zwei Jahrzehnts genau datieren. Diese Datierungen sind Meisterstücke der Linguistik, die allerdings in unserem Zusammenhang nicht mehr zu erörtern sind. Nun haben sich glücklicherweise in beiden Nachbarsprachen kurz hintereinander im 8. und 9. Jahrhundert so viele Lautgesetze abgespielt, daß wir mit ihrer Hilfe bei den Lehnwörtern und Ortsnamen die Zeit der Uebernahme ins Deutsche wirklich oft auf Jahrzehnte genau bestimmen können. Ließen sich die Namen mit zeitlich verschiedenen Entlehnungen auch im Raume verschieden anordnen, dann wäre es uns möglich, aus der Gliederung im Raume umgekehrt das stufenweise Vordringen der Kolonisation herauszulesen. Auch das gelingt der Namenforschung, ja das ist vielleicht die größte Leistung, welche die Namenkunde für den Historiker aufzubieten imstande ist. Denn diese Datierungen lassen sich auch über die folgenden Jahrhunderte in Zeit und Raum staffeln. Bevor wir auf sie eingehen, wollen wir zum besseren Verständnis noch rasch zwei andere wesentliche Probleme lösen. Erstens: Wie weit sind die Slawen überhaupt in Oberösterreich vorgedrungen; zweitens: kamen diese Slawen wirklich überall später hin als die Baiern oder gilt diese Feststellung nur für die Donaustraße und sieht dieses Verhältnis abseits der Hauptverkehrsader wieder anders aus? Die erste Frage läßt sich leicht beantworten. Wir brauchen nur nachzusehen, wie weit in Oberösterreich Namen slawischer Herkunft reichen und den Bereich dann abgrenzen. Die Skizze 1, auf die wir jetzt wieder zurückgreifen, tut dies mit einer schwarzen Borstenlinie. Diese Linie ist interessant genug. Im Mühlviertel reichen die Ortsbezeichnungen slawischen Ursprungs von Norden her annähernd bis zum Steilabbruch der Mühlviertler Höhenplatte gegen die Donau nach Süden, sie erreichen nirgends das Stromufer selbst. Im Süden meidet der Slawenbereich überdies den Traunlaus, so lange dieser Fluh die Ebene durchzieht. Erst im Salzkammergut, nämlich im Jschler Becken, also im Gebirge, tauchen slawische Namen auch an der Traun auf. Das Merkwürdige ist also dabei, daß die ganze oberösterreichische Donaustraße bis Enns und der Lauf der Traun durch die fruchtbare Ebene frei bleiben von slawischem Namengut und daher auch zu allen Zeiten frei geblieben ist von slawischen Ansiedlungen. Das Bild der Verbreitung slawischer Ortsbezeichnungen gleicht einem Keil, der sich an Donau und Traun sehr weit nach Osten vorschiebt tief im Gebiet slawischer Nomenklatur; dies sieht man auf unserer Skizze sehr schön. Wir werden uns bei der Auslegung dieses Keiles kaum täuschen, wenn wir annehmen, die Baiern haben die Slawen daran gehindert, die Herzlandschaft von Oberösterreich zu besetzen. Die Beantwortung der zweiten Frage ist historisch nicht viel weniger aufschlußreich. Man kann nämlich im Lichte der Namenforschung feststellen, daß zwar wohl an der Donau und vielleicht teilweise noch um Steyr die Baiern früher da gewesen waren als die Slawen, man bemerkt aber auch, daß die Slawen ins Steyrtal und ins Ennstal oberhalb Steyr sowie in allen weiteren abseitigeren Landschaften unseres Bundeslandes gleichzeitig mit den Baiern eingewandert sind. Es hat sich eine Vermengung beider Völker herausgebildet, fern von allen Nationalitätsproblemen etwa im Sinne des 19. Jahrhunderts. Den Beweis dafür hier anzutreten würde allerdings zu weit in Einzelheiten führen. Wir dürfen ruhig behaupten, daß die siedlungsmäßige Neuerschließung des Steyr- und des oberen Ennstales eine gemeinsame Kulturleistung von Baiern und von Slawen war; Neuerschließung deshalb, weil wir ja bereits erfahren haben, daß diese beiden Täler nach Fundausweisen in vorgeschichtlicher Zeit schon einmal bewohnt gewesen, aber nach den namenkundlichen 76
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