Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 15, Dezember 1955

Beiderseits eines Mittelganges sind eine Reihe von Raumfluchten angelegt. In der ersten Bauperiode dürften hier Geschäftsläden oder Werkstätten bestanden haben, in der zweiten Bauschichte hat man umgebaut und zahlreiche enge kleine Kammern von nur 2 bis 2.5 m Größe im Quadrat angelegt. Vielleicht war damals eine Kneipe oder ein Freudenhaus, wie man aus den zahlreichen Tenerae und dem Frauenschmuck allenfalls schließen kann, in dem Haus untergebracht. Ungefähr im Zentrum der Siedlung endlich stießen wir auf einen großen Bau, der an seiner Vorderfront durch eine Pfeilerhalle gegliedert war. Die großen, über 1 m im Rechteck messenden Pfeiler zeigen an, daß die Vorhalle sich hoch erhoben haben muß. Der Bau selbst ist erst zum Teil freigelegt, so daß über seine Bestimmung noch nichts endgültiges ausgesagt werden kann. Soviel steht nur fest, daß es sich um keinen Privatbau gehandelt haben wird. Ueber allen diesen Anlagen fanden wir eine Kulturschichte, die von schlechten Trockenmauern eingefaßt wurde. Der Grundriß dieser Häuser, der nur zum Teil erhalten ist, stimmt nicht mehr mit den alten Bauten überein, er ist auch nicht auf die römischen Straßen ausgerichtet, er stammt sicher schon aus dem frühen Mittelalter. Im Süden fanden wir an dieser Straße endlich einen kleinen Fabriksbetricb, eine Töpferei. Noch war der kleine Brennofen gut erhalten. Unter dem Boden war die Feuerung und der darüber auf zwei Bögen gelegte Brennrost zu sehen, vom aufgehenden gewölbten Mantel war nurmehr der niedrige Ansatz zu erkennen. Gebrannt hat man hier Tonflaschen, eine davon haben wir noch unversehrt im Ofen selbst gefunden. Sie weist nur einen Sprung auf. Solche Brennöfen sind in Obcr- österreich aus Wilhering bereits bekannt. Im 5. Jh. sank Roms Macht an der Donau. Die Scharen der Vandalen flausten als Föderalen in Noricum ripense (401—406). Nachdem der Hunnensturm über das Land gebraust war (450/51), fristete man in einer Reststadt sein Leben. Wahrscheinlich waren damals die Teile der Stadt, die im Westen lagen, nur mehr zum Teil bewohnt. Das Zentrum dieser Ruinenstadt muß in der Umgebung des lorum venale gesucht werden, denn hier fanden wir vor allem die spätesten Münzen, konnten über Schichten, die durch Gepräge des Honorius Gratian und Theodosius II. datiert sind, noch weitere schlechte Gußböden feststellen. Tie Ursache dafür war die Nähe der Bischofskirche, die wir unter dem Boden der heutigen Laurentiuskirche vermuten. Das war die Stadt, die der heilige Severin gesehen hat. In Zeiten der Not bildete das Lager die Zuflucht, zum Teil hat man sicher damals überhaupt hinter den starken Mauern der Festung gehaust. Das Lager und die Stadt waren der ersehnte Zufluchtsort für die Flüchtigen von den oberen Kastellen — das heißt vom Oberlauf der Donau —, wie es in der Lebensbeschreibung des hl. Severin zu lesen ist. Zuerst wurde in Raetien Künzing (Quintannis) geräumt; die erste Station für die Flüchtigen war Batavis, das heutige Passau. Aber auch hier war keine Sicherheit. Zwar gelang es, einen Überfall auf Passau abzuwehren, doch unter Führung des Heiligen übersiedelten die Bewohner beider Orte nach Enns. Wie das Leben war, zeigen auch die Vorfälle in Schlügen, das plötzlich durch Heruler geplündert wurde und dem es ebenso erging wie Boiodurum (Innstadt), das zu dieser Zeit Boiotro genannt wurde. Von Enns endlich führte der Heilige die Bevölkerung noch weiter ostwärts in das Gebiet der Rügen, in die Gegend von Favianae (Mautern). So kam Lauriacum kampflos in die Hände der nachdrängenden Alemannen. Manche von den Romanen mögen mit Severin gezogen sein, ein Teil ist aber, wie Eugipp selbst berichtet, dort geblieben. Bauern vor allem waren es, die ihre Heimat und die Scholle, welche ihnen Brot und Arbeit gab, nicht verlassen wollten. War Not. werden sie wie früher im Lager Zuflucht gesucht haben, das übrigens seit dem 5. Jh. auch eine Kirche im Innern besessen hat. War es ruhig, werden sie auch weiterhin, wie unsere Funde zeigen, im Orte gewohnt haben, der zwar nicht mehr wie eine römische Landstadt ausgesehen hat, aber doch bequemer gewesen sein mag als das Lager. Als die Baiern Herren des Landes wurden, hat der Ort sicher noch bestanden, in ihrem Munde 32

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