Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 15, Dezember 1955

Drei Jahre später erschien in gemeinsamer Arbeit von Johannes Stabius, Koirrad Heinfogel und Albrecht Dürer ein weiteres Prachtwerk des Holzschnittes: die Sternkarte. Es ist dies in der Geschichte die erste perspektivische Darstellung der nördlichen und der südlichen Himmelshälfte. Die nördliche Karte zeigt als Kreis den Sternenhimmel mit einer Gradeinteilung, in die die aus der Antike bekannten und bezeichneten Sternbilder als Figuren eingetragen sind. Die vier Ecken sind mit den Bildnissen von vier Astronomen ausgefüllt: Ptolemäus (der um 150 n. Chr. den berühmten „Almagest" geschrieben hat) und Aratus (geb. 270 v. Chr. in Cilicien, er hat eine Beschreibung der Sternbilder verfaßt) sowie Marcus Manilius (ein römischer Dichter aus der Zeit des Augustus und des Tiberius, auch er hat ein Lehrgedicht über die Sternbilder geschrieben) und Azophi (eigentlich Adarrhaman AI-Suphi, ein arabischer Astronom, der im 10. Jahrhundert in Bagdad gelebt hat). Das zweite Blatt mit den Sternbildern des südlichen Himmels zeigt links oben das Wappen des bischöflichen Gönners Lang von Wellenberg, rechts oben die Widmung an den Kirchenfürsten, rechts unten das Privileg des Kaisers Maximilian auf ein Nachdrucksverbot von zehn Jahren und die Jahreszahl 1515, links unten aber die Angaben über die Urheberschaft dieser Sternkarte. Abgebildet sind drei Wappen: das des Stabius (Adler und Lorbeerkranz), das Wappen Heinfogels (ein Schwert mit zwei Sternen) und das von Dürer (ein geöffnetes Tor). Darüber ist zu lesen: Joann. Stabius ordinavit, Conradus Heinfogel stellas posuit, Albertus Dürer imaginibus circumscripsit. Also: Johannes Stabius gab den Auftrag, Conrad Heinfogel setzte die Sterne ein und Albrecht Dürer zeichnete die Figuren. Die Arbeit des Stabius war ohne Zweifel, daß er die Perspektive und die Gradeinteilung schuf. Konrad Heinfogel, geb. 1470 zu Nürnberg, war ein sehr gebildeter Mann, Mathematiker sowie Astronom und Capellan Kaiser Maximilians. Durch Heinfogel war Stabius auch bekannt mit dem Nürnberger Pfarrer Johann Werner, der ebenfalls großes Wissen in der Astronomie besaß. Uber Ersuchen Pfarrer Werners entwarf Stabius auch die Sonnenuhr an der St.-Lorenz-Kirche in Nürnberg. Dank der Freundschaft des Johannes Stabius mit Albrecht Dürer sind uns mehrere Porträts des Mannes erhalten. Albrecht Dürer hatte 1510 vom Nürnberger Rat den Auftrag erhalten, für die „Heiligtumskammer", in der zeitweilig die Reichskleinodien aufbewahrt wurden, zwei überlebensgroße Bildnisse Kaiser Karls des Großen und des Kaisers Sigismund zu malen. Dürer machte hiezu zahlreiche Vorstudien und als Stabius Anfang 1512 in Nürnberg eintraf, gab er dem Bilde Karls des Großen die Züge des kaiserlichen Geschichtsschreibers''). 1513 erschien erstmals ein Werk, das die Abbildungen der sechs Schutzheiligen Österreichs mit Gebetsversen an jeden Heiligen enthielt. Das Gebet an den heiligen Koloman hat Stabius verfaßt, das Gesicht des Heiligen trägt die Züge des Stabius. Dies geht aus einem Brief hervor, den Niclas Kratzer, Hofastronom in London, am 24. Oktober 1524 an Dürer geschrieben hat: „Ich pit euch, das ir mir des Stabius angestcht Welt schicken, das kunderfecht ist in der pilnus sant Kolman geschniden in holtz". Der Holzschnitt dürfte nicht von Dürer selbst, sondern von Hans Burgkmair oder Springinklee, seinen Schülern, verfertigt worden fein4 5 6). Auf Grund der Ähnlichkeit ist auch anzunehmen, daß das Schlußblatt zum „Triumphzug", das zwei fahnenschwingende Männer sehen läßt, in der linken Figur den kaiserlichen Geschichtsschreiber darstellt5). Weiters soll eine Apostelgestalt aus dem „Tod Mariä" die Züge des Stabius trogen7). 4) M. Thausing, Albrecht Dürer, Geschichte seines Lebens und seiner Kunst, Leipzig 1876. 5) Ebenda. 6j Eduard Chmelarz. Die Ehrenpforte des Kaisers Maximilian I., Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses, 33b. lv, Wien, 1886. 7) I. Aschbach, Geschichte der Wiener Universität, Wien 1877. 41

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