F.L. Jahn und der Turnverein Steyr

Pichler ist von 1876 bis 1878 und von 1892 bis 1905 hauptberuflich Turnlehrer an der Realschule. 1877 wird von ihm das Lehrlingsturnen eingeführt, 1888 werden Turnabteilungen für Knaben und Mädchen eingerichtet. Aber nicht nur auf Steyr bleibt die Tätigkeit des Turnlehrers beschränkt: Pichler wird bald Bezirks- und Gauturnwa1t, welch letzteres Amt er 26 Jahre lang ausübt. Zu Ende des Jalu·Irnnde1ts gerät auch der Steyrer Turnverein in den Sog der Entwicklung, die im allgemeinen Teil geschildert worden ist. Nachdem der Turngau Wien unter dem Einfluss der Schönerer-Bewegung schon zu Ende der Achzige1jahre den Arierparagraphen eingefüh1t hat, demzufolge einem Turnverein„ nur Mitglieder deutscher Abstammung" angehören dürfenn , spricht sich am Gauturntag von 4. bis 6. Juni 1898 in Braunau die Mehrzahl der Abgesandten dafür aus, auch den Vereinen des Turngaues Oberösterreich-Salzburg eine analoge Regelung zu empfehlen. Die Steyrer Gauboten sind bei der Abstimmung unschlüssig, weil sie keine Weisungen haben und weil in ihrer Heimatstadt die Liberalen regieren, was natürlich -ohne dass im Verein je Politik betrieben worden wäre - auch auf die Turnerkreise ausstrahlt. Trotzdem wird in einer außerordentlichen Hauptversammlung, die ganz dem Thema „Stellungnahme zum Braunauer Gaubeschlusse" gewidmet ist, eine entsprechende Satzungsänderung von den mehrheitlich anwesenden jungen und aktiven Turnern begrüßt. Bis zur darauf folgenden ordentlichen Hauptversammlung hat der Vereinsvorstand aber so viele ehemalige Turnerinnen und Turner als unterstützende Mitglieder reaktivie1t, dass der Arierparagraph keine Mehrheit findet. Die Streitigkeiten ziehen sich bis zum Frühjahr 1900 hin und werden vor allem in der beim „Blauen Bock" einmal wöchentlich tagenden ,,Turnkneipe", die der Besprechung turnerischer Angelegenheiten dient, ausgetragen. Schließlich ziehen sich die „deutschvölkischen" Turner unter Führung von August Pichler d. J. aus der Turnkneipe zurück und gründen im September 1899 die „Jahnkneipe" in einem Gasthof in der Berggasse 44, der bald danach den Namen „Deutsches Haus" annimmt. Hier wird am 5. Mai 1900 beschlossen , bei der nächsten Generalversammlung des Vereines wiederum den Antrag auf Satzungsänderung zu stellen; Franz Kiderle übernimmt den Auftrag, die Sache bei dieser Versammlung energisch zu vertreten. 40

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