Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 14, Dezember 1954

lkisenkunst im Steprer ftieühos Dtfrieb Kästner Neben der Grieskirchner Friedhofanlage reicht in Oberösterreich nur noch die in Steyr in das 16. Jahrhundert zurück. Das protestantische Bürgertum dieser stolzen Stadt an tragender Enns und treibender Steyr erwarb einen Grund außerhalb der Stadtmauern zwischen Schnallentor und Taborturm. Dort entstand ab 1572 im Sinne und in der Formsprache der Renaissance ein heimischer „Campo santo" mit Torturm und Umfassungsmauer für die Grüfte der Geschlechter. Eine von Rundsäulen getragene Ueberdachung schuf einen ausgedehnten Umgang. In der Mitte des eingefriedeten Hofes lag und liegt heute noch — denn der Friedhof ist in seiner Grundplanung unverändert auf uns gekommen — eine kleine, einfache Friedhofkapelle. Sie bildet mit dem Torturm, dessen Inschrift uns das- Jahr 1584 als das feiner Erbauung, nennt, und dem Osttor eine Symmetrieachse. Ueber dem Turmeingang prangt im Eigenbewußtsein der Stadt der silberne Panther int grünen Feld, dasWappen- tier der Ottokare, der Stadt und der nach ihr benannten Mark. Ihm zur Seite liegen nicht etwa ein Paar Delphine, sondern Drachen, die im Bezug auf alteigenen Mythos die Sonnenscheibe verschlucken und so zum Symbol des Todes werden. Dieses interessante Dokument für die Eigenwilligkeit unserer heimischen Renaissance steht in Steyr nicht allein und schon die romantische, ausklingende Spätgotik hat in ihrer renaisscmoehaften Grundströmung selbst in der Pfarrkirche eine „Vggdrasildarstellung" im Beschlag des Südto-res. (Wie unsere heimische deutsche Renaissance durchaus nicht auf antikes Geistesgut zurückgreift, sondern auf arteigene Tradition, zeigt in eindringlichster Weise das Schnallentor. Dieses hatte seinen bezeichnenden Namen von der Nachbildung einer völkerwanderungszeitlichen Fibel im Schlußstein des Bogens. Sie ging leider ohne Notwendigkeit anläßlich der letzten Restaurierung verloren. Doch war an dem Tor auch die Mautstelle der Stadt.) Auch, in den Eisengittern des Turmtores am Friedhof mag die „Sonne" noch auf das Sinnbild weisen. Zeitlich folgt als wahrscheinlich österreichisches, sicher aber obderennsisches einmaliges Stück die reiche Ausstattung der Gruft der Familie.Holderer. Hier, in der reichsten und kulturell führenden Stadt Oberösterreichs zu Beginn der Gegenreformation ist eine Datierung für das Ende des 16. Jahrhunderts durchaus berechtigt. Um 1590 erhebt sich mit dem Programm des katholischen Wiederaufstieges auch eine gewollte und manieristische Nachgotik, deren Formsprache in diesen Grustgittern eindringlichst zum Ausdruck kommt. Es treten nun anstelle der gotischen Kreuzblumen Spinüel- blumen, während die — auch heute wieder so beliebten Zwirbelmuster — die in der Gotik beliebte Drehung (Torsion) aufgreifen. Ballustergestäbe, schon fast 150 Jahre früher von Donatello in Florenz verwendet, kommen nunmehr über Spanien in unseren Formenschatz. Diese stark an die Gotik erinnernden Spieße halten einen Rahmenbau zusammen, dessen Feldfüllungen von den verschiedensten Variationen um das Thema des Lebensbaumss bestritten sind. Das Sprossen dieses Lebenssinnbildes aus dem Krüglein mit Lebenswasser bekommt nun im Sinne der christlichen Unterlegung der Rekatholisierung einen neuen Sinngehalt. Es ist die Hoffnung auf das ewige Leben nach dem Tode. Künstlerisch sind die Kompositionen dieser Felder von einer Sicherheit und Ausgewogenheit, die einen Handwerksmeister von höchstem Range voraussetzt. Bei 44

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