Veröffentlichungen des Kulturamts der Stadt Steyr, März 1949

Diese Streitsache wurde auch durch eine Entscheidung Kaiser Maximilians nicht beigelegt und zog sich hin bis zum Jahre 1511. Es wurden neuerlich Beschwerden gegen die Ratsbürger erhoben. Messerer, Klingenschmiede und Schleifer beklagten sich, daß der gute Stahl aus dem Lande geführt, der schlechte und weiche dagegen den Werkstätten gelassen werde, folglich der Handwerker keine gute Arbeit leisten könne und daher verderben müßte. Ein Messerergeselle, Sebastian Mureisen, dem ein Gerichtshandel nicht zu seinen Gunsten entschieden wurde, sagte sogar dem Rat die Fehde an, und Ulrich Prandtstetter drohte in einer geheimen Versammlung, daß man zu den Klingen greifen, die Ratsmitglieder durch die Fenster werfen und alle erschlagen werde. Das Endergebnis dieses Aufstandes war eine Niederlage der Handwerker. Von 35 beteiligten Personen erhielt die Mehrzahl eine Geldstrafe. Ulrich Prandtstetter hingegen und neun Handwerker wurden in Eisen geschlagen und auf Wagen über Linz nach Wien ins Gefängnis geschleppt. Zwei der Angeklagten konnten noch rechtzeitig die Flucht ergreifen. Einer von den beiden, Hans Scheubl, versteckte sich im Dominikanerkloster und floh dann in Mönchskleidern nach Vudweis. Die Gefangenen wurden im nächsten Jahre wieder auf freien Fuß gesetzt. In Steyr wurde ihnen jedoch die Ausübung ihres Handwerks untersagt, da sie behaupteten, unschuldig bestraft worden zu sein. Prandtstetter, der aus Oberösterreich auf ewige Zeiten verwiesen wurde, ging wie Scheubl ebenfalls nach Böhmen und suchte von dort aus neuerdings gegen die Steyrer Ratsbürger Anschuldigungen zu erheben. Preuenhuber ist der Meinung, daß er später geköpft worden fei20. Die sozialen Unterschiede zwischen den Handwerkern und den reichen Patrizierfamilien, die den Kaiser finanziell unterstützten und ihre Töchter an Adelige verheirateten, bestanden aber noch lange Zeit. Wenn auch, wie Preuenhuber in seinen Annalen einleitend bemerkt, zwei oder drei Meister aus dem Handwerk der Messerer der Stadtregierung beigezogen wurden, so war doch noch gegen Ende des 16. Jahrhunderts der gesellschaftliche Abstand zwischen den Ratsbürgern und den übrigen Stadtbewohnern sehr groß. Dies beleuchtet recht anschaulich ein Ratsbeschluh aus dem Jahre 1583, nach welchem der von Magnus Ziegler und Hieronymus Händl bevormundeten bürgerlichen Jungfrau Regina Earerin die Anschaffung von zwei Atlas-Röcken in „pamarant- schen" und weißer Farbe für ihre Brautausstattung sowie das Tragen einer goldenen Halskette und eines Armschmuckes bei Strafe gänzliche und gar eingestellt und abgeschafft wurde. Lediglich einen veilchenbraunen Atlas-Rock bewilligte man ihr für die Hochzeit2^. Sogar die Kleidung und deren Farbe hat man um diese Zeit noch den gewöhnlichen Bürgersleuten vorgeschrieben. Neben Konkurrenz und Standesunterschied waren aber auch vielfach religiöse und soziale Erwägungen für den Zusammenschluß der Handwerker maßgebend. Zwei Grundtypen treten uns hier entgegen: Die Bruderschaften mit ihren religiös-kirchlichen Zielen und die Zechen, die entweder Bruderschaften oder ausgesprochene Standesorganisationen sein konnten und für die sich die Bezeichnungen „Handwerk", „Innung" und „Zunft" herausbildeten. Schließlich gab es um 1500 fast keine wirtschaftliche Standesgruppe, die nicht in irgend einer Weise, sei es durch einen Gottesdienst oder durch die Beteiligung am Fronleichnamsfest die Zugehörigkeit zur Kirche bezeugt hätte- __ Bekanntlich standen die Landesfürsten im 13. und 14. Jahrhundert den Zünften ob ihrer „Exklusivität" und ihren eigenmächtigen Preisfestsetzungen nicht sympathisch gegenüber, da sie in dem Vorgehen der Zechen eine Schädigung der übrigen städtischen Belange erblickten. Schon Ottokar von Böhmen befahl 1276 in Wien die Aufhebung der Zünfte auf zwei Jahre22 und noch 1435 war den Zunftmitgliedern eine Versammlung nur auf dem Rathaus in Gegenwart von zwei Ratsmitgliedern gestattet2^ Doch der mächtige genosien- 6

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