Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Dezember 1949

Bild 2: Renaissance. Während in der Zeit der Gotik die Kunst des Steinmetzen für den Schmuck des Hauses ausschlaggebend war, tritt in der Renaissance die Geschicklichkeit des Maurers in den Vordergrund. Die Revolution des Zeitgeistes drückt sich in den Bauformen besonders aus. Man sieht nicht mehr die steilen, die Häuserfront, nach oben auslösenden Giebel, sondern läßt meist den Dachfirst parallel zur Gassen- oder zur Platzflucht verlausen. Die Dachneigung ist nicht mehr 60", sondern nur mehr- 45”. Sie genügte für eine gute Regenwasserabfuhr und entsprach dem neuen Baustil, der die Betonung des Horizontalen verlangte, weit besser. Unser Vertreter der Renaissance ist das Haus Pfarrgafse Nr. 1. Es wurde im Jahre 1582 von der Witwe des Eisenhändlers Georg ©ruber, einer wiederverehelichten Händl, erbaut. Wie einfach und doch vornehm wirkt die Fassade dieses Hauses! Erstes und zweites Stockwerk sind durch einfache, horizontale Bänder geteilt. Profilierte Fensterverdachungen, die abwechselnd segmentförmige und dreieckige Form haben, bilden den Schmuck der Fenster. Der Wechsel der Formen in einem Stockwerk weist schon aus barocke Gesinnung hin. Ebenerdig fehlen die Fensterverdachungen. Die Wand ist durch Putzquadern belebt. Nur das mehr geschmückte Portal gibt dem Gebäude eine reichere Note. Auffallend bei diesem Haus ist der Runderker, den mir aber in der alten Stadt überall dort finden, wo ein Platz in eine schmale Gasse ausmündet. . Ein anderer schöner Repräsentant eines Renaissance-Nutzbaues ist der Innerberger Stadel (1612), der eines Schlosses das Engelseck "(1642). Bild 3: Barock. Das Haus Berggasse 26 ist ein meisterhafter Barockbau, wenn auch die Mauern des Erdgeschosses schon aus älterer Zeit stammen öürften. Wir werden nicht fehlgehen, diesen Bau dem Meister des Barocks in Steyr, Gotthard Hayberger, zuzuschreiben. Ihm verdanken wir auch unser schönstes Amtsgebäude, nämlich das Rathaus (1771). Unser Repräsentant zeigt, daß eine ungemein schmuckfreudige Zeit in Blüte war. Der ideenreiche Architekt konnte sich auf die Kunst der Maurer und Stukkateure voll verlassen. Monumentale' Pilaster verbinden die beiden Stockwerke. Der Raum zwischen den geschwungenen Fensterverdachungen und den steinernen, einfachen Fenstergewänden ist mit geschmackvollen Plastiken ausgefüllt. Das Erdgeschoß ist einfach mit Putzquadern geziert. Die Fenstergitter sind stilgerecht geformt. Vollkommen neu ist die gebrochene Form des Daches: das Mansardendach. Abwegig ist es, nur nach der Form der Fassade auf das Alter des Hauses zu schließen. Allzuoft wurde das Kleid des Hauses modernisiert. Man muß auch das Innere des Baues überprüfen, denn jede Zeit hat andere Bedürfnisse und Gewohnheiten in der Anlage und Ausgestaltung der Räume gehabt. 17

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