Veröffentlichungen des Kulturamts der Stadt Steyr, März 1949

die Bewilligung einer Singschule ansuchten, fast jedesmal „gebührende Bescheidenheit" und die Enthaltung „ärgerlicher ©fang" verlangte und zur Ueberwachung dieser Anordnung eigene Deputierte bestimmte. Daß sich der Ruhm der Steyrer Meistersinger weit über die Grenzen der engeren Heimat verbreitete, bezeugt ein Straßburger Meisterlied aus dem Jahre 1597m. Beträchtlich ist die Zahl der von 1599 bis 1624 durchgeführten Singschulen; ich fand in den Ratsprotokollen für diese Zeit nicht weniger als 35 verzeichnet. Dies zeigt wohl am deutlichsten, daß unsere Stadt zu den hervorragendsten Pflegestätten der „holdseligen Kunst" im damaligen Oesterreich zählte, ja man kann Steyr als die österreichische Stadt der Meistersinger bezeichnen^. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, daß sich sogar Messerer und Kürschnergesellen mit Komödienaufführungen befaßten, bekannt ist der Schwertertanz der Messerer, der 1680 noch zur Aufführung gelangte135. Gewaltige Ueberschwemmungen in den Sechziger- und Siebzigerjahren des 16. Jahrhunderts, ein starkes Umsichgreifen von Infektionskrankheiten um 1583 wirkten sich ungünstig auf die gewerbliche Wirtschaft aus. Es ist auch immer ein bedenkliches Zeichen, wenn sich Handwerksmeister um eine Art Nebenbeschäftigung oder gar um einen anderen Beruf umsehen, und gerade zwischen 1580 und 1590 zeigt sich diese Erscheinung. Gürtler und Fleischhacker befassen sich mit dem Bierausschank135, der Zuckerbacher Stefan Hager unterhält in Aichet eine Winkelschule13' und der Gürtlermeister Hans Ruf wird Ratsdiener133. Im letzten Jahrzehnt des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts verschlechterte sich die Lage des Handwerks durch die Türkengefahr, durch Bauernunruhen, durch den Niedergang des Eisenwesens und durch die religiösen Verhältnisse. Doch werden in den Jahren vor dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges noch zwei hübsche Renaissance-Bauten aufgesührt: Das Schnallentor und der Jnnerbergerstadel. Besonders die Sgrafstto- oder Kratzmalereien an letzterem erfreuen noch heute unser Auge. Diese Art der Wandflächenverzierung stammt aus Oberitalien und wurde bei uns von italienischen („wälischen") Maurern ausgeführt, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts immer häufiger in unsere Gegend kamen133. Die hinlänglich bekannten politischen und religiösen Begebenheiten zu Steyr in den ersten zwei Jahrzehnten des Dreißigjährigen Krieges wie Bauernaufstände, Abwanderung protestantischer Bürger, Truppeneinquartierungen und andere Ereignisse, die den Wohlstand der Bevölkerung von Jahr zu Jahr verringerten, erzählt uns in schlichter Sprache ein Handwerksmeister, der Färber Jakob Zetl, der in Ennsdorf seine Werkstätte hatte. Seine Schilderung der Zustände um 1622 erinnert uns lebhaft an die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. So weiß der Chronist zu berichten, daß oftmals am Morgen bei hundert Personen vor dem Brotladen warteten, daß der Wert des Geldes auf die Hälfte und später auf ein Viertel sank, daß die Städter zu den Bauern hinauswanderten, um sich für Silberschmuck, Zinngeschirr, Bettzeug und andere Mobilien Getreide einzutauschen113. Die im Jahre 1583 vom Landesfürsten gegründete Eisenhandlungskompanie brach unter den Ereignissen zu Beginn des 17. Jahrhunderts völlig zusammen. Um dem Eisenwesen aber wieder einen Aufschwung zu verleihen, wurde 1625 die Innerberger Hauptgewerkschaft ins Leben gerufen, die Rad- und Hammerwerke sowie die Steyrer Eisenhandlungsgesellschaft vereinigte. Doch nur einige Jahrzehnte blühte das neuorganisierte Eisenwesen. Geldmangel, Uneinigkeit der Mitglieder, der wirtschaftliche Tiefstand der Stadt von 1638 bis 1660 und andere Umstände brachten die Hauptgewerkschaft fast an den Rand des Abgrundes, so daß 1669 eine Reform notwendig wurde111. Den Niedergang des Eisenwesens verspürten nicht nur die Eisenarbeiter, auch andere Gewerbe erlitten hiedurch beträchtlichen Schaden. Um 1660 beklagten 16

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