Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 14, Dezember 1954

chen Fällen werden die Berichte viel ausführlicher und wir bekommen von den Vorgängen ein viel genaueres Bild, als es die sparsamen Bemerkungen über die Dramenaufführungen zu bieten vermögen. Auffällig ist die Tatsache, daß die Karsreitagsprozessionen zu Beginn des 18. Jahrhunderts einen ungeahnten Höhepunkt erreichen, seit 1720 aber kaum mehr Erwähnung finden; von dieser Zeit an übernehmen die auch schon früher (seit ca. 1660) üblichen Katechistenprozessionen die prunkhafte Ausstattung und damit die führende Stellung. Ausführlichere Berichte über prächtig ausgestaltete Karsreitagsprozessionen finden sich erst im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts. So wird im Jahre 1679 die Befreiung der Juden aus babylonischer Gefangenschaft mit der Leidensgeschichte des Herrn in fünf auf Tragbühnen (super theatra bajulata) dargestellten Bildern in allegorischer Ausdeutung verbunden, ja man gab dieser Prozessionshandlung sogar den Titel „Cyrus"st. Wie bereits an anderer Stelle angedeutet wurde, handelt es sich hier um lebende Bilder, die auf Traggerüsten in der Prozession mitgeführt wurden. Die für 1689 bezeugte Karfrei- tagsprozessionst beschränkte sich auf ein einziges Traggestell, auf das man Figuren stellte. 1699 wurde von der Studentenkongregation eine Prozession! vorbereitet, von der es heißt, daß Christus auf einem Traggestell als König und auf einem aus den Marterwerkzeugen kunstvoll zusammengefügten Thron als Schmerzensmann dargestellt wurde, dem die verschiedenen Gemütsstimmungen ihre Huldigung darbringen, u. zw. so, daß der Glaube in der Gestalt der Kirche, der Schmerz und die Zerknirschung an der Haltung des Petrus und der Magdalena und die übrigen Tugenden an besonderen Zeichen erkennbar waren"). Hier haben wir es mit StumnGenen zu tun, die von der Studentenkongregation dargestellt wurden, denn sie hotten ja vom Schuldrama her die entsprechende Hebung. Bei allen diesen Prozessionen ist der Einfluß des Schuldramas unverkennbar und die meisten von ihnen weisen vor allem das Charakteristikum des Varockdramas, die Doppelhandlung, auf, die unmittelbar die Beziehung zum Drama herstellH"). In der für 1679 erwähnten Prozession ist die Parallelhandlung dem Alten Testament entnommen, in den anderen wird die Passion mit der triumphierenden Kirche in Beziehung gesetzt. Die Veranstalter, die Jesuiten und die Mitglieder der verschiedenen Kongregationen, sind selbstverständlich bemüht, diese Prozessionen so prunkvoll als möglich zu gestalten und man ersinnt immer wieder Neues, fügt immer mehr dramatische Elemente ein, bis sie schließlich einen Punkt erreichen, an dem das Dramatische das absolute Hebergewicht erhält, wie dies z. B. bei der für 1715 in den Litterae Annuae für Steyr belegten der Fall ist. In liebevoller Weise gibt der Chronist ein genaues Bild von diesem Ereignis und läßt die Vorgänge gleichsam plastisch vor unseren Augen wieder erstehen und sie uns miterleben. Hören wir, was er berichtet"). „Ausführlicher und eingehender ist über die zu Steyr veranstaltete Flagel- lantenprozejsion zu berichten. Ihr Thema war die Fortsetzung und der Abschluß der Fastenpredigten in unserer Kirche; da nämlich in diesen die Möglichkeiten der Versöhnung des Menschen als Feind des Kreuzes mit dem Kreuze aufgezeigt wurden, bereitete die marianische Kongregation dem Kreuze einen triumphalen Einzug. Der Zug setzte sich aus drei Teilen zusammen: Der erste bestand aus Bildern und stellte ein Sinnbild aus dem alten Testamente dar und zugleich auch dessen, der in diesem starb; u. zw. als erstes Bild Isaak, wie er das Holz trägt, auf das er selbst als Opfer gelegt werden soll; als zweites war das Osterlamm zu sehen, das auf diesem Holz hingeopfert werden soll; als drittes ein Stab mit einer Schlange, ein ehernes Gefäß haltend; als viertes Moses mit dem wundertätigen Stabe; als fünftes eine Stange, welche die von Josue und Chaleb aus dem Heiligen Lande mitgeführte Traube hält; 50

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