Ausbreitung der Seuche hingegen waren die Wohnungen offen zu lassen, da eine Schließung derselben wenig Sinn mehr hatte. Die oberste Aufsicht über alle Erkrankten wurde einer „betagten Amtsperson aus der Bürgerschaft" übertragen, die wöchentlich ein Verzeichnis der Infizierten dem Bürgermeister vorleaen mußte. Dieser „Jnfektionsaufseher" hatte auch anwesend zu sein, wenn Leute, deren Krankheit nicht einwandfrei feststand, vom Stadtarzt und Bader zu untersuchen waren. Eine andere „ungebrechliche, müßige, doch betagte Person", womöglich der Bettelrichter, sollte die Infizierten auskundschaften. Er durfte „reine" Häuser nicht betreten und wohnte abgesondert beim Totenträger und Totengräber. Leute, die der Seuche erlagen, wurden außerhalb der Stadt begraben. Im Pestjahr 1541/42 bestattete man sie im sogenannten „Weichselgarten" in der Nähe des Bruder- Hauses^). Zur Zeit der Infektion wurden die Bäder geschlossen, Handwerkszusammenkünfte verboten, bei Hochzeiten das „Freudenspiel" weder zum Kirchgang noch bei der Mahlzeit, zu der nur „ein bis zwei Tisch Gäste" geladen waren, gestattet. Es erfolgte die Einstellung öffentlicher Unterhaltungen wie Tanzen, Schießen und Spielen auf gemeinen Plätzen, der Besuch der Fechtschulen, das Zechen und „Gästsetzen" in Wein- und Bierhäusern sowie die Abschaffung aller „Branntweintischlein". Zu meiden waren Schwämme und Obst, das „nur zum Genäsch" diente, „dieweil es nur faule Fieber und andrer Krankheiten in des Menschen Leib gebärt." Besonderes Augenmerk schenkte man den Fremden. Sie mußten sich außerhalb der Stadt eine Herberge suchen. Wandersleute begleitete der Torhüter durch die Stadt und führte sie bei dem anderen Tore wieder hinaus. Der Rat verlangte, daß solche Personen nicht unfreundlich abgewiesen, „vielweniger mit Geißeln und Prügeln" weggetrieben werden. Hiesige Bürger, aus „verdächtigen Orten" kommend, erhielten erst Einlaß, wenn sie sich acht bis zehn Tage an „frischen, gesunden Orten" vor den Stadtmauern „ausgelüftet" hatten. Außer diesen Weisungen enthält die Jnfektionsordnung schließlich noch verschiedene Vorschriften über die Reinigung der „unsauberen" Winkel, der Kub- und Schweinestalle, über die Behandlung des Bettgewandes der Erkrankten, der Lebensmiltelvorräte und besondere Bestimmungen für die Fleischhauer. Als 1583 abermals Seuchen die Stadt bedrohten, beschäftigte sich der Rat neuerdings in mehreren Sitzungen mit der Ausarbeitung eines Infektionsgesetzes29). Wie aus einem an die Niederösterreichische Regierung gerichteten Bericht vom Dezember 1598 über die Verbreitung der „leidigen Seuch der Infektion" im Ennstal und in Linz hervorgeht, war es aber häufig trotz aller „gebührlichen Fürsehung" nicht möglich, den Ausbruch einer Infektionskrankheit zu verhindern. „Was aber hierige Stadt anlangt", so schreiben die Steyrer, „ist es ein sehr weitschweifiges offenes Wesen und das mehrer Volk in Vorstädten beisammen, allda sich bald etwas ereignen fcmn"29). — In inniger Zusammenarbeit mit den Aerzten finden wir die Apotheker. War es doch schon im 14. Jahrhundert üblich, daß die Aerzte selbst die Medi-- kamente aus der Apotheke holten und den Patienten reichten9"). Vor vierhundert Jahren befand sich in Steyr die Apotheke im Hause Enge Nr. 931). Wie sich hier der Geschäftsbetrieb gestaltete und welche Ausbildung von den Pharmazeuten verlangt wurde, schildert uns eingehend die mit 4. Dezember 1577 datierte „Ordnung, wie es in der Stadt Steyr mit den Apothekern gehalten werden solle"32). Nicht an der Hochschule, sondern durch praktische Unterweisung in einer Apotheke wurde damals die Arzneikunst erlernt. Der Lehrjunge mußte in Gottesfurcht und Ehrbarkeit erzogen, bei „ziemlichem Alter und Verstand" und der lateinischen Sprache „etlichermaßen" kundig sein. Nach Ablauf der sechsjährigen Lehrzeit hatte er vor approbierten Aerzten, einem Apotheker und ver7
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