nisse aus dem Süden wanderten in das Gemach so mancher Bürgersfrau, deren Gemahl von einer weiten Reise heimkehrte. Hier kauften die wohlhabenden Geschäftsleute die Luxusgegenstände aus dem Süden; ihre Frauen schmückten sich mit feinen Seidentüchern und bestickten Gewändern, ihre Herrensitze zierten venetianische Glasluster; feingeschliffene Spiegel und bunt bemalte Gläser kündeten von südlicher Herkunft. Hier in Steyr waren den erhöhten Anforderungen des Kaufmannstandes entsprechend nicht nur Lagerräume zur Stapelung von Eisen und Stahl entstanden^sondern auch mächtige Herrensitze, mit prunkvollen Fassaden, die den anspruchsvollen Bedürfnissen der reichen Eisenbürger Rechnung trugen. Im Mittelpunkt der Stadt, auf dem Stadtplatz, errichteten die Eisenherren ihre Wohnsitze, die durch ihre geschmackvolle Bauweise und kostbare Einrichtung von hoher kultureller und sozialer Stellung jenes Standes zeugen. Aus der Glanzperiode des Eisen-handels haben sich bis heute wertvolle Denkmäler erhalten, die von einstiger Blütezeit künden. Der in seiner Anlage einzigartige Stadtplatz mit den gotischen Giebelhäusern, den herrlichen Portalen und traumhaft schönen Arkadenhöfen, der mächtige Innerberger Stadel mit den vielbewunderten Sgraffitoverzierungen, die alten Häuser an der Enns mit ihren Eisengewölben, die vielen kleinen, winkeligen Gäßchen und steilen Stiegen, der idyllische Schiffweg — sie alle reden zum stillen Wanderer von Steyrs hoher Zeit! Mögen wir uns immer ihrer bewußt sein und bleiben!-”9) Durch ständigen geschäftlichen Verkehr der Eisenhandwerker mit den wohlhabenden Großhändlern gelangten jene auch in kultureller Hinsicht unter ihren Einfluß. Hier sind es wieder die Messerer in der Stadt, als Vertreter des mächtigsten Gewerbes, die Wohlstand und Reichtum erwarben und nach dem Vorbild der Händler verwendeten. Im besonderen sei hier der „Schwarzen Grafen", der reich begüterten Sensengewerken unseres Gebietes gedacht; sie ahmten nach, was sie in Steyr sahen, bauten Herrensitze, mit kunstvollen Arbeiten aus Schmiedeisen verziert, die sich wie Schlösser in den waldreichen Tälern unserer Heimat erheben und heute noch von dem kulturellen Geist der Gewerke Zeugnis ablegen. Die Kultur der Sensenschmiede stellt für uns heute einen besonderen Begriff dar, der sowohl die bauliche Ausgestaltung ihrer Wohnsitze, die gediegene Einrichtung, die kostbaren Gewänder, herrlichen Schmuckstücke und Bilder sowie auch die Stellung der Gewerken zu ihren Arbeitern umfaßt. Unmittelbarem Einfluß Steyrs waren die Handwerker der gesamten Umgebung auch in sprachlicher Hinsicht ausgesetzt. Hier übliche Wendungen gebrauchten auch die Schmiede Niederösterreichs, des Mbs- und Erlauftales. Die Gebiete an der unteren Enns zwischen Altenmarkt und Steyr, an der Krems und Steyr zeigten die gleichen Wortformen; das Steyr- und Kremstal konnte sich jedoch auf diesem Gebiete doch größere Selbständigkeit erhalten als das Ennstal, das fast völlig abhängig mar.530) Das Eisenland, das sich als breiter Uebergangsgürtel zwischen dem altdeutschen Siedlungsraum im Westen und dem neueroberten Kolonialland im Osten erstreckte, trug jenes wirtschaftliche, kulturelle und sprachliche Gepräge, das von der Stadt Steyr aus bestimmt wurde. Vielerlei Beziehungen verbanden die Gebiete zu beiden Seiten der Enns, sie verschmolzen mit Hilfe der Mittlerstellung der Stadt zur kulturellen und sprachlichen Einheit. Sie zog die kulturellen und sprachlichen Neuerungen des Donauraumes an sich und strahlte sie nach Westen und Süden aus; ihr Einfluß setzte sich über natürliche und politische Grenzen hinweg. Steyr beherrschte als Vorort der Eisenverarbei- tung und des Eisenhandels das oberösterreichische Eisengebiet westlich der 50
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