. Die Inschrift „Casus in eventu est" läßt sich verschieden übersetzen:1 2 1. Im Ausgang (im Ereignis, in der Entscheidung) ist Zufall. 2. Der Fall ist in der Entscheidung (im Ausgang).
Die folgende Scheibe spielt auf die Haare und das Ende Absoloms an. Im alten Testament wird berichtet, daß die Menge seines Haares sehr groß war. Es wurde ihm sogar zum Verhängnis: Als er im Verlaufe einer Schlacht auf feinem Maultiere unter das Geäst einer großen Eiche ritt, blieb er mit dem Kopfe an der Eiche hängen und wurde sodann von seinen Gegnern getötet. Humorvoll ist die Inschrift dieser Scheibe: „Perrücken können ich will wetten, uns oft von Untergang erretten, den hätt sie Absalon zu tragen einst begonnen, so wäre er gewiß der Feindeshand entronnen." Ladtschüssen 1828. Wiederum heiter ist die Darstellung und Inschrift der nächsten Scheibe. Man steht die Frauen von Weinsberg ihre Ehegatten durch ein Tor tragen (Abbildung 1). Die Inschrift lautet: „Art läßt nicht von Art, der Speck nicht von Schwärt, der Bock läßt nicht vom Bart." Ladschüssen 1828. Der historische Hintergrund ist folgender: Nach dem Tode des Kaisers Lothar (von Sachsen oder Supplinburg) traf die Wahl Konrad von Hohenstaufen mit Übergehung des Bayernherzogs Heinrich des Stolzen. Da dieser die Wahl nicht anerkannte, wurde über ihn die Reichsacht verhängt. Das Welfenreich wurde zerteilt; Bayern erhielt Markgraf Leopold IV. von Österreich. Nach dem Tode Heinrichs des Stolzen 1139 führte sein Bruder, Welf VI. für dessen minderjährigen Sohn (Heinrich den Löwen) den Krieg weiter. 1140 wurde die welfische Stadt Weinsberg von Konrad erobert. An diesem Sieg knüpft sich vermutlich die unverbürgte Angabe, daß hier zum ersten Male die Rufe „Hie Welf! Hie Waiblingen!" erschollen sind. Der letztere Name steht in Zusammenhang mit dem alten, von den Saliern an die Hohenstaufen vererbten Ort Waiblingen an der Rems. Die volkstümliche Erzählung von der Weibertreue greift der Hersteller als Motiv auf. Als man den weiblichen Bewohnern der eroberten Stadt erlaubte, mit sich zu tragen, was ihnen am liebsten wäre — da trugen sie alle ihre Ehemänner auf den Rücken durchs Stadttor hinaus. 9
Wahrscheinlich von einem Schützenfest der Fischer ist eine weitere Schützenscheibe. Dargestellt sind von (links nach rechts) ein Klosterbruder, ein Fischer, der in einem Kahn stehend ein Mädchen mit einem Netz aus dem Wasser fischt, am anderen Ufer ein gut gekleideter Mann und einer mit Krücken. Jeder von ihnen macht äußerst launige Bemerkungen (wiederum von links nach rechts): 1. Hätten mir im Kloster solche Fisch zu essen. Wollten wir das Fleisch ganz leicht vergessen. 2. Der Fisch hat mir viel Müh gemacht, bis ich ihn Hab ins Garn gebracht. 3. Fischer ist dir der Fisch nicht faill, Ich kauf nur das vorani thaill. 4. Ihr Herr nembt euch wohl in Acht, Solche Fisch haben mich in d' Krüggen bracht. Auf eine Simandlbruderschaft weist die folgende Scheibe hin. Die Inschrift lautet: „Hier in diesem Buche drien, sind die Siemandl alle eingeschriebn. Ich bitte Sie mich einzuschreibn, in den großen Bund hinein." 1831. Leider etwas undeutlich sind der Anlaß und Ort des Schießens, sowie der Schützenkönig vermerkt. Daß es auch schon früher Geldnot und Angst wegen des vielen Geldes gegeben hat, sagt uns die letzte Schützenscheibe (Abbildung 2). Die Inschrift bedarf keiner näheren Erklärung: „O Geld! Wer dicht nicht hat, der klaget sich fast toll, und welcher dich besitzt, ist Furcht und Sorgen voll." L. Sch. 1827. 10
(Die Weiß-Rcher oder WelUerber und Ssmischmscher von Stepr Von Oberbaurat i. N. Dipl.-Ing. B e r n b t Der Handwerkername „Jrcher" ist heute ganz unbekannt. Im Steuerbuch des Jahres 1567 finden wir nur Jrcher angeführt, deren Werkstatt ein „Gäulwerk" war. Im Steuerbuch des Jahres 1598 dagegen finden wir nur „Weißgerber", die mit einer „Walk" arbeiteten. Wann sich der erste Weißgerber in Steyr niedergelassen hat, wissen wir nicht. Die alten Lederer behaupteten 1576, daß seit Menschengedenken nur zwei Weißgerber im ganzen Land ob der Enns gewesen seien und in Steyr nur einer, welcher immer nur Weißirch und nicht Sämisch gearbeitet habe. Jetzt seien in allen Städten und Märkten gar viele, in Steyr fünf oder sechs, obwohl einer genüge. 1. Die Arbeit der Weißgerber Die Weißgerber bearbeiteten die Felle von Kleintieren, wie von Hirschen, Rehen, Gemsen, Böcken, Gaißen, Schafen, in geringen Ausmaß auch von Kalben, Kühen und Ochsen. Rach der gewöhnlichen ersten Reinigung der Felle wurden die von Kälbern und Rehen durch den Kalküscher zum Enthaaren vorbereitet; die Hammelfelle aber wurden, um die Wolle gut zu erhalten, geschwödet, d. i. nur auf der Fleischseite mit Kalk und Asche bestreut, zum Schwitzen aufeinander gelegt und aus dem Abstoßbaume geblößet, d. i. der Wolle beraubt. Nach dem Enthaaren wurden die Felle noch einige Riale gestrichen und dann mit hölzernen Stoßkeulen in der Walk gewalkt. Dann kamen sie in die Kleienbeitze, welche aus Weizenkleie, Salz und Wasser bestand, um sie völlig vom Kalk zu reinigen. Nachdem sie vorher ausgewunden wurden, kamen sie in die Alaunbrühe, die aus Alaun und Kochsalz gemacht wurde. Nachdem sie getrocknet und wieder angefeuchtet worden waren, wurden sie mit einer eisernen Scheibe geschabt, um ihnen noch mehr Geschmeidigkeit zu geben. 2. Der Kampf um's Handwerk Im Jahre 1577 befanden sich in Steyr mehr Weißgerber als an einem anderen Ort im Lande ob der Enns. Sie schlossen sich zu einer Zeche oder einem Handwerk zusammen und luden die auswärtigen Meister ein, sich ihrem Handwerk einverleiben zu lassen. Solche arbeiteten in Linz, Freistadt, Enns, Waidhofen an der Mbs, Eferding, Peurbach, Kremsmünster und Wels. Ein Handwerk mit zahlreichen Meistern konnte die Belange ihrer Arbeit viel kraftvoller vertreten. Um gute Manneszucht im Handwerk halten zu können, besorgten sich die Steyrer eine vom Rate der Stadt Breslau bestätigte Abschrift der Handwerksordnung der dortigen Weißgerber. 1587 waren in Steyr sechs Meister. Einverleibt waren aus Wels ein, Freistadt zwei, Haslach zwei, Gallneukirchen ein, Perg ein, Hofkirchen ein und Padtneukir- chen ein Meister. Doch schon im Jahre 1584 erhoben die Wiener Weißgerber Einspruch gegen dieses Handwerk und wollten das alleinige und Haupthandwerk in Österreich sein. Sie sperrten allen beim Steyrer Handwerk incorpierten Meistern die Gesindeförderung, das heißt, sie erklärten alle Gesellen für unehrlich, welche bei diesen Meistern 11
arbeiteten und diese Gesellen konnten bei den Meistern des Wiener Handwerks keine Arbeit finden. Die Steyrer wehrten sich — auch mit Hilfe der Stadt und der Landesstände gegen dieses Ansinnen der Wiener, welches ihnen großen Schaden verursachte. Das Steyrer Handwerk blieb und in Linz und Wels (1671) wurden neue Handwerke gebildet. Das Linzer Handwerk erhielt mit großen Unkosten von Kaiser Karl VI. im Jahre 1727 eine Handwerksordnung oder Freiheit, welche im Jahre 1751 von Kaiserin Maria Theresia erneuert wurde. Nun erklärte sich Linz als Haupthandwerk oder Hauptlade und die Laden in Steyr und Wels als Nebenladen. Steyr wehrte sich gegen die Beiseitestellung und gegen die Beitragsleistung für die Handwerksordnungen der Linzer. Jedoch nach einem Verhörsbescheid der K. K. Landeshauptmannschaft von Österreich ob der Enns aus dem Jahre 1761 wurde Linz zur Hauptlade und Steyr und Wels zu Nebenladen erklärt. Die Nebenladen mußten zum Hauptmittl Linz Beiträge abführen. Mit Hofdekret vom 26. 10. 1772 wurde eine für alle oberösterreichischen Werkstätten gültige Handwerksordnung veröffentlicht. 3. Der Jahrtag Der Jahrtag wurde von dem Steyrer Handwerk am Gottesleichnamstag, Corporis Christi genannt, abgehalten. Alle Meister, Gesellen und Lehrlinge mußten sich in der Frühe versammeln, der hl. Messe beiwohnen und am Umzug geschlossen teilnehmen. Die dem Handwerke einverleibten Meister vom Lande mußten seit 1675 nur alle zwei Jahre erscheinen. Nach dem Umgang versammelten sich die Meister auf der Herberge, wo in Gegenwart eines Handwerkskommissärs (einem vom Bürgermeister bestimmten Mitglied des Rates) die Handwerksbelange besprochen und durchgeführt wurden. Vor der geöffneten Handwerkslade wurde die Jahresabrechnung des Zechmeisters verlesen und geprüft. Dann mußte jeder Weißgerber seinen Jahresschilling in die Lade legen. Die Handwerkssachen wurden beraten und Streitigkeiten durch den Handwerkskommissär geschlichtet. Dann erfolgte die Aufnahme neuer Meister und das Aufdingen und der Freispruch von Lehrlingen. Schließlich wurde alle zwei Jahre ein neuer Zechmeister gewählt. Über den Verlauf der Versammlung mußte der Handwerkskommissär dem Bürgermeister schriftlichen Bericht erstatten. 4. Die Lade des Handwerks Was dem Soldaten die entfaltete Fahne, das war im Handwerk die geöffnete Handwerkslade. Sie enthielt die wichtigsten Dokumente des Handwerks und auch die Gelder, welche für Strafen, Aufnahme und Freispruch und als Jahrschilling eingezahlt wurden. Wurde bei einer Versammlung auf der Herberge die Lade geöffnet, mußte von allen Anwesenden die strengste Disziplin gewahrt werden. Deshalb wurde statt der Bezeichnung „Handwerk" oft die Bezeichnung „Lade" in den Akten genommen. Die Lade des Linzer Weißgerberhandwerks war mit drei Schlössern gesperrt; die Schlüssel hiezu hatten der Handwerkskommissär, der Ober- und der Untervorsteher. Die Lade des Steyrer Handwerkes wurde auf der Herberge verwahrt. Herbergsvater war 1659/61 Wolf Öttinger. 1668/71 war der Gastwirt Mathias Ziegler, Grünmarkt 23, Herbergsvater. 1675 zogen die Meister von der Galmpergerin mit Geigenspiel fort, 1686 sind sie bei Achaz Pleckenfürster in der Enge 31.5 5. Zechmeister und einverleibte Meister Der Zechmeister war der Leiter des Handwerks. Die Akten nennen nur wenige Namen, so 1587 Hans Oller, 1657/58 Georg Auinger, 1659 und 1664 Tobias Pitschko, 1665/66 Hans Feilmahr, 1667/68 Christoph Paurnfeind, 1669/71 Hans Felmaür, 1675 Peter Stoll, 1772 Johann Georg Huber. 12
Auswärtige, einverleibte Meister waren: 1587 waren in Steyr sechs Meister, von auswärts waren einverleibt: Wels 1, Freistadt 2, Haslach 2, Gallneukirchen 1, Perg 1, Hofkirchen 1, Patneukirchen 1 Meister. 1661 waren in Steyr fünf und von auswärts zehn Meister beim Jahrestag anwesend. 1666 waren in Steyr fünf und von auswärts 21 Meister einverleibt. Entsprechend dem vorangeführten Bescheid vom Jahre 1761 sollten von den in Steyr einverleibten Meistern abgegeben werden: 1 Meister an die Nebenlade Wels, 6 Meister an die Hauptlade Linz und 13 Meister an das Handwerk in Wien. Dafür wurden wenige Meister an die Nebenlade Stebr abgegeben. 6. Die Lehrjungen Nach altem Herkommen mußte ein Junge, der aufgedingt werden wollte, seine ehrliche Geburt Nachweisen oder „per rescriptum Principis" legitimiert sein. Er mußte für das Aufdingen 12 fl und das Freisprechen gleichfalls 12 fl in die Lade legen. Der Meister erhielt ein Lehrgeld. Arme Waisenkinder mußten gratis aufgedingt und freigesprochen werden. Nach einer Lehrzeit von 5 Jahren mußten sie zeigen, daß sie das Handwerk genugsam erlernt haben. 7. Die Gesellen Kam ein Geselle nach Steyr, fragte er nach der Herberge des Handwerks und dort nach einem freien Arbeitsplatz. Es wurde ihm vom Herbergsvater das „Geschenk" gereicht. Daß es abends dann viele Räusche gab, wenn die Gesellen zur „Abendschenken-Collation" zusammen kamen, beweist der Erlaß des Königs Ferdinand vom 24. August 1550, der diese „Abendschenken-Collation" verbietet, weil sie „viel Unrat, Mord, Schand, Laster und mutwillige Handlungen" im Gefolge hatte. Hatte der Geselle 24 Stunden nach seiner Ankunft keinen Arbeitsplatz gefunden, mußte er weiterziehen. Wollte ein Geselle einen Meister verlassen, durfte er nur sonntags nach dem Frühstück kündigen. Verließ er ihn unter der Woche, wurde ihm der Lohn nicht ausbezahlt. Nach dreijähriger Wanderzeit konnte er sich um das Meisterrecht bewerben. Er mußte die zum Meisterwerden erforderlichen Eigenschaften Nachweisen, gleichgültig, ob er Meistersohn war oder nicht oder wenn er eine Meisterswitwe oder -Tochter heiraten wollte. Er mußte Nachweisen, daß er bei einem Meister des Handwerks dieses ordentlich erlernt hatte und sich in der Gesellenzeit stets treu und ordentlich verhalten habe. Das Probestück, welches ihm zu machen auferlegt wurde, durfte nicht zu teuer sein. Wurde das Stück für gut erkannt, wurde er am nächsten Jahrtag als Meister ausgenommen. 8. Des Handwerks Kampf um's Dasein Im Jahre 1576 bewarben sich die Weißgerber bei den Metzgern um Häute. Aber die Metzger erhielten Darlehen von den Lederern, damit sie ihnen die großen und kleinen Felle verkaufen. Die Weißgerber sollten nun die Felle zu höheren Preisen abkaufen. Da konnten die armen Weißgerbcr weder in der Stadt noch auf dem Lande mit. Die Lederer behaupteten allerdings, daß die Weißgerber die Felle weit und breit aufkaufen und sie ihnen die Felle um das doppelte Geld abkaufen sollen. Wenn da nicht eingeschritten wird, müssen sie abwandern. Die Weißgerber machen auch Ochsen- und Kuhhäute in Alaun und Fischschmalz weißer Art für Schuster und Messerer. 18
Erst 1584 wurde der Streit geschlichtet. Die Weißgerber erklärten vor zwei Ratsherren, kein rauhes Gefüll von hier zu verkaufen oder zu verführen, sondern den Lederern diejenigen Kuhhäute und Kalbfelle, welche sie von ihren Geymetzgern haben, in dem Werte, wie sie diese übernommen, zu überlassen. Die Lederer erklärten, daß sie alle Schaffelle, welche sie bisher von den Stadtmetzgern gehabt, den Weißgerbern überlassen werden. Die Weißgerber beschwerten sich 1587 bei der Landeshauptmannschaft, daß die Niederösterreicher nach Oberösterreich Fellwerk den armen Bauersleuten verkaufen, welches sie in Alaun gearbeitet und gelb gefärbt haben. Sie gaben es unter das Fellwerk, welches sie in Fischschmalz gearbeitet haben, durchlaufen damit alle Klöster, Schlösser, Städte, Märkte, Dörfer und Kirchtage und betrügen und nehmen den hiesigen Weißgerbern das Brot vor dem Maule weg. Das Handwerk überprüft die Felle und Waren, die es verkauft, ob sie auch gerecht sind und bittet um Schutz. 9. Die Meister des Handwerks Die Weißgerber benötigten für ihre Arbeit viel Wasser, siedelten sich daher meist an Flußläufen und, da das Material oft einen üblen Geruch verbreitete, ani Rande der Stadt an. Die Wasserkraft wurde dann zum Betrieb einer Walke ausgenützt. In Steyr waren die Häuser Haratzmüllerstraße 7, 10, 15 und 46, Kollergasse Nr. 4 und 6, Unterer Schiffweg 2 und Fabriksstraße 13 alte Betriebsstätten. Walken waren im Ennsdorf, in der 1. Zeugstätte im Aichet u. Fabriksstraße 13. Letztere gehörte von 1769 bis 1898 den vier Wcißgerbcrn gemeinsam. Von diesen vier hatten allerdings zwei um 1848 ihr Gewerbe ruhend angemeldet. Nun soll noch der Meister gedacht werden, soweit sie bekannt sind. Im Hause Haratzmüllerstraße 7 Haider Ulrich 1620 Huber Georg 1762/94 Feilmayr Hans 1635/69 Huber Josef 1794/1844 Feilmayr Melchior 1695 Wieser Philipp 1844/52 Feilmayr Sebastian 1735/51 Haratzmüllerstraße 10 . Paurnfeind Christoph 1667/69 Wetters Franz 1840/45 Graßmayr Johann 1695 Wetters Anna 1845/82 Hanke Franz 1732/80 Wetters Albert 1882/91 Hanke Regina 1780/94 Dellinger Georg 1891/1903 Perger Johann Adam 1794/96 Dellinger Maria 1903/05 Perger Marianne 1830/31 Pichler Hans 1911/25 Passeier Alois 1831/40 Pichler Hans jun. 1925— Haratzmüllerstraße 15 Mayr Hans 1598/1620 Niederist Josef 1821/49 Stoll Peter 1675/95 Niederist Therese 1883/87 Großrucker Bernhard 1735 Dellinger Georg 1887/1903 Feilmayr Leopold 1751 Dellinger Maria 1903/17 Fidler Rudolf 1773/91 Pichler Hans 1903/15 Rizolli Josef 1821 Haratzmüllerstraße 46 Galfuß Hans 1543 Schützinger Kaspar 1567 Albrecht Elias 1620/27 (Emigrant) 14
Kollergasse 4 Egginger Georg 1598 Oller Jörg Kollergasse 6 1567 Oller Adam Pitschko Tobias Hellmayr Hans Unterer Schiffweg 2 1620 Feilmayr Kaspar 1733/62 1651/66 Feilmayr Josef 1762/73 1668/96 Weißmann Franz ? Speckmüller Egidi Feilmayr Hans Speckmüller Ulrich Fabriksstraße 13 1620 1651 1695/1735 mit dem Paurnfetnd Hans. Oller Paul Fabriksstraße zwischen Nr. 24 und Nr. 26 (1735 eingefallen) 1543/67 Halbmayr Hans Hanke Franz 1. Zeugstätte (Walken?) 1695 Siehe Unterer Schiffweg 1735 Siehe Haratzmüllerstraße 10 Im Hause Fabriksstraße 13 finden wir heute als letzten Weißgärber und Sämischmacher Meister Hans Pichler jun., dem sein Sohn bei der Arbeit fleißig zur Seite steht. Im Jahre 1907 wurde auf das Gebäude ein zweites Stockwerk aufgesetzt und 1929 zwei Wohnungen eingebaut. Noch dröhnen von Zeit zu Zeit die Stößel und Walke wie zur Zeit, als die Weißgerber noch ein beachtliches Handwerk in Steyr hatten. 15
Der Steyrer Maler Johann Georg Mörser und bas ntolerehepoar toller Von Oberbaurat i, R. Dipl.-Ing. B e r n d t Es ist nicht zu bezweifeln, daß der Reiz der mittelalterlichen Stadt Steyr und der Reichtum vieler seiner Bewohner manche Maler bewogen hat, in die Stadt zu ziehen. Gelang es einem Künstler, sich in ihr einen guten Ruf zu erwerben, so blieben die Aufträge nicht aus; gelang ihm dies nicht, mußte er wieder wandern. Zu den „Malern" zählten sich im 18. Jahrhundert nicht nur die Kunstmaler und Bildlmacher, sondern auch die Anstreicher und Vergolder. ■ Am 28. 1. 1710 erhielt der Maler Johann Paul Straffer das Bürgerrecht auf seine Kunst. Wir hören weiter nichts von ihm. Im Jahre 1712 kam der Maler Johann Friedrich Prendorfer. Er konnte sich nicht durchsetzen und verließ Steyr 1717, um sich in Seitenstetten niederzulassen. Am 11. 12. 1728 ließ sich der Maler Franz Josef Fux in der Stadt nieder. Seine Witwe heiratete 1732 den Maler Johann Franz Prästorfer, welcher mit seiner Kunst und Profession seine Familie nicht erhalten konnte und wegen immer mehr und mehr einschleichender Beeinträchtigung um seinen Bürgerabschied ansuchte, um sich im Markte Stockerau niederlassen zu können. Im Jahre 1735 suchte der Maler Johann Georg Morzer aus Gmunden um die Verleihung des Bürgerrechtes bei der Stadt an. Er war der Sohn des ehrengeachteten Malers Josef Morzer und dessen Gattin Maria Theresia, welche zu Tily in Bayern hausten. Rach Erlernung der Kunst des Vaters kam er nach Gmunden, wo er die Tochter des Stadtmalers Ignaz Horätz namens Maria Jakobe Theresia am 30. Juni 1723 heiratete. Das Traubuch bezeichnet ihn schon als Stadtmaler. Johann Georg Morzer war hauptsächlich Porträt- und Kirchenmaler. Wenn seine Gemälde auch keinen Weltruf beanspruchen können, so war er doch der gesuchteste Maler dieser Gegend und die Stadt Steyr darf ihn als ihren besten Maler seiner Zeit schätzen. Seine Kunst wird übrigens verschieden beurteilt. Während seine Bildnisse von Mitgliedern der Ritterakadcmie in Kremsmünster im Dehio- Ginhart: „Handbuch der Kunstdenkmäler der Ostmark, 2. Band", als mittelmäßige Arbeiten bezeichnet werden, schreibt Prof. Dr. Konstantin Werner in seinem Werk: ..Kremsmünster in Wort und Bild" von ausgezeichneten Porträts. Das Porträt des Stiftsarztes Dr. Heyenbach bezeichnet er als trefflich. Von seinen Porträts befanden sich nach dem 2. Weltkrieg neun Stück verstaubt und leicht beschädigt auf dem Dachboden des Heimathauses Steyr. Es ist dem Kulturamt der Stadt zu danken, daß diese Bilder wieder restauriert wurden und jetzt manches Zimmer des Rathauses zieren. Die Porträts stammen aus den Jahren: 1730 Bild eines Geistlichen 1735 Bild eines Handwerkmeisters 1745 Bild eines Adeligen 1745 Bild der Gattin des Vorigen 1753 Bild eines Bürgers 1757 Bild einer Frau 1767 Bild eines Mannes 1763 Bild der Gattin des Vorigen (Gleicher Rahmen) 1773 Bild des Steyrer Buchhändlers Joh. Ferdinand Holzmayr. Außerdem befinden sich in Steyr in Privatbesitz: 1766 Bilder des Steyrer Braumeisters Augustin Wenger und seiner Gattin. Im Katalog der Sonderausstellung „Das Eisen" des o.-ö. Landesmuseums in Linz sind mehrere Porträts dieses Malers angeführt. Morzer hat vermutlich alle seine Porträts auf der Rückseite des Bildes signiert. Man schreibt ihm aber auch 16
unstgnierte Bilder zu, welche in seiner Technik gemalt sind und seiner Zeit angehören. Auch die Stadt Steyr hat Morzer beschäftigt. Für ein Gemälde in die Kapelle des Josefslazarettes erhielt er 120 Gulden. Auch malte er ein Ovalbild des Franziskus de Paula. Im Jahre 1748 arbeitete er an Freskogemälden in und außer der Kapelle des Sondersiechenhauses. Von Morzers Kirchenbildern sind bekannt: 1740 Bild des hl. Johann von Nepomuk am Seitenaltar der Pfarrkirche zu Traunkirchen. 1750 das Hochaltargemälde in der Pfarrkirche St. Jakob zu Asten. 1755 ein Kirchenbild für Gaspoltshofen. Morzer war ein Zeitgenosse des bekannten Architekten und Planers des Steyrer Rathauses Gotthard Hayberger. Es war fürwahr eine Zeit höchster Kunstblüte in Steyr. Von seinen Kindern erlangte die am 24. April 1724 geborene Maria Anna Katharina als Malerin besonderen Ruhm. Die zweite Tochter Maria Josefa heiratete am 21. 11. 1768 den Bildhauer Johann Nepomuk Hoffer aus Straubing in Churbayern, welcher seit zwei Jahren in Steyr gearbeitet hatte. Eine weitere Tochter, Maria Viktoria, starb als lljähriges Kind. Noch drei Söhne und eine Tochter gebar ihm seine Frau, welche jedoch alle, nur einige Wochen alt, starben. Johann Georg Morzer hat im Jahre 1737 das Haus des Buchdruckers Jakob Meischinger (heute Stadtplatz 42) gekauft. Über das Todesjahr Johann Georg Morzers schweigt das Sterbebuch der Stadtpfarre. Er muß in der Zeit zwischen 1775 und 1778 gestorben sein, denn am 19. Juni 1778 starb seine Witwe im Alter von 78 Jahren. Maria Anna Katharina half schon frühzeitig vertragsmäßig ihrem Vater beim Malen und erhielt auch billige Bezahlung. Am 10. November 1755 heiratete die Einunddreißigjährige den Fresko- und Architekturmaler Mathias Dollicher, welcher im gleichen Jahr das Bürgerrecht erhielt. Der Ehe entsprossen ein Sohn und drei Töchter. Zwei Töchter starben im zartesten Alter. Der geistig umnachtete Sohn blieb ihr erhalten. Dollicher starb am 21. November 1767, 40 Jahre alt. Katharina vermählte sich nun am 17. 7. 1768 mit dem aus Wien stammenden Maler Franz Xaver Gürtler. - Im Heimathaus Steyr befinden sich vier Porträts von Katharinas Hand: 1786 Bild des Abtes Maurus Gordon. 1793 Bilder des Chirurgen Andreas Dierl und seiner Gattin. Ein kleines Bild des Stephan Krakowitzer. In der Sternwarte des Stiftes Kremsmünster hängen mehrere Porträts von Studenten. An Kirchenbildern befindet sich im Heimathaus nur ein kleines, auf Blech gemaltes Bild der hl. Margarethe von Cordona. 1792 malte sie ein Bild: Leopold III. mit Gemablin und Erzherzog Franz an der Hoftaiel sitzend (Sammlung König in Wien). 1786 zeichnete sie eine Ansicht von Steyr, welche ihr Gemahl entworfen hatte. Franz Xaver Gürtler wurde Zeicbenlehrer an der Hauvtnormalschule. 1769 vollendete er das Hochaltarbild in der Michaelerkirche. Ferner malte er: 1770 „Tod des hl. Josef" für die Friedhofskapelle in Kirchdorf a. d. Krems. 1775 Hochaltarbild „Die hl. Margarethe" für die Pfarrkirche in Nicderranna. 1777 Das große Altarbild in der Pfarrkirche zu Schiedlberg. 1787 „Die hl. Dreifaltigkeit" für die Pfarrkirche Attersee. 1802 Altarblatt des Kreuzaltars in der Pfarrkirche des hl. Michael in Eberschwang. 17
Sie bekannte, ihr Kind getötet zu haben Von Dr. Ilse Reumann Bei dem Akt der Maria Seyfridtin liegen die zwei Teile eines gebrochenen Urteilsstabes. Sorgsam vorbereitet für den Tag der Hinrichtung, poliert und in der Mitte eingekerbt, damit er ohne Schwierigkeiten gebrochen werden konnte, war dieser Stab das Symbol für ein Leben, das verwirkt worden war durch das Verbrechen des Kindesmordes und das so jäh endete unter dem Beil des Scharfrichters. Fein säuberlich zusammengebunden und beschriftet, legte der Steyrer Stadtrichter Athanasius Schückl am 17. März 1679 nach Vollstreckung des Urteils den gebrochenen Stab zu den Akten, womit der Fall Seyfridt erledigt und abgeschlossen war. Auf einem dem gebrochenen Stab beiliegenden Zettel steht vermerkt: „Urtlsstäbl Maria Seyfridtin, ledigen Standts, welche wegen ihrer aigenen ermordeten Leibesfrucht ich als kaiserl. Stadtrichter allhir auf dem Platze negst des Prangers öffentlich enthaubten lassen." Es ist nicht der einzige unter den Kriminalakten des Archivs unserer Stadt, der die Aufschrift: Jnfanticidium (Kindesmord) trägt, aber er ist der einzige vollständige und zeigt klar, was vor etwa 300 Jahren einer Kindesmörderin unabwendbar bevorstand. Bei den andern Akten fehlt meist das Urteil, doch können wir die verschiedenen Strafen aus den übriggebliebenen Blättern lesen — und vieles lesen wir mit Entsetzen. Was sind drei Jahrhunderte im Ablauf der Geschichte? Im Spiegel dieser Gerichtsurteile erscheinen sie uns als eine Ewigkeit und es fällt schwer zu begreifen, daß es eine Zeit gab, in der man es als einen Akt der Gerechtigkeit ansah, Hinrichtungen als eine Art von Massaker zu zelebrieren, ja selbst an dem Toten noch weiter Vergeltung zu üben durch Aussetzen des Leichnams, Verweigerung eines Begräbnisses oder Verscharrung an irgend einem ungeweihten, ja schändlichen Ort. Noch stehen die Bürgerhäuser, deren Fassaden wir mit Freude bewundern und die ein Gruß aus alten, großen Tagen unserer Zeit sind, noch spüren wir in den Gassen und Gäßchen, auf den Stiegen und Plätzen unserer Stadt den Atem vergangener Jahrhunderte — man kann sogar die Hast und den Lärm unseres Alltags darüber vergessen, den riesigen Gegensatz der äußeren Lebensformen. Doch diese Brücke versagt uns den Dienst nur zu oft, wenn es um das Verständnis des Denkens u. Fühlens vergangener Generationen geht, wie es sich in der Gemeinschaft der Familie, der Stadt und des Staates offenbarte auf allen Gebieten des privaten und öffentlichen Lebens, vielleicht am krassesten bei einem Blick in die Gerichtsakten. 18
Was wohl der Herr Stadtrichter Athanasius Schückl sagen würde, könnte er einen Blick in eine unserer Illustrierten werfen, eine Debatte zum Thema „§ 144" mit anhören oder den Streit „Für und gegen die Todesstrafe"? Sicherlich käme ec sich vor wie der Mönch von Heisterbach, der nach 1000 Jahren in sein Kloster zurückkehrte und glaubte, er wäre nur einen Tag fortgewesen — man kannte kaum seinen Namen mehr und er kam in eine fremde Welt, die sein Vorhandensein als ein göttliches Wunder erkannte. Uns aber trennen noch keine 1000 Jahre von der Welt des Steyrer Stadtrichters, der im Jahre 1574 eines der entsetzlichsten Urteile, die für Kindesmord verhängt wurden, vollzog — nach Recht und Gesetz, nicht als einen Akt verbrecherischer, tyrannischer Willkür, wie es zu allen Zeiten und auch in unserer in Mißachtung aller Menschlichkeit fallweise vollzogen wird! In den Annalen berichtet der Chronist, daß Appolonia Schreinhuberin, Tochter eines Handwerkers, am 29. November 1573 öffentlich in Steyr als Kindesmörderin hingerichtet worden sei, und obwohl das Datum mit dem des Aktes Schreinhuber (1574) uicht übereinstimmt, war dieser doch sicher für den Chronisten die Vorlage für die Eintragung. Der Akt berichtet: „Die Malifieantin ist lebendig unter dem Galgen vergraben und ihr alsdann ein Pfahl durch den Leib geschlagen worden, maßen sie 4 Kinder in ihrem Leib durch eingenommenen Trunk getötet und das fünfte mit einem Messer ermordet hat." Sie war dazu auf das Feld zum Stadlmayr gegangen und auf frischer Tat ertappt worden. Da das tote Kind Beweis genug war, gestand sie sofort offen die ganze Wahrheit ein. Verglichen mit diesem Urteil erscheint uns die Strafe des Ertränkt- oder Enthauptetwerdens weniger entsetzlich und wir lesen mit mehr Verständnis im Urteil der Maria Seyfridt, daß die Milde des Kaisers ihr den Tod durch das Schwert gewährte, weil sie bei den Verhandlungen ihr Verbrechen bekannt hatte. Hätte sie geleugnet, würde sie wie die ebenfalls 1679 angeklagte Barbara Artbacherin „peinlich befragt" worden sein, damit die Qualen der Folterung die Wahrheit an das Tageslicht brächten. Zur Tortur vermerkt das Gerichtsprotokoll, daß man ihre Anwendung stets reiflich überlege, „da sie eine sehr gefährliche Sach ist", und da das Kind der Artbacherin mit dem Leben davongekommen sei, ließe man es bei der Tortur als Strafe bewenden. Auch mit Verleumdungsfällen hatte sich das Gericht des öfteren zu beschäftigen — wann hätte es auf dieser schönen Welt einmal keine Klatschmäuler und Denunzianten gegeben! Im Jahre 1709 mußte sich z. B. die verheiratete Frau Maria Faistenauerin vor Gericht von einer gefährlichen Verleumdung- reinwaschen und zur Buße für ihre zwar nicht so schwarze, wie es vorher den Anschein gehabt hatte, aber doch etwas befleckte Seele, wurde sie auf den Sonntagberg zu einer Wallfahrt geschickt. Sie hatte im Zorn über ihren % Jahren alten Buben zu einer Nachbarin gesagt, sie würde den Lausbuben umbringen — mit dem Messer, sekte sie noch hinzu! Natürlich tat sie es nicht, genau so wenig wie andere Mütter und Väter diese Drohungen umsetzen, sie hatte es nur in der Wut über sein GZchrei erbittert so vor sich hingesagt... Die Frau Nachbann aber rannte sofort zu ihrer innigsten Busenfreundin. um ihr unter dem Siegel der Verschwiegenheit die entsetzliche Hemmungs- lostakeit der Faistenauerin anzuvertrauen: die Freundin wiederum erzählte es der nächsten Freundin, vielleicht schrie sie auch ihrer Feindin ins Gestcht. daß sie nicht besser sei als die Kindeswörderin ... wie immer der Weg des Gerüchtes gewesen sein mag, er endete beim Gericht und nach vielen Scherereien konnte Frau Maria während ihres Fußmarsches auf den Sonntagberg Reue und Leid erwecken. Sie beichtete ihr leichtfertiges Gerede und faßte den Vorsatz, in Zukunft ihr Kind nicht einmal mehr mit Worten zu bedrohen und schon gar nicht in Anwesenheit einer Nachbarin. Den Beichtzettel lieferte sie ordnungsgemäß nach ihrer Heimkehr im Steyrer Rathaus ab, wo er noch heute unter den Akten zu finden ist als Beweis, daß die Malifieantin ihre Strafe verbüßt batte. Weniger harmlos war der Fall der Magdalena Salzhuberin im Fahre 1716, deren Kind knapp dem Tode entronnen war. Die Mutter wurde zur Strafe für ihre Fahrlässigkeit 1 Stunde lang während des Wochenmarktes, mit einem Strohkranz 19
gefront, auf einer eigens dafür errichteten Bühne an den Pranger gestellt und bann aus dem Burgfried (der Stadt) verwiesen. Die Verweisung aus der Stadt mußte nicht, wie in diesem Fall, eine auf ewige Zeiten sein, sondern man setzte jeweils eine angemessene Zeit für die Verbannung fest: 1 Jahr, 6 Jahre, ewig..., dabei wurde auch meistens vom Verbannten verlangt, daß er Urfehde schwöre, bevor er die Stadt verließ. Auch auf „Eisenarbeit", d. h. Arbeit in Ketten für eine festgesetzte Zeit konnte das Urteil lauten oder auf: 1 Stunde lang vor der Pfarrkirche in einer schwarzen Kutte ohne Kapuze stehen, einen Zettel um den Hals, der Auskunft über die Missetat gab. Das alles aber galt nur für leichte Fälle, in denen keine Anklage wegen Ktn- desmord erhoben oder diese nicht aufrecht erhalten werden konnte. Wie ernst im andern Falle die Verhandlungen durchgeführt und die Urteilsfindung vorbereitet wurde, zeigt der schon erwähnte Akt der Maria Seyfridtin. Dreimal wurde die Angeklagte dem Gericht vorgeführt und befragt, das Protokoll verzeichnet je 21 ..Fragstuckh" und es sind ihnen jeweils die Antworten der Delinquentin beigefügt. Am Schlüsse folgt stets ein zusammenfassendes, von der Angeklagten bestätigtes Bekenntnis. So wurden Vorgeschichte und Durchführung der Tat rekonstruiert und die Person der Angeklagten tritt in einfachen aber klaren Linien aus den Worten ihres Bekenntnisses. Sie leugnete nichts, beschuldigte niemanden, auch nicht den Vater ihres Kindes, der ebenfalls verhaftet worden war, und käst hat man beim Lesen ihrer Aussagen den Eindruck, als hätte dieses zwanzigjährige Mädchen mit einer gewissen Erleichterung nun endlich von allem gesprochen, das sie monatelang mit Furcht und Schmerzen erfüllt hatte. Protokolle sind immer etwas Nüchternes, sollen es wohl sein, doch liegt es vielleicht auch daran, daß man damals nicht stenographieren konnte, daß in diesen Gerichtsakten wirklich nichts anderes als ein kühles Bild von Frage und Antwort entsteht. Der Gerichtsschreiber wird froh gewesen sein, das Allerwichtigste mitzubekommen und konnte sich natürlich nicht darauf einlassen. Gefühlsregungen der Angeklagten oder Bemerkungen über den Gang der Verhandlung einzuflechten. Es wurden auch scheinbar außer dem Kindesvater keine Zeugen einvernommen, was ja wegen des lückenlosen Bekenntnisses der Angeklagten gar nicht notwendig war. So entstand ohne Absebweifung vom Hauvttbema der Anklage das Bild der Tat und der Weg, der zur ihr geführt hatte. Manches aus diesem Gerichtsvrotokoll gäbe stcher prächtige Schlagzeilen für die Presse des 20. Jahrhunderts, doch ist an- zunebmen. daß auch die Sensationslust der In- und Umwohner des Alten Steprs von 1679 nicht zu kurz kam. Seufzend vor moralischer Gfntrüftung konnte man nun endlich offen davon svrechen. daß man ..es" schon lange gewußt und der SepUidtin immer schon ein schreckliches Ende prophezeit habe, daß der Krug solange zum Brunnen gehe... — in dieser Beziehung hat stch bestimmt nichts seit Jahrbunderten geändert und wer den Faust kennt, kennt auch das Gretchen — und die Frau Marthe Schwerdtlein. Die Scbuld der Kindesmörderin soll nun keineswegs verkleinert werden, die Anaeklaote selbst hat ftA keinerlei ftlTufionen über ibr Verbrecben und feine Folgen hinaeaeben. aber ein balbvollaekrißeftes Briefblatt, das dem Akt Sevfridt beiliegt, zwinot den Leser förmlieb. in die Nichtuna der tuschelnden, stch entrüstenden Selbst- gerechfiokeit zu blicken. Es ftebt nichts auf dem Blatt, das darüber Auskunft oäbe, ob es stch um einen Brief, ein Protokoll oder lediglich um eine Notiz des Schreibers bandelt, über eine vertrauliche Aussaae eines Zeugen oder Anoeklaaten. vielleicht aber auch um beides, es ist nämlieb stcktlich von zwei verschiedenen Dina-m die Bede. Zuerst gibt jemand an. was er bei seinem Bruder an Gewand liegen habe und es ist unter den ...ftewmetern" und Strümvfen auch ein Mieder dabei, dieser Jemand also weiblicben Geschlechts — vermutlich brauchte die Eingekerkerte frische Wäsche und man schickte darum zum Bruder bzw zur Schwägerin. Im 2. Ablaß ist dann aber von der Anoeklaaten die Bede und der Sebreiber oder, was wabrsebeinlitber ist. die Skbreiberin aab vielleicht anstatt der verlangten Wäsche einen kleinen Beitrag zur Skandalchronik. „Ich möchte gerne wissen, ob das recht ist", so beginnt der 20
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2