Veröffentlichungen des Kulturamts der Stadt Steyr, März 1949

hielt deshalb eine halbtägige Arreststrafe, die die Meister in der Bürgerstube, die Gesellen im Dienerhaus zu verbüßen hatten. Die Zunfttruhe aber mußte wieder in die Herberge zurückgestellt roerben84. Die Zünfle durften nur mit Genehmigung der Stadtbehörde die Artikel ihrer Ordnung abändern und wurden, wie noch gezeigt werden wird, auch hinsichtlich Preisgestaltung und Qualität ihrer Erzeugnisse vom Rate kontrolliert. Wollen wir nun die wirtschaftliche Lage des Handwerkerstandes seit dem 15. Jahrhundert einer kurzen Betrachtung unterziehen. Die vielverzweigte Eisenindustrie, die sich im 14. Jahrhundert zu entwickeln begann, breitete sich, die Wasserkräfte der Steyr ausnützend, hauptsächlich in Steyrdorf und Aichet aus. Neben Huf-, Hammer- und Neigerschmieden, Harnischmachern, Bognern, Panzerstrickern und Sporern, Haubenschmieden und Schwertfegern, neben Pfannen-, Nagel-, Blech- und Zweckschmieden, Drahtziehern, Feilhauern, Schlossern, Ahl- und Zirkelschmieden entfaltete sich vom 14. bis zum 16. Jahrhundert am mächtigsten die Messererzeugung, welche die Klingenschmiede, Schleifer und die eigentlichen Messerer umfaßte. Die Herstellung eines Messers vollzog sich seit dem 15. Jahrhundert in der Weise, daß der Klingenschmied die Rohklinge schmiedete, der Schleifer ihr die „Schneid" gab und der Messerer die Schale dazu anfertigte. Diese Arbeit verrichteten vielfach neben den Gesellen auch besondere Lohnarbeiter, die Schrater oder Schalenmacher. Das tägliche Arbeitsquantum der Klingenschmiede war im allgemeinen festgesetzt mit ein bis drei Schwertern oder 20 bis 40 Stück kleineren Messern. Mit großer Sorgfalt wurde das Rohmaterial, der Stahl, ausgesucht, der „recht gegärbt, nicht rauch und grob gezaint sein" durfte. Sorgfältig war aber auch die Ausführung der Messerwaren. Kein Wunder, wenn die mit dem Zeichen der Steyrer Messerer geschlagenen Erzeugnisse in aller Welt begehrt wurden. England, Frankreich, Deutschland, Böhmen, Italien, Ungarn, Polen, Rußland und der Orient waren die Absatzgebiete der hiesigen Messerverleger88. Eine Blütezeit der Eisenindustrie war auch immer eine Blütezeit für die anderen Gewerbe in unserer Stadt. So war es schon im 15. Jahrhundert. Die Stadtpfarrkirche, das prächtige Bummerlhaus und andere hübsche spätgotische Bürgerhäuser erinnern noch heute an die Zeit bürgerlichen Wohlstandes im ausklingenden Mittelalter. Aber schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts zeigte sich, hervorgerufen durch verschiedene Kriegsereignisse, ein Niedergang der gewerblichen Wirtschaft. Als 1495 Kaiser Maximilian I. die Stadt neuerlich um 700-Gulden ersuchte, klagten die Steyrer, daß sie seit zwölf Jahren vielfältige Aufschläge zu leisten hätten, daß seit dreißig Jahren das Messerer-Handwerk so schlecht und solche Zeit noch nie gewesen wäre88. Diese Krisenzeit dauerte an bis in die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts. Sie spiegelt sich in dem oben geschilderten Streit zwischen Ratsbürgern und Handwerkern, sie kommt zum Ausdruck nach 1534, in welchem Jahre die Quellen zu berichten wissen, daß die Stadt durch Türkenkriege, Teuerung und Geldentwertung in große Armut geraten fei87. Doch der nimmermüde Fleiß der Gewerbetreibenden wußte auch diesen Tiefstand verhältnismäßig rasch zu überwinden. Um die Mitte dieses Jahrhunderts erlebt das Handwerk, trotz der religiösen Ereignisse, neuerlich einen bedeutenden Aufschwungs. Zu Anfang des Jahrhunderts fand die Sensen- und Sichelerzeugung hier Eingang88, 1540 kamen die Schermesserschmiede von Waidhofen nach Steyr88 und um 1543 war der Raum innerhalb der Stadtmauern schon so beschränkt, daß für die Messerer auf dem Wieserfeld Wohn- und Arbeitsstätten erbaut werden mußten84. Aus dieser Zeit stammt das älteste Steuerbuch der Stadt, das bereits ein vielgestaltiges Handwerksleben aufweist8'. Die 1569 einsetzenden Ratsprotokolle erzählen von den Messinghütt- 12

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