Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Dezember 1949

ritterlicher Geschlechter Verwendung fanden und ihren Einfluß auch auf die Wahl der Wirtshauszeichen ausüben mußten. Aber nicht nur diese mittelalterliche Welt des Rittertums, auch Fabel und Sage, christliche Gebräuche und Feste, Besonderheiten der örtlichen Lage, Symbole der Innungen, helfen au der Bildung jener Begriffe mit. Es ist aber nicht nur reizvoll, dem Sinn dieser Namensgebungen nachzuspüren, sondern ebenso dankbar, die künstlerische Seite dieser Schmiedearbeiten zu betrachten. Die künstlerische? Jawohl! Man muß nur einmal den Blick dafür üben, um zu erkennen, wie wundervoll einzelne dieser Arbeiten sind, man muß sie miteinander vergleichen und auf die Kräfte acht haben, die an der Ausführung dieser Schilder teilnehmen, man muh beobachten lernen, wie sich handwerkliche Tüchtigkeit und Ueberlieferung mit den Einflüssen des jeweiligen Zeitgeschmackes und der persönlichen Eigenart des Meisters zusammenfinden. Liebte die Zeit der Renaissance die klare Gliederung in Träger und Schild, ruhige Schönheit der Linie und der ornamentalen Flächenfüllung, welche die Verstrebung des Trägers geradezu fordert, so durchbricht der nachfolgende Barockstil die glatte Fläche und löst die Schönheit der unbedingten Ruhe in eine Schönheit der Bewegung auf. Ranken und Blätter umblühen jetzt die Schwere des Schildes, streben ihr entgegen und scheinen sie schließlich in luftige Gebilde umzuwandeln. Unermüdlich ist die Phantasie der Schmiedemeister bemüht, das Spiel ausladender Linien, bewegter Bogen und Spiralen zu steigern-, dazu treten Zeichen und schmückende Zutat zur Freude des verständigen Beschauers in enge formale und inhaltliche Beziehung. Man darf sagen, daß mit dem ersten Auftreten schmiedeeiserner Schilder im Straßenbild auch das Streben nach Schönheit der Form und des Maßes, der vollkommene Gleichklang mit der Gebärde der Architektur am deutlichsten zu spüren ist und die Zeit der Renaissance auch hier die innerliche Stileinheil der Gotik in die irdische Welt übersetzt und mit Frohsinn und Daseinsfreude erfüllt. In den Tagen des Barock scheint nun diese Einheit noch inniger zu werden, weil über die einzelnen Glieder des Ganzen, die bisher von Eigenleben erfüllt waren, die allesüberspülende Macht der Bewegung geht, von welcher der Fassadenschmuck ebenso erfaßt wird wie die Ornamentik der Schild- trägersüllung. Diese letzte mächtige Woge abendländischen Kunstbekenntnisses verrinnt dann an den Ufern von Spätstilen, deren Kraft nicht mehr zur Beherrschung des Außenbildes reicht, die sich darum auch nur des Innenraumes wirklich bemächtigen können und aus ihm jene reizvollen Schöpfungen gestalten, die uns als Rokoko, Empire, Biedermeier vertraut und lieb geworden sind. In dieser Spätzeit hört die Verbundenheit des Schildes mit dem Bauwerke auf; das Schild geht —- unbekümmert um feine nächste Umgebung — seinen eigenen stilistischen Weg; es mutet jetzt an, als fei es ein Ding wie jedes andere in den Wohnräumen und nur zufällig an die Außenseite des Gebäudes geraten, mit der es einzig noch das feine Empfinden für Stil gemeinsam hat. Das Schild ist jetzt ein Ding für sich geworden, das feine enge Beziehung zur Hausfassade gelöst hat und deshalb auch nicht mehr wähleriscb auf einen geeigneten Platz bedacht ist. Dennoch stellen die Schöpfungen des Rokoko einen neuerlichen Höhepunkt dar, der den der Renaissance wieder erreicht. Form und Inhalt verklingen in so vollendeter Weise ineinander, daß die Leistungen des voraufgehenden Barock wie eine Auflockerung des Gefüges wirken, wie Gestaltungslösungen, die sich noch nicht ganz in die neue Stilgesinnung finden konnten. Von dieser letzten Höhe führt der Weg dann in immer weiter um sich greifende Auslösung bis zu Zerfallserscheinungen, die eine allgemeine Teilnahme gar nicht mehr verdienen. Nur selten gelingen der Zeit der lebten Jahrhundertwende noch Schöpfungen von künstlerischem Wert, und dann sind sie meist Nachschöpfungen verklungener Stile. Ab und zu wagt sich ein Ent- 20

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