Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, März 1953

stätter lauern, am Mallnitzer lauern, an der Glocknerstraße, am Semmering usw. Das hat seinen guten Grund. Es wurde durch die Unsicherheit während der Völkerwanderungszeit der Warenaustausch wegen der fortdauernden Plünderungsgefahr derart riskant, daß das Hinfahren ins Bergwerks- und Hochtal mit Ackerbauprodukten und das Zurückfahren mit Eisenehz, Salz und dergleichen unrentabel geworden war. Man stellte den Tauschverkehr in und über die Hochtäler ein, jenen Verkehr, den die abseitigen Alpendörfer, die unter Vollbetrieb ihrer Vergwerkssjedlungen in der Lebensmittelproduktion unmöglich autark bleiben konnten, brauchten; man hat diese Dörfer nicht mehr ausreichend mit Lebensrnittel versorgt. Man baute aber auch in den Tälern selbst nicht mehr ernstlich auf Bergschätze, weil auch diese nicht mehr bis in die volkreichen Absatzgebiete geliefert werden konnten und vorher oft geraubt wurden. Aber auch jene Restbevölkerung der Alpendörfer, die das Hochtal selbst hätte ernähren können, zog offenbar nach klimatisch zusagenderen Gunstlandschaften ab, gelockt von den neuentftanbenen Bevölkerungslücken durch Kriegsschädigungen in der Ebene, gelockt aber auch durch die leichteren Schutzmaßnahmen gegen fremde Ueberfätte, wie sie die volkreiche Ebene gegenüber der schwachen Bergeinsamkeit bot. Mit dem Verschwinden der alten Bevölkerung in den Hochtälern hörten natürlich auch die alten Namen auf; sie fielen der Vergessenheit anheim, es war niemand mehr da, der sie hätte überliefern können. Das also, die Unterbrechung der Bevölkerungskontinuität, ist die Ursache dafür, warum im oberen Ennstal von Steyr aufwärts und im Steyrtal die vor- v römischen Namen trotz prähistorischer Bewohnerschaft radikal beseitigt erscheinen. Gewonnen haben mir die Erkenntnis einer vorübergehenden Entvölkerung der Neben- und Bergwerkstäler allein aus der Namenkunde. Wir sind, wie man später erfahren wird, sogar in der Lage, auf namenkundlichem Wege herauszubekommen, wann die Neubesiedlung dieser Nebentäler begann. In Tirol, wo sich die Stürme der Völkerwanderung nicht mehr arg ausgewirkt haben, bleiben an den Paßstraßen und in den alten Knappentälern die oor- römifchen Namen bestehen. Uebriggebüeben ist vorrömisches Gut nur zwischen Steyr und Donau als Teil der oberösterreichischen Herzlandschaft, und zwar in drei Flußnamen und in einem Siedlungsnamen. Dies ist die Bezeichnung für die zwei großen Flüsse Steyr und Enns und für einen kleinen Seitenbach der Donau, 3pf. Damit gelangen mir zum zweitenmal zum Namen Steyr selbst. Leider ist man gerade bei ihm vorderhand noch nicht in der Lage, eine allgemein anerkannte Deutung zu geben; die Fachleute haben sich darüber, aus welcher Sprache Steyr stammt, noch nicht einigen können und noch weniger sind sie eines Sinnes darüber, was Steyr etymologisch bedeutet. Sicher ist immerhin zweierlei. Erstens, daß der Flußname zurückreicht bis in die vorgeschichtliche Zeit. Man ersieht das aus dem Umstand, daß in spätanliken Geschichtsquellen südlich von unserer Stadt ein offenbar keltischer Volksstamm die Bezeichnung Sfitiafen geführt hatte, das heißt, genau genommen, so viel wie die Leute am Flusse Steyr, also die Steyrtaler. Ueberliefert ist allerdings nur der Ortsname SUriate, den die Archäologien in der Gegend von Siegen suchen. Durch die Form Skiriate wird zweitens klar, daß der Fluß selbst in ältester Zeit Stiria geheißen haben muß, also nicht Stira, wie man vielleicht glauben könnte. Damit ist die kirchenlateinische Form Styria des Mittelalters und der Neuzeit vollauf gerechtfertigt. Sie muß uralt fein und knüpft auf uns unklaren Wegen an eine Form an, die schon im Altertum da gewesen war. Vermutlich hat sie sich gehalten in der kirchlichen Ueberlieferung der frühchristlichen Stadt Lorch, dem Caudatum der Römerzeit. Caudatum - Cord) ist der vierte vorrömische Name unserer Gegend; er ist mit keltischen Sprachmitteln gebildet worden, -atom ist eine 70

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