man die Lebensarbeit Preuenhuebers, so kann man auf sie ein Goethewort anwenden: Er sammelte im kleinsten Punkt die höchste Kraft. Dieser Punkt heißt Steyr. So hat er die österreichische und die gesamtdeutsche Geschichtsschreibung um eine bedeutende Gabe bereichert. III. Die Kirchenfragc in den Annales Styrcnses Eine kritische Würdigung des Preuenhueberischen Gesamtwerkes liegt, so dankbar sie wäre, außerhalb der Grenzen dieser Arbeit. Sie hätte sich vor allem in der Erhebung und Überprüfung der Quellen, die Preuenhueber benützte, in der Analyse der verschiedenen Stofskomponenten, in der Kritik seiner Auffassung, seiner Methode und Darstellung, nicht zuletzt im Zusammenhalt und Vergleich mit anderen zeitgenössischen Berichten zu bewegen. Die Geschichte wird bei Preuenhueber von Menschen (Dynasten, Adeligen, Bürgern) gemacht, nicht von Ideen, von Vorsehung oder Zufall, von der Masse. Doch zeigen besonders die Annales Sty- renses einen für die damalige Zeit scharfen Blick sür Recht, Verfassung und Wirtschaft. Auf dem Gebiete des Rechtes überrascht der Steyrer Historiograph durch die Herausarbeitung der rechtsgeschichtlichen Entwicklung. Ja er geht sogar dem Bedeutungswandel einzelner Rechtsausdrücke nach. Ohne juristische Studien, vor allem ohne einen ausgesprochen historischen Sinn wäre er zu solchen Ausführungen nicht gekommen. Da Preuenhueber im Zeitalter der Glaubensspaltung mit ihren tiefauswühlenden Ereignissen lebte und in Steyr selbst den Konfessionskampf und die Wellenschläge des großen obderennsischen Bauernkrieges von 1626 verspürte, bildet die Kirchenfrage den eigentlichen Prüfstein für den Historiker Prcuenhueber. Die Annales Styrenses bringen bis 1525 kirchliche Vorkommnisse in völliger Einordnung in die Stadtgeschichte und lassen erst mit diesem Jahre die „Veränderung in der Religion" als neue geschichtliche Größe die Bühne der Geschichte betreten. Im allgemeinen sind die umstrittenen kirchlichen Vorgänge, besonders die Ketzerprozesse, bis 1525 sachlich dargestellt, wenngleich in unauffälligen Kleinigkeiten der protestantische Sinn des Verfassers durchschimmert. So erzählt er, daß 1311 Erzbischof Konrad von Salzburg und Bischof Bernhard von Passau23) zwei Theologen nach Steyr sandten, „die allda Herfürgrünende Ketzerey auszureuten" (S. 47). Über den Prozeß zitiert er die Annales ©erstense8.29) Preuenhueber hält diese Ketzer unter Berufung auf Strein und dessen Bericht über Konrad von Marburg für Waldenser. Ausführlicher berichtet Peuenhueber über den großen Waldenserprozeß 1395 1397, bei dem der Inquisitor, der Cölestiner Fr. Petrus, über tausend Personen verhörte, und der mit der Verbrennung von 80 bis 100 Ketzern im „Trüxental" endete (S. 72 ff.). Doch meldet er die Untaten dieser Sektierer nicht, die 1396 den Vikar Johann voir Wolfern samt seinen Leuten im Pfarrhof von Wolfern verbrannten und 1397 dem Vikar Jakob von Wolfern dasselbe Schicksal bereiten wollten.99) Als Quellen zitiert er die Alt-Oesterreichische Chronik, den Catalogus Testium veritatis des Matthias Flaeius, der von dem Prädikanten Michael Stiefel31) hörte, daß im Kloster Garsten drei große Bücher Verhörsprotokolle aus diesem Prozeß lägen, die 1623 erschienene Waldenserchronik des Johann Jakob Erasser und des Kaspar Bruschius Schrift De Laureaco veteri. Schließlich übernimmt er ein Wort des Philippe de Comines zum Tode Sa- vonarolas: ,.Meum non est vel accusare, vel condemnare homines, ignoro enim an bene an male perempti sint“ — und fügt hinzu: „Womit auch ich diese, wider die Waldenser zu Steyer. gedachter massen vollzogene feurige Exekution hie- mit beschließen will." Zwei Hostienfrevel berichtet Preuenhueber ohne persönliche Meinung. Im Jahre 1312 verschaffte eine Buhlerin einem verhafteten Dieb eine konsekrierte Hostie als Schutzzauber gegen Überführung und gegen die Todesstrafe, und 1420 durchstachen Juden von Steyr und Garsten Hostien, die sie von der Mesnerin von Garsten gekauft hatten mit Messern (S. 83 f.). Andere Begebenheiten, wie die Predikt des Johannes Capistranus (S. 109), die Entstehung des 9
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