Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 16, Dezember 1956

Die Seiler der Stadt Stehr Von Dipl.-Ing. Friedrich Berndt Zn den öftesten Handwerken der Menschheit gehört das der Seiler. Eine Ge- fellenordnung ans dein Jahre 1581 gibt einen guten Einblick in das Handwerk tiefte Leben der Gesellen und Lehrlinge in dieser Zeit. Die tägliche Arbeitszeit dauerte von 4 Uhr früh bis 7 Uhr abends während der ganzen Woche. Nur am Samstag wurde die Arbeit um 5 Uhr beendet. Wollte ein Geselle Meister werden, mußte er sich einer strengen Prüfung unterziehen, die in der Anfertigung von Handwerksartikeln bestand. So hatte er zum Beispiel ein Kriegsseil mit (i(l Fäden, 50 Klafter lang und 50 Pfund schwer herzustellen oder zwei Haggelseile in gleicher Größe, jedes 16 Klafter lang, oder eine gezwirnte Gurtscheibe von 60 gezwirnten Fäden, 12 Klafter lang und 5 Pfund schwer. In Stehr waren die Seiler an der Lehner, welche vom Stablmavrgute zum Wieserfeldplatze abfällt, angesiedelt. Im Grnndbuche des Jahres .... hießen die Häuser Nr. 74 (heute Wolfernstraße 2), Nr. 76 (heute Zachhubergasse 5) und Nr. 102 (heute Wolfernstraße 4) der Vorstadt Wiescrfcld die Häuser „nächst der Spinnstattleiten", oder an der „Seilerspinnstätte". Schon im Jahre 1504, als der Wieserfeldplah noch ein zum damals existierenden sogenannten Wieshof gehöriges Feld war, arbeitete in einem Haufe (heute Zachhubcrgaffe 7) au der Leiten der blinde Seilermeister Hans Seiler. Dieses Haus beherbergte in den Jahren 1531 bis en. 1586 den Seiler Gallias Wieser und 1695 den Hans Hahmüllncr, der das gleiche Handwerk betrieb. Die Werkstätte wurde später in das Hans, das heute die Bezeichnung Wieserfeldplah 14 führt, verlegt, dessen Besihcr folgende Seilcrmeister waren: 1735/51 Michael Hueber, 1762 August Spcrl, Regina Sperl, 1800/04 Franz Sperl, 1804/05 Jakob Knillinger, 1805/29 Thaddäus Mahr, 1829/56 Joses Mahr, 1856/69 Ignaz Fischer. Mit ihm endete diese Seilerwerkstätte. Um 1543 wirkte in «Stehr außerdem im heutigen Hanse Zachhubergasse 5 der Seilermeister Tibold Steirer, dem 1567/73 Panthalon Steirer folgte. Als letztes Glied dieser Familie führte Georg Steirer den Betrieb, dann ging er in die Hände seiner Gläubiger über. Das Haus wurde von einem Messerer erworben, die Gerechtigkeit wanderte scheinbar ins Ennsdorf ab. Die beiden Seiler-Häuser waren es wohl, die der Lehne den Namen Spinnstattleiten gaben. Viel später befand sich auch im Hause Wieserfeldplah 14 eine Seilcr-Wcrkstütte, auch sie lag an der Spinnstattleiten. 1727 drehte dort Michael Hueber seine Seile. Seine Witwe heiratete August Sperl. Voni Jahre 1800 bis 1804 war ihr Sohn. Franz Sperl Meister. Jhni folgte bis 1805 Jakob Knillinger und bis 1829 Thaddäus Mahr. Auf dessen Sohn Josef folgte 1856 Ignaz Fischer, mit welchem anscheinend diese Seilerei ihr Ende fand. Im Stadtteil Ennsdorf ist im Jahre 1598 der Seiler Hans Wieser nachweisbar. Er hatte seine Werkstätte unter der Leiten. Sicher hat sie weiterbestanden, wenn auch erst 1651 der Seilermcister Stefan Neuhofer, 1695 Matthias Neuhofer und 1735 Johann Miller in den Steuerbüchern aufscheint. Dann hat "die Werkstätte Ignaz Schillinger übernommen, dem sein Sohn Franz und nachher dessen Witwe folgten, die in zweiter Ehe den Seilermeister Johann Gärbcl heiratete. Die letzten Besitzer dieser Seilerei waren Josef Stadlmayr und dessen Witwe. 1903 wurde die Gerechtigkeit gelöscht. Seit dieser Zeit besitzt Stehr nur mehr eine Seilerei, die in der Stadt. Vom großen Hochwasser der Enns im Jahre 1572 wurde das Haus Unterer Schiffweg Nr. 3 weggerissen und vom Maurer Hans Sailer wieder aufgebaut. Sein Hauszeichen ist am Giebel des Hauses zu sehen. 40

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