Steyr und die Glaubenskämpfe

beobachtete mit größter Wachsamkeit alle seine Maßnahmen und Forderungen, getrieben von dem Willen, den eigenständigen Besitz mit allen dazu gehörigen Rechten und Frei¬ heiten zu schützen und zu vermehren. Der erste Stend war der Prälatenstand; doch mit dem Vordringen des Drotestantismus sank sein Einfluß und der zweite Stand rückte vor. Der Adel führte das Wort und hatte sich, seit Jahrhunderten alle Schwächen des Landesfürstentums ausnützend eine Machtposition erworben, die, durch die Zejtereignisse gefördert, für die Einheit und den inn ren Zusammenhalt des Reiches den Ruin be¬ deutete. Am Beginn des 16. Jahrhunderts war der Landesfürst gezwungen, bei allen seinen Schritten die Einstellung der Stände in Betracht zu ziehen, seine Forderungen an sie mußten meist eingehandelt werden und wurden oft erst nach langem Feilschen be¬ sie willigt. Die Stände hattn mächtige Bundesgenossen in den Türkenkriegen, für die große Summen bewilligen mußten, in der Abwesenheit des Kaisers der meist in Spa¬ nien weilte und in dem Zerwürfnis im Herrscherhaus zu der Zeit, als Matthias die Stände mit Versprechungen köderte, um eine Waffe gegen seinen Bruder Rudolf II. zu schmirden. Versprechungn, die er zwar nicht einlösen wollte, die aber für die Re¬ ligionsansprüche der Stände einen positiven Aufschub bedeuteten und einen Ansatzpunkt für ihre Forderungen. „Landtage sind Geldtage“ so hieß es und wo Geld im Spiele ist, dort wird gehandelt. Seit dem Beginn der Glaubensspaltung war das wesentlichste Handelsobjekt die Religion und ihre freie Ausübung im Geiste Luthers. Die Stellung der Städte in der Landschaft war eine untergeordnete, ihre Vertreter nicht persönlich der Landschaft zugehörig, sondern nun als Vertreter ihrer Stadt, in der sie meist eine Rolle als Ratsmitglieder spielten. Sie unterschrieben mit Stepr, Wels etc. und nur elten setzten sie ihre Namen dahinter.!) Ihre Stellung war auch nicht die eines über sich frei verfügenden Standes da sie als landesfürstliche Städte ein Teil des Kammergutes waven, ein Umstand, der dem Landesfürsten bei der Bekämpfung der Reformbestrebungen als Waffe greifbar war. Im übrigen hielt man es auf beiden Seiten innerhalb der Landschaft mit der Dokumentierung des Zusammengehörigkeitsgefühles oder der Distan¬ Im Bauernkrieg erklärten sich die zierung ganz nach der politischen Notwendigkeit. Städte nicht für angegriffen und daher zur Mithilfe bei der Abwhr nicht für ver¬ pflichtet. Als Ferdinand den Städten verbot in Religionssachen gemeinsam mit den übrigen drei Ständen zu beraten, erhob die gesamte Landschaft ihre Stimme und be¬ teuerte ihre langjährige Einheit und Einigkeit. Bei Jahlungen und verantwortungs¬ vollen Beschlüssen galten die Städte auf jeden Fall für gleichberechtigt, wenn auch ihre Verordneten am Reichstag hinten stehen mußten.?) Ab 1505 waren Linz und Wels Versammlungsorte, nach 1521 blieb Linz für immer Ort der Tagungen. Dor Ankauf des Minoritenklosters wurden diese in einem Adelshause abgehalten wo die Geschäft in einer Kanzlei von einem Landessekretär, dem Einnehmer und zwei Schreibern abgewickelt wurden, und diese Geschäfte waren nichts Geringeres als die Geschichte des Landes ob der Enns. Die Landtage beschäftigten sich schon vor dem Beginn der Glaubensspaltung mit Schäden im Rechtsleben und in der Seel¬ den Mißständen im Klerus hinsichtlich der sorge. Adel und Klerus lagen sich wegender Steuerfrage in den Haaren, Klage und Gegenklage sind uns in den Gravamina erhalten.s) 1518 prangerte erneut die Schäden in der Der Innsbrucker Ausschußlandtag Kirche und in der Geistlichkeit an, forderte Abstellung der Mißstände durch den Kaiser unter Mithilfe der Bischöfe und Ordinarii und daß er darüber, wie andere Könige, „pragmatische Privilegien“ und Bullen zu erlangen suche. Der Stellungswechsel der aristlichen und weltlichen Macht in der Lenkung von Religionsangelegenheiten war im Denken der Untertanen bereits vollzogen. Dem Landesfürsten wurde kraft seiner kirch¬ lichen Dogteirechte und der Drinalichkeit der Sache das Recht zur Ergreifung der Ini¬ tiative in der Reformsache zuerkannt wenn auch ein Konkordat zur Bedingung ge¬ macht wurde.*) Denn noch war eine Reform g dacht innerhalb der katholischen Kirche und der Dapst oberste kirchliche Autorität. 1)Eder, Bd. I, S. 586. 2) Dgl. Stauber: Histor. Ephemeriden, S. 106. 3) geheimes Ar¬ Generallandtag der österr. Erbländer zu Angsburg 1510; LLA. 270; der Welser Landtag 1517; der Innsbrucker Ausschußlandtag1518. chiv Nr. 4) Eder I, S. 574. 5) Ordnung der Landesverwaltung und Kompetenz der provisorischen Regierung. Prev. S. 208 ff. 28

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