Häuserchronik der Altstadt Steyr - 1. Teil

gewölbt, der Turm erhielt einen barocken Helm, der noch auf der Photographie des Jahres 1854 zu sehen ist. Damals wurde wahrscheinlich auch der Lettner entfernt, der die Kirche beim vierten Pfeiler durchquerend den Raum der Laien vom Priesterchore schied. Auf dem in der Wiener Akademie der bildenden Künste aufbewahrten alten Plan der Steyrer Stadtpfarrkirche ist dieser Lettner noch ersichtlich, auf ihn führte eine Stiege neben dem Ausgang an der EJ:,listelseite und eine Türe vom Turm aus, deren Spuren heute noch kenntlich sind. 14 ) In diesem Zustand blieb die Kirche über 200 Jahre, bis die Zeit aufgeschlossen wurde für die Schönheiten der Gotik. Man begann plötzlich die Disharmonie in den barockisierten gotischen Kirchen zu sehen und damit unerträglich zu finden . 1857 ging man an die Rückgotisierung der Stadtpfarrkirche, wobei freilich manch treffliches Stück aus der Barocke verloren ging. Der gotische Hochaltar wurde bei Fidelis Schönlaub in München bestellt, der Altar der Turmkapelle dem Steyrer Kunsttischler Johann Jaumsch anvertraut.15 ) Das Hochaltarbild von Röselfeld kam in die Margaretenkapelle. (Siehe H. 22.) In der Nacht vom 8. zum 9. Jänner 1876 brannte die obere Turmwarte infolge schadhaften Rauchfanges der Turmwächterwohnung nieder. (Ein Bild des Brandes hängt in der Kanzlei des Pfarrhofes.) Turmhelm und Kreuz stürzten in die Tiefe, letzteres blieb unversehrt und wird an der Außenwand der Kirche gegenüber dem Mesnerhaus aufbewahrt. Nun erst, 188G, wurde nach Plänen des Dombaumeisters Schmidt der Turm in seiner jetzigen schönen, hohen Form ausgebaut, einer Form, die nach unserem dem Gotischen zugeneigten Empfinden in solchem Maße mit dem übrigen Bau harmoniert, daß wir geneigt sind, zu glauben, sie wäre von vornherein nicht anders geplant gewesen. Der Bau dauerte vier Jahre und kostete 200.000 Kronen. Wichtiger als diese Jahreszahlen ist die Tatsache, daß die Pfarrkirche in Steyr in ihrer Gesamtanlage mit dem Stephansdome in Wien einen engen Zusammenhang aufweist.1G) Dies erklärt sich einfach aus dem Einwirken der Bauhütte St. Stephan in Wien, das sich in späterer Zeit (so wie am Beginn der Gotik der Einfluß der Bauhütten der großen französischen gotischen Dome in Deutschland) in den mittleren Donauländern geltend machte. Die Pfarrkirche von Steyr ist eine dreischiffige Hallenkirche wie St. Stephan, die auch im Grundriß manche Aehnlichkeit und im Chorabschluß aller drei Schiffe dieselbe aus dem Achteck gebildete Form hat. Die Pfeiler des Mittelschiffes zeigen eine sehr ähnliche Profilierung wie jene der Stephanskirche, auch bilden sie wie dort von Baldachinen überdachte Nischen für Heiligenstatuen. Im Westen ist der Kirche eine einfache breite Vorhalle vorgebaut, über welche sich im Innern die Orgelempore erhebt. Am reichsten gestaltet ist im äußeren Bau die nördliche Vorhalle mit den zwei Portalen. Daneben baut sich das Treppenhaus für die Empore an, aus dem sich ein achteckiges Türmchen loslöst. Unter der Kreuzblume desselben windet sich ein Spruchband mit der Jahreszahl 1509. Das Innere der Kirche ist von leichter, freier und lichter Wirkung. Die zwölf reich profilierten Pfeiler wachsen hoch empor zum Gewölbe, für welches sie in den letzten drei Feldern aller drei Schiffe ein reiches Netzwerk ·entsenden. Die Mauern sind vor allem an den Chorpartien durch die breiten, hohen Fenster, die mit reichem Maßwerk abschließen, ganz auf das tragende Strebesystem hin aufgebaut. Die umschließenden Mauerflächen sind fa st verdrängt und dafür riesige Fenster zwischen den konstruktiven Baugliedern eingelagert. Die Fenster waren fast alle mit alten Glasgemälden geschmückt, von denen sich heute nur mehr wenige Res te erhalten haben; viele wurden schon zu Beginn des vorigen Jahrhunderts in die Kapelle der Franzensburg und die Rittergruft von Laxenburg übertragen. Die ältesten Ueberreste sind in den zwei Fenstern über der nördlichen VorhalJ'e, der sich innen ein Oratorium einbaut, vereinigt. - In das linke Seitenschiff schneidet de'r sechseckige Turm mit zwei. Seiten ein und- bildet eine kleine Kapelle mit schönem Sterngewölbe. Dort steht das schon erwähnte Taufbecken.17 ) 47

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